Meschede. Integration ist keine Einbahnstraße, sagt der Mescheder Thaksan Sothinathan. Der 30-Jährige bezeichnet sich selbst als tamilischen Sauerländer.

Thaksan Sothinathan ist 30 und war jetzt schon zum zweiten Mal beim Bundespräsidenten eingeladen. Ein Gespräch über Hautfarbe, Alltagsrassismus und Bildungschancen mit dem gebürtigen Mescheder, leidenschaftlichen Sauerländer und studierten Wirtschaftsingenieur.

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Ein Bild aus dem Jahr 2015: Thaksan Sothinathan für die Aktion Auch ich bin Deutschland von der Deutschlandstiftung Integration gegen Alltagsrassismus.
Ein Bild aus dem Jahr 2015: Thaksan Sothinathan für die Aktion Auch ich bin Deutschland von der Deutschlandstiftung Integration gegen Alltagsrassismus. © Privat

Ihr Vater zog als Flüchtling 1979 nach Meschede, ihre Mutter kam 1991 nach. Sie selbst promovieren gerade an der TH Aachen und sind dafür bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company freigestellt. Ihre Schwester studiert Medizin. Welche Rolle spielte bei Ihnen zu Hause Bildung?

Eine sehr große. Auch wenn meine Eltern beide nicht studiert haben, lag ihnen das Thema immer sehr am Herzen. Darüber hinaus hatten wir mit Ute und Gerd Sommer Ersatz-Großeltern, die uns dabei in vielen Dingen unterstützt haben. Sie waren es, die meinen Eltern zum Beispiel Musikschule und Vereinswesen nahegebracht haben. Wir waren beide ab drei Jahren im Spatzengarten. Meine Mutter hat in der Elterninitiative - wie andere Mütter auch - die Betreuung übernommen und bei den Treffen, so sagt sie, viel darüber gelernt, wie andere Familien hier leben. Aber auch die Bennis haben einen großen Anteil an meinem Werdegang. Nicht zuletzt hatte mich mein Schulleiter Heinz Plugge nach dem Abi für ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes empfohlen, was mir finanzielle Unabhängigkeit und viele wertvolle Kontakte verschafft hat.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Thaksan Sothinathan und weiteren jungen Erwachsenen der „Deutschlandstiftung
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Thaksan Sothinathan und weiteren jungen Erwachsenen der „Deutschlandstiftung", im Schloss Bellevue. © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung | Johannssen-Koppitz, Liesa

Und wann haben Sie das erste Mal erfahren, dass Menschen auf Sie anders blicken?

Schon relativ früh - eigentlich sofort ab Tag eins. Ich denke, das ist normal, wenn man in Deutschland bzw. im Sauerland aufwächst. Das reichte von Witzen auf dem Schulhof bis dazu, dass der Platz im Bus neben mir leer blieb. Und bis heute werde ich von Türstehern nicht in Diskotheken gelassen. Umso besonderer war für mich mein Auslandsaufenthalt in Indien. Da konnte ich das erste Mal in der Masse untertauchen.

Was sind Sie heute vor allem? Tamile, Sauerländer, Hindu, Europäer oder Weltbürger?

Spontan würde ich sagen, ich bin ein tamilischer Sauerländer. Ich habe immer zugesehen, dass ich nicht zu weit von zu Hause wegmusste und war auch im Studium gefühlt jedes Wochenende zu Hause. Auch die Uni Aachen oder das McKinsey-Büro in Düsseldorf habe ich mir ausgesucht, weil von da das Sauerland noch erreichbar war. Aber natürlich finde ich mich heute, schon durch mein Studium, die Auslandsaufenthalte in Thailand, Indien und Cambridge und die vielen beruflichen Reisen überall zurecht. Ich sehe es als großen Vorteil, dass ich in zwei Kulturkreisen aufgewachsen bin.

Sie sagen auch, dass es eher unüblich ist, dass man in Ihrem Kulturkreis das Elternhaus verlässt?

Ja, das ist so. Meine tamilischen Freunde aus dem Sauerland sind zum Großteil schon verheiratet und haben ihre eigenen Familien hier.

Bei der Veranstaltung mit der Deutschen Nationalstiftung unter dem Motto:
Bei der Veranstaltung mit der Deutschen Nationalstiftung unter dem Motto: "Alles stärken, was uns verbindet. Deutschland im Epochenbruch", im Schloss Bellevue wurde Thaksan Sothinathan in die erste Reihe platziert mit Friedrich Merz und direkt neben die Bundespräsidenten a.D. Joachim Gauck und Christian Wulff. Er weiß, das war kein Zufall, freute sich aber trotzdem. © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung | Johannssen-Koppitz, Liesa

Sicher werden Sie oft gefragt, wo Sie herkommen. Wie reagieren Sie dann?

Ich sage immer erstmal: aus dem Sauerland. Und wenn ich dann merke, der Mensch, der mir gegenübersteht, zeigt echtes Interesse, erkläre ich auch gern die Zuwanderungsgeschichte meiner Eltern und ihre Flucht vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka. Doch oft geht es gar nicht um mich, sondern nur darum, mich in eine Schublade zu stecken. Auch auf den Satz: „Sie sprechen aber gut Deutsch“, kann ich deshalb schon mal allergisch reagieren. Aber ich entscheide jedes Mal neu, nach der Devise „Choose your Battles“ - welche Diskussionen ich führen will. Am Ende geht es immer um die Intention des Fragenden – tatsächliches Interesse freut mich natürlich sehr und unterstütze ich gern!

Bei seinem ersten Besuch im Schloss Bellevue überreichte er die Respekt-CD der Grundschule Berge.
Bei seinem ersten Besuch im Schloss Bellevue überreichte er die Respekt-CD der Grundschule Berge. © WP | Thaksan Sothinathan.

Zweimal waren Sie jetzt schon beim Bundespräsidenten eingeladen. Da sollten Sie nicht in der Masse untertauchen?

(lacht) Nein, da mache ich mir auch nichts vor. Da wurde ich zuletzt bei seiner Rede zur Lage der Nation neben die Ex-Präsidenten Joachim Gauck und Christian Wulff bewusst in die erste Reihe gesetzt, um Deutschlands Vielfalt zu zeigen. Anlass für die Einladung war aber mein ehrenamtliches Engagement für die Deutschlandstiftung Integration und die Studienstiftung des Deutschen Volkes. Und der Bundespräsident hat sich jedes Mal auch Zeit genommen, mit mir und anderen jungen Leuten zu reden. Beim ersten Mal habe ich ihm noch die Respekt-CD der Grundschule Berge, an der meine Mutter in der Betreuung arbeitet, überreicht.

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Was wünschen Sie sich in der Migrations- und Ausländer-Debatte?

Integration ist keine Einbahnstraße. Beide Seiten müssen sich bemühen. Aber ich wünsche mir mehr Selbstverständlichkeit und mehr positive Sicht auf die Vielfalt. Wir sind in Deutschland eine diverse Gesellschaft und dabei geht es mir nicht nur um Ethnien, sondern auch z.B. um Religion, Alter, Bildungsstand oder sexuelle Orientierung. Letztlich bereichert uns das - auch wirtschaftlich. Worte und Begriffe und Handlungen, die andere beleidigen oder verletzten, würde ich immer versuchen zu vermeiden. Und es muss selbstverständlich auch erlaubt sein, das, was früher vielleicht normal oder Tradition war, unter aktuellen Erkenntnissen und Gegebenheiten kritisch zu hinterfragen und es im Zweifel zu lassen.