Meschede. Markus Beckmann ist Alkoholiker. Mit Udo Steinke leitet er die Kreuzbund-Gruppe Meschede und erzählt für unsere Tabu-Serie seine Geschichte.
Der 50. Geburtstag? Das Arbeitsjubiläum? Vogelschießen oder Feuerwehrfest? „Es gibt keinen Grund Alkohol zu trinken“, sagt Markus Beckmann heute. Das war mal anders. Der 53-Jährige ist trockener Alkoholiker. „Als ich das 2014 nach meiner Entgiftung meinem Chef bei Tital gesagt habe, ist ein enormer Druck von mir abgefallen.“ Reden über das Thema Alkohol und Sucht ist schwierig, gerade im Sauerland. Der Mescheder Markus Beckmann macht es trotzdem.
Zur Meisterstunde Schnaps und Bier
Seine Eltern haben 1979 gebaut. Der Junge wurde quasi auf der Baustelle groß, sein Vater malochte als Handwerker auch noch nach Feierabend. Die „Meisterstunde“, Schnaps oder Bier schon am Vormittag, gehört zu seinen frühesten Erinnerungen. Nicht dass er da schon selbst Alkohol bekam, aber später in der Jugend trank er mit, auch auf den Freizeiten der KJG und in der Lehre als Maler und Lackierer. „Und dann war ich jedes Wochenende unterwegs, und es wäre uncool gewesen zu sagen, ich trinke nicht.“
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2004 beginnen die Probleme
Problematisch wurde es aber erst, als seine erste Frau 2004 an einem Hirntumor erkrankte. „Ich war mit zwei kleinen Kindern, der Arbeit und einer kranken Frau hoffnungslos überfordert.“ Zwei Jahre später ließ sie sich scheiden. Als es ihr schlechter ging, kümmerte er sich trotzdem weiter um sie, bis sie 2020 starb. Während der Alkohol für Markus Beckmann mehr und mehr zum vermeintlichen Problemlöser wurde, wurde der Wehrstapler - nach einem Selbstmordversuch - auf Depressionen behandelt. „Ich habe nicht während der Arbeit getrunken, aber jeden Abend und am Wochenende. 2014 kam dann der zweite Zusammenbruch: „Als ich morgens nicht mehr aus dem Bett zur Arbeit kam, habe ich mir geschworen: ,Jetzt ist Schluss!’“
Entgiftung in Warstein
Er wies sich selbst zur Entgiftung nach Warstein ein, erlebte den körperlichen Entzug mit Zittern, feuchten Händen, Schwitzen und Nervosität. Aber in der Klinik fühlte er sich sicher. „Dort wurde mir geholfen.“ Wieder zu Hause schloss er eine ambulante Therapie bei der Caritas-Suchtberatung an und trinkt seitdem keinen Alkohol mehr. Feuerwehr, Schützenfeste, Stadtfeste - Markus Beckmann zog sich komplett aus dem Leben zurück. Denn überall wird getrunken, gibt es Alkohol. „Bei Familienfeiern bin ich gegangen, wenn ich es nicht mehr aushalten konnte.“
Bei den Kindern entschuldigt
Der Familienvater suchte sich ein Hobby, das Rennrad-Fahren, und arbeitete mit einem Psychologen vieles aus seiner Geschichte auf. „Ich musste lernen, dass Arbeit nicht alles ist.“ Und er entschuldigte sich bei seinen Kindern. „Heute bin ich sehr stolz auf sie, und sie sind stolz auf mich.“ Er erinnert sich, wie er mit seiner Tochter abends im Kino in Arnsberg saß und plötzlich lachen musste. Als das Mädchen fragte, was ihn so fröhlich mache, sagt er: „Es ist Samstagabend und ich kann Autofahren.“
Hilfe beim Kreuzbund
2019 ging er zum Kreuzbund, einer Selbsthilfegruppe für Suchterkrankte und ihrer Angehörigen. Hier wird nicht geschwiegen, hier ist die Sucht das Thema. Manchmal ehrlich und schonungslos, doch immer respektvoll. Markus Beckmann entschied sich für diesen Weg erst, nachdem er eine Suchtverlagerung entwickelt hatte. „Zucker“, sagt er. Er habe begonnen jede Menge Süßigkeiten zu essen und dann erkannt: „Stopp! Hier stimmt was nicht. Da habe ich noch mal eine ambulante Therapie bei der Caritas angehängt.“
Seit anderthalb Jahren fährt er jetzt Bürgerbus, hat Fortbildungen beim Kreuzbund besucht und wird im Frühjahr die Leitung der Gruppe übernehmen. Das freut seinen Vorgänger, Udo Steinke, der stolz darauf ist, dass die Gruppe, entgegen dem Trend, weiterwächst. 28 Mitglieder stehen auf dem Papier. Die beiden Männer kennen ihre Geschichten, oftmals handeln sie von mehreren Süchten, aber Alkohol ist die wichtigste legale Einstiegsdroge. Noch. Mit Sorge blicken sie auch auf die Cannabis-Freigabe.
Kritik an Bier auf Jugend-Turnieren
„Ich frage mich auch, was hat ein Bierwagen auf einem Jugendfußball-Turnier verloren“, kritisiert beispielsweise Udo Steinke. „Die Kinder sehen ihre Eltern mit der Flasche in der Hand. Sie lernen, das macht gelöst und lustig.“ Markus Beckmann wünschte sich, dass jedes Jahr vor der Schützenfest-Saison an die Gefahren des Alkohols erinnert wird - „und nicht jetzt im November“. Alle müssten respektieren, wenn jemand Alkohol ablehne und ihn nicht weiter bedrängen. „Alkohol ist nicht harmlos, sondern ein Nervengift - er macht krank und kann töten.“ Auch das haben sie schon in der Gruppe erlebt.