Meschede. Das VU-Team der Polizei im HSK sammelt Spuren, wenn Menschen im Verkehr sterben oder schwer verletzt werden. Wo die Aufgaben und Grenzen liegen.

Sie werden gerufen, wenn Menschen schwer verletzt werden, wenn sie nach einem Unfall im Straßenverkehr um ihr Leben kämpfen oder sterben. In der Region war das zuletzt in Lenne der Fall und an Silvester auf der Landstraße vor Stockhausen. Das Verkehrsunfall-Team (VU-Team) der Kreispolizeibehörde schafft dann mit objektiven Daten Grundlagen für die juristische Bewertung. Die Arbeit erklärt der Leiter des VU-Teams im HSK Robert Kaiser.

Welche Vorteile haben Bürger durch Ihren Einsatz?

Letztlich dient unsere Arbeit dazu, rechtssicher festzustellen, wer Unfallopfer und wer Verursacher ist. Manchmal entpuppt sich dann durch unsere Arbeit auch eine - auf den ersten Blick - offensichtliche Lage als falsch.

Robert Kaiser ist Leiter des VU-Teams der HSK-Polizei.
Robert Kaiser ist Leiter des VU-Teams der HSK-Polizei. © WP | Polizei HSK

Wie das?

Bei einem Unfall hatte jemand offensichtlich die Vorfahrt eines anderen Fahrzeugs missachtet. Die Schuldfrage schien klar. Aber durch das Auslesen der Fahrzeugdaten konnten wir dann feststellen, dass der vorfahrtsberechtigte Pkw statt mit erlaubten 70 km/h mit 150 km/h unterwegs gewesen war. Damit wurde auch verständlich, dass der Unfallverursacher zu Protokoll gegeben hatte: Er habe das Auto nicht kommen sehen. Ein anderes Beispiel: Es macht schon einen Unterschied, ob die Fußgängerin auf der Fahrbahn oder auf dem Gehweg angefahren wurde, und manchmal sind solche Umstände zunächst gar nicht so eindeutig festzustellen, wie man annehmen könnte...

Das Drohnenbild zeigt eine Unfallsituation, aufgenommen wurde es vom VU-Team des HSK. 
Das Drohnenbild zeigt eine Unfallsituation, aufgenommen wurde es vom VU-Team des HSK.  © Privat | Polizei HSK

Was untersuchen Sie alles, um die Unfälle zu rekonstruieren?

Wir sichern alle Spuren am Fahrzeug, am Menschen, an Gebäuden, vermessen sie und lesen die digitalen Spuren innerhalb des Fahrzeugs aus. Natürlich nehmen wir auch die Unfallstelle genau in Augenschein, die Straßenverhältnisse, das Wetter, den Sonnenstand. Dazu nutzen wir auch Drohnen-Aufnahmen, die uns einen guten Überblick geben. Wir haben die Zeit und das nötige Gerät, um da sehr genau zu arbeiten. Letztlich treffen zwar nicht wir die Aussage über die Schuldfrage, aber wir liefern die objektiven Daten für den Ermittler, Hinweise auf mögliche Unfallursachen und rechtssichere Details für die juristische Beurteilung durch Sachverständige.

Lesen Sie auch Handys aus?

Nein, die stellen wir nur sicher. Ob es kurz vor dem Unfall noch Anrufe oder Nachrichten gab, das checken die Ermittler.

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Wenn ein Unfallverursacher zum Beispiel bei Alleinunfällen verstirbt, dann könnte man ja denken, dass Ihre Arbeit nicht nötig ist. Es gibt ja niemanden mehr, der zur Verantwortung gezogen werden kann.

Wir halten trotzdem die objektiven Daten fest, gerade hier. Die subjektiven Mutmaßungen schießen sowieso ins Kraut, gerade bei Alleinunfällen. Hat der Fahrer noch aufs Handy geguckt? War er anderweitig abgelenkt, gab es einen internistischen Notfall, einen Werkstattfehler oder war es ein Suizid? Es gibt Menschen die das wissen wollen - vor allem die Angehörigen. Und es gibt Unternehmen, die das Wissen müssen - beispielsweise Versicherungen. Natürlich können wir die genannten Dinge nicht alle klären, aber wir ermitteln zum Beispiel über das Airbag-Steuergerät den Stand von Bremspedal und Lenkung vor dem Unfall und die Geschwindigkeit.

Das VU-Team des HSK vermisst das Unfallgeschehen ganz genau.
Das VU-Team des HSK vermisst das Unfallgeschehen ganz genau. © WP | Polizei HSK

Ihre Arbeit ist schon sehr aufwendig. Oftmals ärgern sich sicher Autofahrer darüber, dass Sie so lange brauchen. Es dauert, bis Sie vor Ort sind und dann sind Straßen schon mal über Stunden gesperrt.

Das mag sein. Aber jeder, der sich über die Sperrung beschwert, würde sich eine solch genaue Aufnahme aller Spuren für sich und seinen Fall wünschen. Denken Sie an Unfallopfer, die auf Versicherungsleistungen angewiesen sind, weil sie im Koma liegen oder dauerhaft auf Unterstützung angewiesen sind oder an Kinder, die als Hinterbliebene finanziell versorgt werden müssen. Wenn man dabei helfen kann, dass diese Menschen zu ihrem Recht kommen, finde ich es wichtig, sich Zeit zu nehmen und alle objektiven Tatsachen zusammenzutragen. Und deshalb ist unsere Arbeit auch sehr befriedigend.

Und müssen Bürger für Ihre Dienste extra zahlen?

Nein. Das ist im Dienst der Polizei enthalten. Dem Land war es wichtig, dass überall die gleichen hohen Standards herrschen. Und das garantieren wir mit unserem hochspezialisierten und intensiv ausgebildeten Team und technischen Geräten, die auf dem allerneuesten Stand sind.

Hintergrund

Im VU-Team des HSK arbeitet Robert Kaiser mit neun weiteren Kollegen, darunter sechs Polizeibeamte und drei Kfz-Meister. Eine Polizistin und ein Polizist sind auch zu Drohnenpiloten ausgebildet.

Offiziell haben die Spezialisten ihre Arbeit am 1. Januar aufgenommen. Seit September 2022 hatten Schulungsmaßnahmen stattgefunden. Zuvor deckten vor allem Kollegen aus Dortmund das Unfallgeschehen im HSK mit ab.

Der Sitz des Hochsauerländer VU-Teams ist in Hüsten. Dort lagert auch die Spezialausrüstung.

VU-Teams arbeiten landesweit, wenn eins im Einsatz ist, übernimmt das nächstgelegene. Insgesamt gibt es bisher 14 Teams, Anfang 2024 sollen es 17 sein.