Meschede. Unterwegs in Meschede: Es ist dunkel und einsam. Wo fühlen Frauen sich unwohl? Und: Sind es Angsträume? Müsste die Politik handeln?

Montagabend gegen 22 Uhr. Die Straßen der Stadt Meschede liegen im Dunkeln, ein paar Fußgänger sind noch unterwegs, hier und da. Einige Laternen werfen Lichtkegel auf die Bürgersteige. Die Stadt scheint zu schlafen. Ein Angstraum? Eine Thematik, die derzeit wieder polarisiert – auch hier im Sauerland.

Ja, es ist beleuchtet. Nein, andere Menschen sind fast nicht zu sehen.
Ja, es ist beleuchtet. Nein, andere Menschen sind fast nicht zu sehen. © Livia Krimpelbein

Definiert sind Angsträume als Orte, die aufgrund ihrer Architektur, Beleuchtung und Sicherheit von Menschen als angsteinflößend wahrgenommen werden. Häufig sind es Frauen oder ältere Leute, die sich an diesen Orten nicht wohlfühlen, erst recht nicht, wenn sie allein unterwegs sind. Typisch sind Bahnhöfe, Unterführungen, schlecht ausgeleuchtete Ecken. Ab wann dann schließlich von einem Angstraum die Rede sein kann, und wann es sich um rein subjektives Empfinden handelt, ist teils schwierig abzugrenzen.

Das sagt die Polizei

Klar ist die Aussage der Polizei HSK: Bestimmte Gegenden ließen sich schwer vom Stigma Angstraum befreien, Zahlen würden dieses Empfinden aber nicht belegen – im Gegenteil sinke die Kriminalität in Meschede sogar. Auch die Stadt sieht erstmal keinen dringenden Handlungsbedarf. Konträr dazu hat die SPD einen Antrag auf einen Runden Tisch gestellt, der am Donnerstag im Stadtrat diskutiert wird. Die SPD fordert gemeinsame Gespräche mit Polizei, Rettungsdienst, Seniorenbeirat, Frauenberatungsstelle und Politik zum Thema „Angsträume“.

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Vor der Sitzung haben wir uns in Meschede ein - subjektives - Bild von der Situation gemacht. Ein abendlicher Spaziergang im Dunkeln, gemeinsam mit Christa Schulte vom Seniorenbeirat und Farzaneh Daryani von der SPD geht es am Ruhrplatz los Richtung Unterführung zur Warsteiner Straße. „Durch das Graffiti ist dieser Weg etwas besser geworden“, sagt Christa Schulte, „vor einiger Zeit sind hier aber mal ältere Menschen beraubt worden.“ Während der Weg hier unter den Bahnschienen noch gut ausgeleuchtet ist, ist es auf der anderen Seite des Bahnhofs, an der Lagerstraße, ziemlich dunkel. Keine Menschenseele ist hier unterwegs. Das ein oder andere Auto fährt vorbei, ansonsten ist die Straße wie verlassen.

Die Unterführung zwischen den Bahngleisen: Sie wird von Frauen vor allem abends gemieden.
Die Unterführung zwischen den Bahngleisen: Sie wird von Frauen vor allem abends gemieden. © Livia Krimpelbein

Es geht weiter Richtung Antoniusbrücke, der Platz unter ihr ist gut ausgeleuchtet. Nur wenige Meter weiter liegt die zweite Unterführung, wieder zurück auf die andere Seite des Bahnhofs. Durch Wind und Wetter ist der Eingang heruntergekommen, Müll sammelt sich an den Seiten des Weges. Immer wieder sind Schmierereien in der Bahnhofsunterführung ein Thema, dabei ist sie vor gar nicht allzu langer Zeit erst renoviert worden und bestens mit Beleuchtung ausgestattet.

Nur wir sind unterwegs: Vor der Unterführung vom Ruhrplatz zur Warsteiner Straße in Meschede.
Nur wir sind unterwegs: Vor der Unterführung vom Ruhrplatz zur Warsteiner Straße in Meschede. © Livia Krimpelbein

Anders sieht es aus, wenn man die Treppe hoch zum Bahnsteig geht. Hier prägt Graffiti – und nicht die schöne Art – den ersten Eindruck. An den Gleisen herrscht gähnende Leere. „Hier alleine auf einen Zug zu warten, das fände ich auch ganz schlimm“, sagt Farzaneh Daryani. Laut ihr und Christa Schulte vermeiden es viele Mescheder und Meschederinnen, über einen der zwei Wege auf die andere Seite des Bahnhofs zu gelangen. Auf dem Platz vor den Gleisen, direkt am Busbahnhof, ist noch ein wenig los.

„Hier wird es kritisch“

Eine Familie fährt gerade mit dem Auto weg, drei junge Männer, eine fremde Sprache sprechend, schlendern am Fast-Food-Riesen McDonalds vorbei. „Hier wird es jetzt richtig kritisch“, sagt Daryani, und zeigt auf den dunklen Bürgersteig entlang der Le-Puy-Straße direkt am früheren Aldi. „Da würde ich niemanden allein hergehen lassen.“ Vom Parkplatz am alten Supermarkt unter der Brücke sind Rufe zu hören. Hier ist noch Leben, im hellen Licht halten einige Pkw, teils mit weit geöffneten Türen. Genauso schnell sind sie wieder weg. „Da frage ich mich auch, was die wohl hier machen“, sagt Schulte, „in der ganzen Stadt sind die Parkplätze frei, warum treffen sie sich hier?“

Bis zur Höhe des Frei- und Hallenbads folgen wir der Straße. Niemand ist zu sehen, weit und breit, orange-gelblich fällt Licht auf den Gehweg. Es ist ruhig. Zu ruhig? Manche dürften sich wohler fühlen, wenn sie allein sind, und niemand in der Nähe oder Ferne bedrohlich erscheint. Anderen macht gerade das Angst. „Wer hier wohnt, kommt ohne Auto nicht nach Hause“, sagt Daryani zum Beispiel. Vor allem früher hätten sich hier häufig Drogendealer nahe am Freibad aufgehalten. „Und wir haben die gesamte Zeit über nun keine Polizeistreife gesehen“, sagen die beiden Frauen.

Direkt unter den Gleisen: Sauber ist es dort auch nicht immer...
Direkt unter den Gleisen: Sauber ist es dort auch nicht immer... © Livia Krimpelbein

Ob am Henneufer, direkt am Ruhrplatz am Rathaus oder in der Fußgängerzone: Meschede ist verlassen. Die Geschäfte sind bereits zu, das ist normal, sagen die beiden. Und es sei gerade diese Leere, die bei ihnen und vielen ihrer Bekannten Unsicherheit bis Furcht auslöse. „Die, die hier im Seniorenheim sind, verlassen das Gebäude nicht mehr, sobald es dunkel wird“, so Christa Schulte. Sie und Farzaneh Daryani sind sich einig: Es müsse etwas getan werden, das Thema „Angsträume“ in Meschede brauche mehr Aufmerksamkeit – und vor allem einen Diskurs.

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