Schmallenberg. Die Roll-Tec GmbH in Schmallenberg war nach einer Insolenz zunächst eine Zukunftsvision. Heute ist sie ein erfolgreiches Unternehmen.

2011 schien die Firma Roll-Tec am Ende. Was die Brüder Franz-Josef und Stefan Tröster in 20 Jahren aufgebaut hatten, war ein Fall für den Insolvenzverwalter. Doch dann entstand auf dem Oberkirchener Schützenfest eine Zukunftsvision zwischen drei Schwagern und Freunden, die bis heute Bestand hat. Das Schmallenberger Beispiel zeigt, warum eine Insolvenz auch eine Chance sein kann.

Gründung der Tröster-Brüder 1991

Ein Anruf kam Weihnachten 1991: „Hast du nicht Lust, dich mit mir zusammen selbstständig zu machen?“, fragte damals Industriekaufmann Stefan Tröster seinen Bruder Franz-Josef. Beide hatten feste Arbeitsverträge, der Schreiner Franz-Josef Tröster bei Burgbad in Bad Fredeburg. „Wir waren beide um die 30, standen am Anfang der Familiengründung, Erfahrungen als Selbständige hatten weder wir noch unsere Eltern gemacht“, erinnert er sich – trotzdem ging er das Wagnis ein.

Spezialisten im Rollladenbau gefragt

Große Fensterbauer brauchten damals vermehrt Spezialisten für den Rollladenbau, die Trösters wollten quasi die verlängerte Werkbank der Fenster-Industrie werden. Stefan Tröster hatte die Kontakte, sein Bruder das handwerkliche Know-how. Anfang 1992 startete die Produktion in einer Scheune in Obringhausen, 1994 wurde im Schmallenberger Industriegebiet gebaut und schon 1998 erweitert. Im Jahr 2002 wurde eine Halle zur Produktionserweiterung angemietet. 2011 hatte das Unternehmen rund 100 Mitarbeiter und machte elf Millionen Euro Umsatz im Jahr.

Die Insolvenz 2011

Doch dann ging ein Großkunde pleite, die finanziellen Mittel fehlten und 2011 musste die Roll-tec Systembauelemente GmbH selbst in die Insolvenz gehen. Ein harter Schlag für die beiden Brüder. Doch Diplom-Kaufmann Georg Voss und Elektrotechnik-Meister Markus Bette, Freunde von „Franjo“ Tröster, waren überzeugt vom Konzept des Unternehmens. „Schon vor der Insolvenz auf dem Schützenfest in Oberkirchen haben wir erstmals darüber gesprochen, ob wir einsteigen wollen – aber nur gemeinsam“, erinnert sich Georg Voss. Ihr erster Weg zum Neustart führte sie zum Insolvenzverwalter nach Dortmund. „Wir hatten direkt eine vertrauensvolle Basis, sonst hätte das nicht geklappt.“ Weiter ging es zu Banken und natürlich zu den Mitarbeitern.

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Die Neugründung der Roll-Tec GmbH

Die Roll-Tec GmbH war eine Neugründung, doch sie übernahm Marke, Kunden, Immobilien - „dafür haben wir an die Gläubiger gezahlt - und zum Teil „Altlasten“ des Unternehmens übernommen. Die Insolvenz war ein wenig zu spät eingeleitet worden“, analysiert Markus Bette im Rückblick. Drei Monate, bis Ende des Jahres, gab es für die Mitarbeiter noch Insolvenzgeld. „Doch dann begann das neue Jahr, und wir hatten keine Aufträge. Wir waren schon totgesagt.“

Der Betrieb startete mit 40 Mitarbeitern und erreichte im ersten Jahr einen Umsatz von drei Millionen Euro, 70 Prozent weniger als vor der Insolvenz. „Es war harte Arbeit, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen“, berichtet Bette. Verständlich sei das schon gewesen, „denn einige haben auch Geld verloren.“ Mancher hatte klipp und klar erklärt, dass er auf eine Zusammenarbeit verzichten wolle.

40 Mitarbeiter gehalten

Doch die Mitarbeiter zogen mit. „40, das waren eigentlich zu viele“, sagt Voss. „Aber wir wollten an ihnen festhalten, weil wir überzeugt waren, dass wir sie schon in Kürze brauchen würden.“ Bis Frühjahr 2013 machte Roll-tec Kurzarbeit. Irgendwann rief ein wichtiger, ehemaliger Großkunde an, aus der Not heraus, weil er einen kurzfristigen Engpass hatte. Bette „Unser Betriebsleiter hat nur gefragt: Wann willst du die Rollläden abholen? Morgen?’“

Heute – 10 Jahre nach dem Restart - erreicht das Unternehmen wieder den gleichen Umsatz wie vor der Insolvenz, es hat rund 60 Mitarbeiter und einen Auszubildenden im kaufmännischen Bereich. In Zukunft sollen weitere - auch Rollläden-Mechatroniker - eingestellt werden. Gesellschafter sind Georg Voss, Franz-Josef Tröster und Markus Bette. Nur Tröster hat gleichzeitig eine Vollzeitstelle im Betrieb. Zum weiteren Führungsteam gehören Karl-Josef Jürgens als Prokurist, Thomas Rauterkus als Betriebsleiter und Dietmar Hess als Vertriebsleiter.

Pleite hat zu Unrecht eine schlechten Ruf

Voss bricht eine Lanze für das System der Insolvenz: „In Deutschland hat sie als ,Pleite’ einen schlechten Ruf.“ Zu Unrecht, wie er findet. „Es ist eine Chance.“ Man müsse allerdings transparent damit umgehen und schauen, ist der Markt in Ordnung? Ist das Produkt in Ordnung? „Hier war uns klar: Das ist ein junger Markt mit guten Produkten.“ Bette nennt eine weitere Voraussetzung: „Es muss auch menschlich passen.“ In den ganzen zehn Jahren habe es unter den drei Gesellschaftern keinen Konflikt geben. „Wir haben manchmal unterschiedliche Meinungen“, bekräftigt Voss, „aber wenn wir auseinandergehen, haben wir uns immer geeinigt.“

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Hintergrund

Die Roll-Tec gehört wie Kemper in Schmallenberg, AZS in Saalhausen und Liesmann-Bette in Bad Fredeburg zur IGS, zur Industriegruppe Südwestfalen. Die Industriebetriebe aus unterschiedlichen Fertigungsbereichen nennen sich „Vier starke Partner im Verbund“.

Sie treten auch gemeinsam nach außen auf, wenn es um die Arbeit in Verbänden geht oder bei der Gewinnung von Mitarbeitern und Auszubildenden.