Wehrstapel. Zwei Wochen ohne Handy. Geht das überhaupt? 28 Mescheder im Alter zwischen 9 und 17 haben das überlebt - so ging es ihnen dabei.

An manchen scheint das Handy geradezu festgetackert. Was passiert, wenn sich 28 Jungen und Mädchen im Alter zwischen 9 und 17 mehr oder weniger freiwillig entscheiden, zwei Wochen aufs Handy zu verzichten?

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Die KJG Wehrstapel hat diesen Feldversuch gerade wieder bei ihrem Sommer-Zeltlager unternommen und sieht keinen Grund, davon in Zukunft abzurücken. „Das Zeltlager ist älter als das Handy“, erzählt Leiterin Vera Siepe. Seit rund fünf Jahrzehnten fahren Kinder und Jugendliche aus dem Doppelort bei Meschede für zwei Wochen in den Ferien raus aus dem Sauerland, zum Zelten im Norden oder Süden der Republik. Kontakt nach Hause gibt es nur per Brief. Was klingt, wie aus der Zeit gefallen, funktioniert augenscheinlich gut.

Wie die Eltern informiert werden

Natürlich habe man das Thema irgendwann diskutiert, berichtet die 29-Jährige. „Vor allem, als die Teilnehmerzahlen zurückgingen, früher waren wir mal 70. Aber wir haben uns dann doch entschieden das Verbot beizubehalten.“ Eltern erhalten die Infos der Höhepunkte über Instagram und natürlich im Ernstfall direkt. „Wir haben den Müttern und Vätern gesagt, seid froh, wenn ihr nichts hört, dann läuft alles rund.“

Anfangs ging es um Walkman, Tamagotchi, I-Pod oder Nintendo

Anfangs ging es gar nicht ums Handy, da ging es um elektronische Spiel- und Musikgeräte, wie Walkman, Tamagotchi, I-Pod oder Nintendo. „Diese Geräte waren ja alle auch teuer und wir befürchteten, dass sie im Dreck landen oder verschwinden könnten.“ Außerdem war es der Leiterrunde, die auch nicht viel älter ist als die ältesten Teilnehmer, wichtig, dass man miteinander kommuniziert und als Gruppe zusammenwächst. Daneben gab es rein praktische Probleme: Wie sollte man all’ die Geräte aufladen? „Meist gibt es auf den Zeltplätzen nur eine Steckdose in den Duschhäusern. Da hätte man ja unmöglich alle Handys anschließen können. Und der Empfang ist meist unterirdisch, das reicht gerade für den Leiter-Laptop.“

Das Gruppenfoto der KJG Wehrstapel aus dem Zeltlager.
Das Gruppenfoto der KJG Wehrstapel aus dem Zeltlager. © Privat | Privat

Also blieb es dabei: Die Leiter dürfen Handys mitnehmen, die Teilnehmer müssen sie zu Hause lassen. „Gemeckert hat keiner“, erzählt Vera Siepe. „Es gab ja auch immer viel Programm.“

Zwei Wochen ohne Tiktok, Snapchat und Youtube

Auch Emilia Kehl (10), Seraphina Klaushofer (14), Erik Siewers (13) und Matis Kleist (12) haben die zwei Wochen ohne Tiktok, Whatsapp, Snapchat, Youtube und Instagram verbracht. Zu Hause verfügen alle über ein Handy. Am Anfang sei das schon hart gewesen, erzählt Seraphina. Gar nicht so sehr, weil sie den Kontakt zu den Freunden vermisste. „Ich hatte Heimweh und hätte gern mit meiner Mutter gesprochen.“ Sie glaubt, das hätte ihr geholfen. Das sieht Vera Siepe anders. „Heimweh wird meist noch schlimmer, wenn man erstmal angerufen hat.“

Bis zu 100 Nachrichten in der Klassengruppe

Zu Hause seien es schon allein aus der Klassengruppe manchmal bis zu 100 Nachrichten am Tag, die bei Whatsapp auflaufen, berichtet Emilia. Die Fünftklässlerin darf ihr Handy in der Schulzeit nur für eine begrenzte Zeit nutzen. Erik hätte gern ab und zu gewusst, „was so in der Welt los war“. Und daneben gibt es Wichtiges, was Jugendliche online am Handy erledigen müssen: Flammen sammeln bei Snapchat zum Beispiel. Die erhält man dafür, dass man eine Nachricht beantwortet hat. Und das kostet Zeit. „300 musste ich beantworten, nachdem ich wieder zu Hause war“, erzählt Seraphina.

Musik zur Entspannung

Meist vermissten die Jugendlichen das Handy aber nicht. „Im Bus auf der Hinfahrt und abends im Schlafsack hätte ich gern ein wenig Musik gehört“, sagt Matis. Doch schon bald war das vergessen. „Zu Hause schreibe ich eh nur mit meinen Freunden, wann wir uns wo verabreden“, erzählt Eric. „Das war jetzt nicht nötig. „Die waren ja alle mit im Zeltlager.“ Und Matis, der auf der Hinfahrt im Bus noch gern Musik gehört hätte, sang auf der Rückfahrt mit dem Rest der Gruppe die Lagerlieder lauthals mit.

Verzicht ist nachhaltig

Der Verzicht aufs Handy scheint sogar ein wenig nachhaltig zu sein. „Als ich zurückgekommen bin, war ich die ersten Tage fast gar nicht am Handy“, erzählt der zwölfjährige Matis. So sei der Urlaub mit der KJG für ihn bis heute eine Motivation, über die Handy-Nutzung nachzudenken. „Es ist wie ein Tritt in den Hintern: Los! Mach das Ding aus und geh’ raus!“ Und auch Seraphina ist zufrieden: „Zwei Wochen ohne Handy, das tut richtig gut.“