Nordenau. In Nordenau soll eine Flüchtlingsunterkunft mit 45 Plätzen entstehen. Das Dorf selbst hat 231 Einwohner. So hitzig verlief die Bürgerversammlung.

Die Nachricht, dass die Stadt Schmallenberg das Landhaus Nordenau kaufen und dort 45 Flüchtlinge unterbringen möchte, hat Wellen geschlagen. Rund 150 Zuhörer waren am Dienstagabend der Einladung zur Bürgerversammlung gefolgt. 231 Einwohner hat der kleine Ort. Auch Bürgerinnen und Bürger der umliegenden Ortschaften sowie Kommunalpolitiker interessierten sich für die Diskussion, die sachlich begann und lautstark nach 22 Uhr endete.

Frank Schütte vom Ortsbeirat trägt die Sorgen der Bewohner vor.
Frank Schütte vom Ortsbeirat trägt die Sorgen der Bewohner vor. © Laura Nowicki

Verschiedene Stimmen aus Nordenau - darunter Frank Schütte vom Ortsbeirat - betonten immer wieder, dass Nordenau nicht dagegen sei, Flüchtlinge aufzunehmen. „Die Verhältnismäßigkeit bereitet uns Sorgen“, erklärte er. 45 Flüchtlinge demnächst im Landhaus Nordenau sowie weitere 8 in zwei bereits bestehenden Ferienwohnungen für Flüchtlinge. Das bedeute eine Quote von 22 Prozent.

>>> Lesen Sie auch: Schmallenberg: „Die dritte Corona-Impfung hat mich aus dem Leben gerissen <<<

Das Dorf im Stadtgebiet, dass die zweitmeisten Flüchtlinge im Vergleich zur Einwohnerzahl aufgenommen habe, sei Oberhenneborn. „Die Quote dort beträgt mit 11 Prozent gerade mal die die Hälfte“, betonte Schütte. „Wir haben das Gefühl, von den Ereignissen überrollt zu werden.“ Hier geht’s zum Kommentar.

Druck auf die Kommunen

Die Sorge könne Bürgermeister Burkhard König nachvollziehen, aber sobald die Stadt eine Möglichkeit sehe, ein Gebäude zu kaufen oder zu mieten, müsse sie handeln. Zu groß sei der Druck, unter dem die Kommune aktuell stehe. „Wir sind das letzte Rad im Getriebe“, sagte König. Dass es so nicht weitergehen könne, mache er im Gespräch mit den politischen Vertretern auf Landes- und Bundesebene längst deutlich.

Mit Blick auf die ganz aktuelle Entwicklung, dass Landesunterkünfte voll laufen und sich die Kommunen in den kommenden Monaten verstärkt auf Zuweisungen einstellen müssten, würde der Druck allerdings noch mal steigen.

671 Flüchtlinge leben in Schmallenberg

„Wir müssen wieder vor die Lage kommen, um sinnvoll verteilen zu können“, erklärte Beigeordneter und Kämmerer Andreas Plett. Er stellte der Versammlung die Zahlen vor: Aktuell leben 671 Flüchtlinge in Schmallenberg, davon 346 in städtischen Unterkünften. Mit dem zuletzt dazu gewonnen Hotel Hochland in Bad Fredeburg stehen aktuell 114 freie Plätze in städtischen Unterkünften zur Verfügung. Im Bau bzw. in Planung seien weitere insgesamt 146 Plätze in Grafschaft, Schmallenberg, Westfeld und eben in Nordenau. Turnhallen und Zeltstädte könnten nur eine Notlösung sein. „Wir wollen diese Menschen, die auf der Flucht sind, adäquat unterbringen.“

Bis in die späten Abendstunden wurde diskutiert. Rund 150 Zuhörer sind am Dienstagabend der Einladung zur Bürgerversammlung gefolgt. 231 Einwohner hat der kleine Ort. Aber auch Bürger der umliegenden Ortschaften sowie Kommunalpolitiker interessierten sich für die Diskussion.
Bis in die späten Abendstunden wurde diskutiert. Rund 150 Zuhörer sind am Dienstagabend der Einladung zur Bürgerversammlung gefolgt. 231 Einwohner hat der kleine Ort. Aber auch Bürger der umliegenden Ortschaften sowie Kommunalpolitiker interessierten sich für die Diskussion. © Laura Nowicki

In der weiteren Diskussion kritisierten die Nordenauer die Informationspolitik - „das ist schlecht gelaufen“, so Schütte, „und hat in den letzten Tagen zu vielen Besorgnissen geführt.“ Warum die Stadt kein Konzept erarbeite, sondern seit eineinhalb Jahren nach dem Prinzip Zufall verteile, wollte er außerdem wissen.

