Meschede. Wie viele Bäcker hat auch Ernst Polle aus Meschede mit vielen Problemen zu kämpfen. Eins führt dazu, dass seine Brötchen jetzt rund sind.
Es sei wie eine Welle. Regelmäßig alle paar Monate stehe jemand im Laden und sage, er habe gehört, dass die Bäckerei Polle in Meschede schließt. Auch wenn Ernst und Brunhilde Polle das zurzeit noch von sich weisen, das Bäckerhandwerk allgemein macht ihnen schon Sorgen.
Arbeitsbeginn vier Stunden früher
Ganz aktuell ist es der große Ofen. Auf zehn Quadratmetern kann Ernst Polle dort normalerweise mit seinen zwei Gesellen Brot und Brötchen backen. Doch das Gerät ist kaputt. Ein Ersatzteil nicht zu beschaffen. „Wir gehen jetzt in die vierte Woche“, sagt der Konditormeister verärgert. Die vierte Woche, in der der 65-Jährige morgens statt um 4 Uhr bereits um 0 Uhr mit der Arbeit beginnt, um überhaupt alles schaffen zu können. Denn der Ersatzofen hat gerade mal zwei Quadratmeter. Er backt auch statt mit stehender Hitze mit Umluft, daher müssen die Brötchen anders geformt werden - rund statt länglich. „Wir haben da tatsächlich schon Ärger mit den Kunden bekommen“, wundert sich Ernst Polle, „die haben die bekannten Schnittbrötchen verlangt.“
>>>Lesen Sie auch: Bescheide vom Finanzamt: Wie hoch wird die Grundsteuer<<<
Gaspreise nicht zu kalkulieren
Die Bäckerei am Ruhrplatz heizt und backt mit Gas. Bis Ende des Jahres hat Ernst Polle noch einen festen Vertrag. Was danach kommt, weiß er nicht. „Ich glaube nicht, dass ich noch mal Jahresverträge abschließen kann, ich werde Gas zum Tagespreis kaufen müssen.“ Eine finanzielle Belastung, die er heute noch nicht kalkulieren kann und die er auch an die Kunden weitergeben muss. „Einmal haben wir schon erhöht, das haben die Kunden akzeptiert, weil sie wissen, dass wir gute Qualität liefern.“ Er fürchtet aber, dass das Verständnis schwindet. „Das kann man nicht unendlich ausweiten.“
Personalmangel im Bäckerhandwerk
Ernst Polle ist gelernter Konditormeister und darf aber auch Bäcker-Lehrlinge ausbilden, was er über Jahrzehnte auch immer gemacht hat. Seit rund zehn Jahren arbeitet er allein mit zwei Gesellen. „Es findet sich einfach niemand mehr, der den Beruf überhaupt noch lernen will“, bedauert er. Ein Beruf, der in den letzten Jahren, so beobachtet er, zumindest bei den Kunden an Wertschätzung wieder gewonnen hat. „Aber er scheint für die jungen Leute einfach zu wenig attraktiv zu sein.“
Während in den 90ern noch in drei Bäckerklassen am Mescheder Berufskolleg jeweils 20 Auszubildende saßen, sind 2022 gerade mal noch zwei Bäckergesellen und zwei -gesellinnen freigesprochen worden. An den Arbeitszeiten, so glaubt er, könne das nicht liegen. „Die angestellten Bäcker fangen um vier an und sind um 13 Uhr fertig.“ Auch ermöglichten es die Maschinen, dass heute kaum noch schwer körperlich gearbeitet werden müsse. „Aber der Beruf wird einfach für das, was man leisten muss, zu schlecht bezahlt.“ Etwa die Hälfte seiner Lehrlinge sei heute ganz raus aus dem Beruf.
Modelle gegen den Personalmangel
Auch Ernst Polle weiß, dass die Bäcker mit den unterschiedlichsten Modellen versuchen, gegen den Personalmangel anzugehen. Die Vier-Tage-Woche ist ein Konzept der Mendener Bäckerei Hömberg. Andere öffnen erst mittags und lassen das Brötchen- und Frühstücksgeschäft links liegen oder backen - wie der Esloher Bäcker Schulte - nur noch auf Bestellung.
So etwas kann sich Polle für seinen Ruhestand auch vorstellen, „dass wir dann aus der Backstube heraus nur noch zwei-, dreimal die Woche, Brote und Kuchen verkaufen.“ Eigentlich haben Ernst und Brunhilde Polle das Rentenalter bereits erreicht. Mitte November wird er 66, seine Frau ist gerade 65 Jahre alt geworden. „Aber so zwei bis drei Jahre wollen wir schon weiter machen“, sagt er und dementiert damit das erneute Gerücht, die Bäckerei werde schon bald schließen.
Wie es bei den Bäckern weitergeht
„Vorausgesetzt, es passiert nichts“, schränkt er ein - und denkt dabei vor allem an weitere Personalengpässe, an den Ofen und die Energiekrise. Ja, und gesund müsse man natürlich auch bleiben. Dass er noch einen Nachfolger findet, diese Hoffnung hat er quasi aufgegeben. Die Mescheder Bäcker Kieserling, Schrage und Schröjahr hätten ohne Nachfolger geschlossen. „Hamich in Ramsbeck hat es noch geschafft und bei Bäcker Becker, Franzes in Berge und Kremer in Olpe machen es die Kinder.“ Aber die spielten mit ihren Filialen auch schon in einer anderen Liga. „Uns kleinen Bäcker bricht auch die Bürokratie irgendwann das Genick.“
Hintergrund
1954 gründeten Ernst und Elisabeth Polle die gleichnamige Bäckerei mit Backstube und Verkauf am Ruhrplatz.
1991 übernahmen Ernst und Brunhilde Polle das Geschäft.
Ab November soll bei Polle auch mit EC-Karte bezahlt werden können. Ein Service, der immer stärkere nachgefragt werde.