Meschede. Unternehmer wie Private müssen mit gewaltigen Kostensteigerungen leben. So blickt Veltins-Chef Michael Huber auf die Entwicklungen.
Die wirtschaftliche Entwicklung, Inflation und der Krieg in der Ukraine machen vielen Menschen Angst. Wie blickt ein Unternehmer auf diese Gefahren? Wie sieht er die wirtschaftliche Situation? Gefragt haben wir Michael Huber, den Generalbevollmächtigten von Veltins in Meschede-Grevenstein und Vorsitzender des Aufsichtsrates von Trilux in Arnsberg.
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Die ersten Gewerkschaften haben jetzt Lohnsteigerungen von 10 Prozent und mehr gefordert und werden das auch durchsetzen. Ist das mit Blick auf die Inflation in Ihren Augen sinnvoll?
Michael Huber: Wir können stolz darauf sein, dass in diesem Land Tarifautonomie herrscht. So ist gewährleistet, dass alle Verhandlungen zwischen Unternehmern und Arbeitnehmervertretern mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl geführt werden – ganz ohne politische Einflussnahme. Während Arbeitnehmer mit der Inflation im Privaten zu kämpfen haben, müssen die gewaltigen Kostensteigerungen auch in allen Bereichen von Beschaffung und Produktion bewältigt werden. Im Tarifvertrag wird sich am Ende ein Interessensausgleich widerspiegeln, in dem sich beide Seite wiederfinden.
Was halten Sie grundsätzlich für angemessen und warum? Und welchen Unterschied macht da die Branche – wie bei Veltins und Trilux?
Die Lohn-Preis-Spirale trifft Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen und branchenunabhängig. Hier muss mit gesundem Menschenverstand erst eine Annäherung und dann eine Lösung gefunden werden. Einseitige oder gar weltfremde Forderungen helfen da niemanden – es geht um einen Konsens, der von allen geschultert werden kann.
Was muss der Staat in Ihren Augen jetzt schnell für die Unternehmen tun? Was wäre speziell für Veltins wichtig?
Wir brauchen klare Rahmenbedingungen und sehen stattdessen eine Bundesregierung, die in vielen Dingen keine Lösung beibringen kann. Uns helfen keine beschwichtigenden Worte, wir brauchen das Bekenntnis der Bundesregierung zur Systemrelevanz der Brauwirtschaft! Es bleibt ein buchstäblich brennendes Thema: Für die deutsche Wirtschaft und die Haushalte ist eine verlässliche Gasversorgung unabdingbar. Die Zwangsbewirtschaftung der Bundesregierung mit einer despektierlichen Berücksichtigung der Brauwirtschaft wird beim Ausbleiben der Gaslieferungen – egal, ob ganz oder teilweise – zu erheblichen Marktverwerfungen führen, weil Nachlieferungen ausbleiben müssten. Ein Produktionsstopp würde automatisch Hamsterkäufe und leere Getränkeregale nach sich ziehen. Das kann keiner wollen!
Welche staatlichen Hilfen brauchen Ihrer Meinung nach Arbeitnehmer?
Es gibt in Berlin erste Signale, die hoffentlich auch das Portemonnaie der Arbeitnehmer erreichen. Der Staat muss die Haushalte entlasten! Der Finanzminister hat angekündigt, den Bürgern an einigen Stellen etwas Druck zu nehmen, wobei diese Hilfen den Inflationsdruck nicht gänzlich abdecken werden. Das werden am Ende weder Energiepreispauschale, Heizkostenzuschüsse, die rückwirkende Erhöhung des Grundfreibetrags oder die Senkung der Kraftstoffsteuer leisten.
Sind Arbeitgeber auch außerhalb der tariflichen Einigung gefragt, um die Inflation bei ihren Arbeitnehmern abzufedern? Und wie könnte das geschehen?
Wir wissen sehr genau, wo der Schuh drückt. Die Brauerei Veltins ist ihrer sozialen Verantwortung ihren Mitarbeitenden gegenüber immer gerecht geworden. Was hilft ein 9-Euro-Ticket bei uns im Sauerland, wenn ich damit nicht die Arbeitsstelle erreichen kann, weil kein Bus fährt? Die Ampel-Koalition stärkt den ÖPNV in den Ballungszentren, aber eben nicht in der Fläche. Deshalb zahlen wir seit langer Zeit Fahrkostenzuschüsse.
Wenn die Gewerkschaften auf den Inflationsausgleich verzichten, heißt das Reallohnverzicht und muss das sein?
Tarifautonomie ist die eine Seite, die hilft. Auf der anderen Seite sind Entlastungspakete erforderlich – die Bundesregierung ist mehr denn je in der Pflicht. Die Menschen brauchen unterm Strich mehr Netto vom Brutto. Wir beobachten daher sehr genau die Ansätze und Konzepte der Bundesregierung zur Regulierung.
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Machen Sie sich Sorgen um den sozialen Frieden?
Wenn Problembewusstsein und Themensensibilität auf allen Seiten vorherrscht, mache ich mir keine Sorgen um den sozialen Frieden in unserem Land. Deutschland ist in einer vergleichsweise soliden Ausgangsposition, obwohl die Pandemie schon kostbare Ressourcen geschluckt hat. Die Bundesregierung sollte die Maxime des sozialen Friedens immer im Blick haben – wir dürfen niemanden zurücklassen.
Was denken Sie, wie wird Deutschland im Frühjahr 2023 im besten und im schlechtesten Fall dastehen?
Vorhersagen sind in dieser Zeit zu einem denkbar schwierigen Geschäft geworden. Wir blicken jetzt in eine doppelte Glaskugel – und dazwischen ist die Nebelwand. Im besten Fall erleben wir im Herbst/Winter nicht das Droh-Szenario von Gasmangel. Denn es steht außer Zweifel, dass Deutschlands Brauer ein forderndes Halbjahr vor sich haben. Die deutsche Brauwirtschaft wird die Pandemie ganz sicher überstehen, jetzt gilt es, Ruhe zu bewahren und erst einmal die weitere Kostenentwicklung abzuwarten. Einige Wirtschaftsauguren sehen ja schon jetzt Anzeichen für eine gebremste Inflation.
Hintergrund
Michael Huber ist in Oberbayern geboren, in den USA aufgewachsen, machte Abitur in Kiel, studierte in Berlin und hatte Jobs in Hamburg und München.
Seit 1996 ist Huber Generalbevollmächtigter der Veltins-Brauerei. Seit 2006 hatte er die gleiche Funktion bei Trilux inne. Seit Juni 2021 ist er dort Vorsitzender des Aufsichtsrates.
Im September wird Huber 73. Zuletzt sagte er in einem Interview, bei Veltins mache er so lange weiter wie Susanne Veltins ihm vertraue.