Ostwig. Die Zahl der Bäckereischließungen im HSK nimmt kein Ende. Bäcker Jörg Liese aus Ostwig sorgt sich um die Zukunft der gesamten Branche.

Die Zahl der Bäckereien im Hochsauerland sinkt stetig. Entsprechend sorgt sich Ostwigs Bäckermeister Jörg Liese um die Zukunft seiner Zunft. „Denn das Ende des Bäckereisterbens ist längst noch nicht erreicht“, prophezeit Liese und nennt konkrete Zahlen. Im Jahr 2000 habe es noch 127 Betriebe gegeben, die in der Bäckerinnung des HSK organisiert gewesen seien. „Heute sind es nur noch 41 und 5 weitere haben ihre Schließung bereits angekündigt“, weiß der Ostwiger.

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Jörg Liese ist Bäckermeister in Ostwig.
Jörg Liese ist Bäckermeister in Ostwig. © WP Meschede | Frank Selter

Hinzu kämen zwar etwa 10 bis 20 Prozent an Bäckereien, die nicht Mitglied in der Innung seien. „Doch auch dort sinken die Zahlen, weil die Kolleginnen und Kollegen ja mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben.“ Und die sind vielfältig. „Wir haben im Moment ja nicht nur mit einer Krise zu kämpfen, sondern mit dreien“, sagt Liese. Da sei zum einen die Rohstoffkrise, in der die Waren aktuell entweder völlig überteuert oder gar nicht zu bekommen seien.

Bäckereien trifft es besonders hart

Da sei die Personalkrise. Sie mache sich zum einen im Bäckerhandwerk selbst, aber auch in anderen Bereichen bemerkbar. „Wenn du heute Marzipan bestellst, kann es sein, dass du wochenlang darauf wartest, weil es mangels Personal nicht geliefert werden kann“, sagt Liese. Und da sei eben auch die Energiekrise, die die Bäckereien besonders hart treffe, weil sich in der Produktion kaum etwas an Energie einsparen lasse. „Um 1 Kilogramm Mehl zu einem Brot zu backen, braucht ein Bäcker 3,4 Kilowatt Energie“ , sagt Liese. Dabei sei es völlig egal, ob diese Energie aus Gas, Strom oder Pellets produziert werde.

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200.000 Euro hat Liese in den vergangenen acht Jahren für insgesamt sechs Photovoltaikanlagen ausgeben - auf dem Carport, dem Privathaus, der Backstube, dem Altbau und dem neuen Lager, das gerade auf seinem Gelände entsteht. „Dafür hat es keinen einzigen Cent Förderung gegeben“, sagt Liese. Gerade einmal ein Drittel seines für die Bäckerei benötigten Stroms kann Liese mit den Anlagen decken. Die restlichen zwei Drittel kauft er zu. „Der Auslöser für die Anschaffung der Anlagen war damals übrigens Greta Thunberg“, sagt Liese. An die Energiekrise habe damals nämlich noch niemand gedacht.

„Bekloppter geht es wirklich nicht mehr“

Als „völlig irre“ bezeichnet er im Zusammenhang mit der Krise den jüngsten Vorschlag der Politik für seine Branche. Wie berichtet, will die Ampel Bäckereien mit 100 Millionen Euro fördern, wenn sie statt fossiler Brennstoffe Strom für Öfen verwenden. „Bekloppter geht es wirklich nicht mehr“, findet Liese deutliche Worte und verweist auf eine Rechnung, die er auf einem Stück Papier aufgemacht hat, um den „Irrsinn“ zu verdeutlichen. Ein Drittel der Bäckereien betreibe seine Öfen bereits mit Strom, blieben also zwei Drittel übrig, die für eine Umstellung in Frage kämen. „Zwei Drittel sind ganz konkret 7000 Bäckereien in Deutschland“, sagt Liese. Damit blieben bei 100 Millionen Euro gerade mal rund 14.000 Euro an Subventionen für einen Ofen, dessen Anschaffung 120.000 Euro kostet.

„Wer soll sich das denn in der heutigen Zeit bitte leisten“, fragt Liese rhetorisch und verweist auf ein weiteres Problem: „Wenn alle Bäckereien ihre Öfen auf Strom umgestellt haben und alle gleichzeitig nachts auf den Knopf drücken, brauchen wir über einen Blackout nicht mehr zu sprechen, dann haben wir ihn!“

Zumal der Betrieb eines Elektro-Ofens nicht billiger, sondern teurer sei. „Laut Aussage des Ofenbauers benötigt ein Elektro-Ofen 25 Prozent mehr Energie. Elektro ist nicht pauschal ökologischer und wirtschaftlich eher teurer“, so Liese. Darüber hinaus seien bei den Zulieferbetrieben gar keine 7000 Öfen am Lager. „Die müssen erst neu hergestellt werden, und sollen dann vorhandene Systeme ersetzen, die noch 20 Jahre laufen könnten. Wichtiger und sinnvoller sei es aus seiner Sicht vielmehr, Photovoltaik- Anlagen und Wärmerückgewinnung deutlich zu bezuschussen

Unsicherheit bei Gas- und Strompreisen

Derweil treibt ihn - ebenso wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen - die Unsicherheit um, was die künftigen Kosten für Strom und Gas angeht. „Strompreisbremse und Gaspreisdeckel hin oder her“, sagt Liese. Sicher sei hier doch noch gar nichts, weil niemand wisse, was am Ende unterm Strich tatsächlich zu zahlen sei.

Gestiegene Strompreise, gestiegene Gaspreise, gestiegene Rohstoffpreise und gestiegene Personalkosten. All das stelle vor allem die kleinen Handwerksbetriebe vor große Probleme, sagt Liese. Dazu zählt auch er sich mit insgesamt 35 Beschäftigen. Die Großbetriebe seien doch ganz anders aufgestellt, um so etwas stemmen zu können, sagt Jörg Liese. Hier habe letztlich in der Vergangenheit auch der Verband geschlafen, von dem Liese sich gewünscht hätte, die kleineren Betriebe stärker in den Fokus zu rücken. Und im Prinzip habe die gesamte Bäckerbranche verpasst, ihre Preise anzupassen - was letztlich vor allem am Preisdruck liege, den die Industrie mache.

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Er könne sich noch gut an die Zeiten erinnern, in denen ein Brötchen das gleiche gekostet habe wie eine Kugel Eis. „Und heute? Da kostet eine Kugel Eis 1,20 Euro und ein Brötchen bekommst du immer noch für 45 Cent. Da läuft doch irgendwas falsch“, sagt der Ostwiger Bäckermeister. Ärgern kann er sich auch darüber, dass Discounter wie Aldi und Lidl ihre Aufbackbrötchen hochrichterlich entschieden als „frische Brötchen“ bewerben dürfen. „Frisch ist da gar nichts“, sagt Liese.

„Ich sehe schwarz für die Branche“

Er wünsche sich für seine Branche mehr Rückendeckung - vor allem auch seitens der Politik. „Es müssen vernünftige Konzepte und Förderprogramme her. Stattdessen wird der Gasverbrauch gefördert“, mahnt Liese und kritisiert eine momentan nicht kalkulierbare Politik, bei der er die Zuverlässigkeit vermisse. Wenn sich hier nicht grundlegend etwas ändere, sehe er schwarz für seine Branche.