Über Kauf der Immobilie entscheidet der Rat am 24. August

Laut Gemeindeordnung würden alle Grundstücksangelegenheiten im nicht öffentlichen Teil des Stadtrates - der Kauf der Immobilie in Nordenau am 24. August - entschieden. Auch der ursprüngliche Termin für die Bürgerversammlung, der 21. August, hätte also im Vorfeld stattgefunden, so König.

„Über die Bezirksregierung werden uns jeden Monat etwa 40 Personen zugewiesen - mit nur 14 Tagen Vorlauf. Diesen Zustrom müssen wir bewältigen. Wir haben keine Wahl“, erklärt der Bürgermeister weiter. „Ich bitte Sie, nicht die Quote, sondern die absolute Zahl zu betrachten. Es geht um 45 Personen.“ Aus anderen Orten, wie zum Beispiel Bödefeld, in denen es ähnliche Sorgen gab, könne er berichtet, dass es in den Unterkünften keine nennenswerten Probleme gebe. „Überschaubare Unterkünfte sind uns wichtig“, ergänzte König. Die Größenordnung 40 bis 50 Personen habe sich bewährt. „Sie können mir glauben, dass wir ein großes Interesse daran haben, dass das hier funktioniert. Wir kümmern uns.“

Hilfe zur Selbsthilfe

Carmen Oberstadt ist bei der Stadt Schmallenberg für das Flüchtlingsmanagement verantwortlich. Auch sie stand Rede und Antwort.
Carmen Oberstadt ist bei der Stadt Schmallenberg für das Flüchtlingsmanagement verantwortlich. Auch sie stand Rede und Antwort. © Laura Nowicki

Dafür verantwortlich ist Carmen Oberstadt mit ihrem Team: „Wir setzen früh an, gucken uns die Leute an, führen Aufnahmegespräche und verteilen dann.“ Dabei spielten Sprache, Beruf, Familienstand und Herkunft eine Rolle. „Wir begleiten diese Menschen, geben Hilfe zur Selbsthilfe und integrieren sie.“ Mittlerweile gebe es Integrationskurse und verschiedene andere Angebote nicht nur bei der VHS, sondern auch bei Team Impuls etc. „Manche bringen auch sehr viel mit. Wir brauchen Zuwanderung“, ergänzte Oberstadt mit Blick auf den Arbeitsmarkt.

Forderungskatalog an den Bürgermeister

Der Ortsbeirat überreichte einen Forderungskatalog an den Bürgermeister. Darin geht es unter anderem um die Punkte: Umwandlung in Bürgerwohnungen nach fünf Jahren; einen Sicherheitsdienst bzw. einen Ansprechpartner, falls Probleme auftreten; dass Gebäude und Grundstück in Ordnung gehalten werden und dass Zuweisungen mit Augenmaß erfolgen. Nordenau brauche Flüchtlinge, die dem Dorf die Chance geben, sie zu integrieren. „Wir wollen die persönlichen Schicksale nicht aus den Augen lassen“, so Ortsbeirat Christian Wegener. Aber wenn jeder vierte oder fünfte Einwohner ein Flüchtling sei, werde Integration schwierig.

„Diese Quote kann der Ort nicht schaffen“, sagte Martin Schenk, der ebenfalls in Nordenau wohnt, mit Nachdruck. Verunsichert zeigten sich vor allem auch die direkten Anwohner im Sonnenpfad - die ersten überlegen, ihr Haus zu verkaufen, erklärten sie verärgert und emotional.

Positive Erfahrungen

Von seinen positiven Erfahrungen aus Bad Fredeburg berichtete Nils Albers, der dort die Grundschule leitet, aber in Nordenau wohnt. „Wir können unsere Augen nicht vor der Welt verschließen“, ergänzte Manuela Albers. „Wir stehen doch zusammen und werden das schaffen.“ Es sei traurig, dass im Vorfeld solche Ängste geschürt würden.

„Das Gefühl der Überlastung bleibt“, resümierte Frank Schütte. „Die Stadt behandelt Nordenau in der Verhältnismäßigkeit nicht fair.“