Bestwig. In Bestwig spitzt sich die Flüchtlingssituation zu. Bei Politik und Verwaltung geht die Sorge um, dass die Stimmung kippen könnte.

Die Flüchtlingssituation in der Gemeinde Bestwig spitzt sich immer weiter zu. Bei Politik und Verwaltung geht mehr und mehr die Sorge um, dass die Stimmung in der Kommune kippen könnte.

Vor allem Christdemokrat Markus Sommer fand in der Sitzung des Bürgerausschusses sehr deutliche Worte. Im Gegensatz zu Bürgermeister Ralf Péus sprach er nicht nur von einem „Riesenproblem“, sondern von einem „Riesenproblem, mit dem die Kommunen alleine gelassen werden.“ Wenn in Berlin nicht grundlegend etwas am Asylgesetz geändert werde, laufe es auf eine Katastrophe hinaus, so Sommer. Auch, wenn die Lage in Bestwig angesichts der guten Arbeit, die im Rathaus gemacht werde, aktuell vielleicht noch nicht so akut sei, wie in anderen Kommunen, sei eben diese Lage endlich, betonte Sommer und bezog sich damit auf den zur Verfügung stehenden Wohnraum, der sich langsam aber sicher dem Ende neigt.

Von Obdachlosigkeit bedroht

Genau das hatte zuvor Bürgermeister Ralf Péus deutlich gemacht. Freie Kapazitäten gibt laut der letzten Statistik von Oktober demnach nur noch in den Unterkünften in Ostwig und in Andreasberg - 10 Plätze in der ehemaligen Anne-Frank-Schule und 24 im ehemaligen Margarethenhof. Hinzu kamen mit Stand 15. Oktober 8 freie Plätze in angemieteten Wohnungen von Wohnungsbaugesellschaften. Der im Ausschuss präsentierte Sachstand vom 15. Oktober ist inzwischen schon nicht mehr aktuell, weil zusätzlich Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht waren, in der Unterkunft Andreasberg untergebracht worden sind. Entsprechend habe sich die Zahl der freien Plätze hier bereits reduziert.

Fünf Zuweisungen pro Woche

Im Schnitt müsse die Gemeinde pro Woche mit fünf neuen Zuweisungen rechnen, betonte Péus im Ausschuss. „Es können aber durchaus auch mal sechs, sieben oder acht sein.“ Damit könne man sich sehr leicht ausrechnen, dass bis zum Ende des Jahres die Kapazitäten erschöpft sein werden. Entsprechend mache man sich Gedanken, wie es weitergehen könne. Hier und da könne der Wohnraum sicherlich noch ein wenig verdichtet werden. Weil diese Möglichkeit aber begrenzt sei, beschäftige sich die Gemeinde aktuell sehr intensiv mit Containerlösungen. Die Probleme liegen hierbei aber zum einen in der Beschaffung und zum anderen in der Frage nach einem passenden Standort, der zumindest halbwegs zentral liegen sollte.

Unterbringung in Turnhallen

Und was geschieht, wenn die Gemeinde Bestwig eine solche Containerlösung aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht schnell genug hinbekommt? „Sechs bis sieben Wochen sind schließlich schnell um“, betonte Christdemokratin Gertrudis Dohle und wollte wissen, ob die Gemeinde dann die Turnhallen belegen wird. Sie verstehe die Notsituation, in der sich die Gemeinde befinde. Aber eine solche Lösung dürfe nur die allerletzte Wahl sein.

Damit kann man sich sehr leicht ausrechnen, dass bis zum Ende des Jahres die Kapazitäten erschöpft sein werden.
Ralf Péus, Bürgermeister der Gemeinde Bestwig

Das, so betonte Bürgermeister Péus, sehe die Verwaltung genau so. Man tue alles, um ein solches Szenario zu vermeiden. Und das aus gutem Grund. „Die Belegung von Turnhallen kann sehr leicht dazu führen, dass die Stimmung in der Gemeinde kippt“, betonte der Bürgermeister. Entsprechend sei man dankbar für jede Wohnung, die der Gemeinde gemeldet werde, um dort weitere Flüchtlinge unterzubringen, appellierte Claudia Schmitten als Leiterin des Bürgeramtes.

Spätestens, wenn in der Gemeinde drei Turnhallen belegt sind, wird die Stimmung kippen.
Markus Sommer, Mitglied der CDU-Fraktion

Auch Markus Sommer warnte vor einer solchen Entwicklung. Wenn man in Berlin und auch in Brüssel nicht entsprechend reagiere, werden genau diese Befürchtungen eintreten, ist er überzeugt. Auch er habe kein Patentrezept. „Aber fest steht, dass es so nicht weitergehen kann“. Spätestens, wenn in der Gemeinde drei Turnhallen belegt seien, werde die Stimmung kippen, so Sommer.

Ein enormer Druck

Bürgermeister Ralf Péus nutze den „Sachstandsbericht zur Flüchtlingssituation“, um in diesem Zusammenhang ausdrücklich die enorme Belastung und die hervorragende Arbeit des Bürgeramtes hervorzuheben. Er sprach von einem enormen Druck, unter dem das Team angesichts täglich neuer Probleme stehe. Und nicht selten stünden zusätzlich Asylbewerber mit den unterschiedlichsten Forderungen oder Beschwerden auf der Matte. „Dabei wird es dann gerne auch schonmal sehr laut“, so Péus. Das alles zu bewältigen, sei immer wieder aufs Neue eine enorme Herausforderung.

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Untergebracht sind die Flüchtlinge in der Gemeinde Bestwig wie folgt:

  • 37 in der ehemaligen Anne-Frank-Schule in Ostwig
  • 35 im ehemaligen Margarethenhof in Andreasberg
  • 21 im Gemeindewohnheim Velmede
  • 2 im Feuerwehrgerätehaus in Nuttlar
  • 10 in Gockeln Haus in Ramsbeck
  • 100 in Wohnungen, die die Gemeinde von Wohnungsbaugenossenschaften angemietet hat
  • 102 in privat angemieteten Wohnungen
  • 58 in Wohnungen, die von den Flüchtlingen selbst angemietet sind

128 der in der Gemeinde Bestwig untergebrachten Flüchtlinge sind aus der Ukraine ins Sauerland gekommen. Wobei es sich dabei nicht ausschließlich um Ukrainer handele, betonte Péus. 20 von ihnen hätten eine andere Nationalität und stammen ursprünglich unter anderem aus Syrien oder Afghanistan. Die zweitgrößte Gruppe bilden 55 Menschen aus Syrien. 15 Personen kommen aus Afghanistan, 11 aus dem Irak, 10 aus dem Iran, 6 aus Angola und 6 aus der Türkei. Der Rest verteilt sich auf viele weitere Nationen.