Meschede. Die Brauerei Veltins aus Meschede-Grevenstein bereitet sich auf Energieknappheit vor. So soll weiterhin Pils im Hochsauerland gebraut werden.
Die Gasknappheit im Herbst und Winter bedroht die heimische Industrie. Gerade erst hat Michael Huber, der Veltins-Generalbevollmächtigte, ein Gas-Embargo als Damokles-Schwert der deutschen Brauer bezeichnet. Die Brauerei Veltins in Grevenstein bei Meschede will nicht unvorbereitet in dieses Szenario schlittern und hat dafür auch investiert.
Das Gas
Dampfkraft fürs Sudhaus ist der Kostentreiber für Veltins, auch wenn das erst vor wenigen Jahren neu gebaut wurde und heute schon 30 Prozent weniger Energie braucht als davor. Veltins entschied sich damals bewusst für Gas als sichere Energiequelle, aber auch – und das hilft nun – für einen bivalenten Kessel, das heißt, die Brenner können sowohl mit Gas als auch mit Öl laufen. „Der Grund war damals nicht etwa die Sorge vor einer Energieknappheit, wir haben daran gedacht, dass es mal eine Havarie geben könnte, bei der die Gasleitung auf dem Weg nach Grevenstein gekappt wird“, berichtet Uli Biene, Pressesprecher der Brauerei. Zur Not hätte man also immer innerhalb von einer Stunde von Gas auf Öl umstellen können.
Eine gewissen Menge an Heizöl hatte das Unternehmen im Anschluss daher immer in Reserve. Mit dem Ukrainekrieg wurden zusätzliche Tankkapazitäten geschaffen und mehr Mengen geordert. Insgesamt hat Veltins nun 470.000 Liter gelagert - ausreichend für fünf Monate. „Der zusätzliche Tank war nicht einfach zu bekommen“, gibt Biene zu. „Die Idee hatten auch andere.“ Das Öl lagert nun in Grevenstein in unterirdischen Behältern - und wird auch bereits eingesetzt. „Wir nehmen im Moment nur zwei Drittel der Gasmenge ab, die wir brauchen, das letzte Drittel wird durch Öl ersetzt und immer wieder per Tankwagen aufgefüllt.“ Der Öltank bleibe so immer auf Volllast, gleichzeitig schone Veltins so die allgemeine Gasversorgung. Biene nennt es ein weitsichtiges temporäres Notfall-Szenario, für das jetzt aber eine langfristige behördliche Genehmigung notwendig wurde. „Diese liegt nun vor“, so Biene. „Wir sind damit auf der sicheren Seite.“ Auch die Kosten für Öl und Gas lägen aktuell etwa gleich hoch. Doch die seien zweitrangig. „Es geht uns primär um Versorgungssicherheit.“
Das Glas
Auch beim Glas hat das Unternehmen vorgesorgt. Seit Frühsommer wurden zusätzliche Glas-Kontingente bestellt und in so genannten „Klotz-Packs“ gelagert. Die Sorge, die Veltins dabei umtreibt: Die Behälterglas-Industrie gehört zu den Gas-Großverbrauchern, diese könnten als Erstes abgeschaltet werden. Immerhin betrage der Mehrweg-Anteil rund 94 Prozent, „deshalb müssen ständig Flaschen ersetzen.“ Biene hält es für möglich, dass uns im Winter Engpässe in Lieferketten und bei der Versorgung des Handels erwarten. Da wolle man gegensteuern: „Unser Ziel ist auch hier die Versorgungssicherheit von Handel und Verbrauchern.“
Das Gebäude
Das Konzept steht: Wenn die Gasversorgung eng wird, ist Veltins in der Lage, Teile des Gebäudes, die nicht dringend für den Betrieb gebraucht werden, frostsicher auf Minimalbetrieb runterzufahren. Auch Flure nicht zu heizen, sei sicher möglich. Allerdings sei bei Veltins der Energieverbrauch in den Büros fast zu vernachlässigen. „95 Prozent unserer Energie brauchen wir für die Produktion“, erklärt Biene. Und da müsse man meist gar nicht heizen, das übernehme die Abwärme. Was das Unternehmen umtreibt: „Während der Pandemie galten wir noch als systemrelevant. Da konnten wir produzieren, aber nur über den Handel, nicht über die Gastronomie verkaufen.“ Jetzt drohe mit dem Gasembargo zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg der umgekehrte Fall: „Wir könnten verkaufen, können aber im schlimmsten Fall nicht produzieren.“
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Michael Huber kritisierte „die Zwangsbewirtschaftung der Bundesregierung“ mit einer nur mangelhaften Berücksichtigung der Brauwirtschaft werde beim Ausbleiben der Gaslieferungen – egal, ob ganz oder teilweise – zu erheblichen Marktverwerfungen führen, weil Nachlieferungen ausbleiben müssten. „Ein Produktionsstopp würde automatisch Hamsterkäufer nach sich ziehen. Die Getränkeregale würden teilweise leergekauft. Das kann keiner wollen!“
>>> Hintergrund: Kostentreiber
Energie bleibt der große Kostentreiber der Brauwirtschaft, hatte Michael Huber beim Jahrespressegespräch der Brauerei betont. So sei der Strom-Preis um rund 250 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr gestiegen, der Gas Terminmarkt sogar um 340 Prozent. Beim Malz sei eine schlechte Ernte eingefahren worden, die Kosten stiegen um 100 Prozent. Der Hopfenpreis blieb wegen einer guten Ernte dagegen stabil. Der Marktpreis für Paletten habe sich um 150 Prozent verteuert und koste nun 23 Euro pro Stück. Kartonagen wurde 40 Prozent teurer, Folien 50 Prozent. Allerdings sagte Huber auch: Viele Brauer klagten vorauseilend. „Ein bisschen mehr Optimismus würde allen guttun!“ Denn eines dürfe man nicht vergessen: Der Biermarkt wachse wieder. Und die Pandemie sei für Veltins ein Booster gewesen. „März und Mai 2022 waren jeweils die absatzstärksten Mai- bzw. Juni-Monate der Brauereigeschichte.“