Föckinghausen. Es gibt weitere Vorwürfe gegen das Künstlerdorf in Föckinghausen. Demnach soll es sich bei der Gemeinschaft um eine rechte Öko-Bewegung handeln.

Das Künstlerdorf in Föckinghausen sieht sich mit weiteren Vorwürfen konfrontiert. Erhoben werden sie beim Kurznachrichtendienst Twitter. Dort stellt das Netzwerk „Oberhausen solidarisch gegen Rechts“ die Behauptung auf, dass das Künstlerdorf ein Projekt aus der völkischen und antisemitischen Anastasia-Bewegung sei und führt als Begründung die Begriffe „Lernort“, „Freie Schule, „Permakultur“ und „Autarke Versorgung“ an, die im Zusammenhang mit einer Einladung zu einem Info- Nachmittag verwendet worden sein sollen. Von einem „Künstlerdorf“ sei bei der Einladung indes keine Rede gewesen. „Wer sich mit der Szene etwas beschäftigt weiß schnell, was hinter Lernort, Freie Schule, Permakultur und autarker Versorgung steckt“, heißt es auf Twitter.

Beobachter warnen vor rassistischen und antisemitischen Thesen

Zum Hintergrund: Die Anastasia-Bewegung kommt aus Russland und basiert auf der Romanreihe „Anastasia - Die klingenden Zedern Russlands“ des Autors Wladimir Megre. Darin geht es um die fiktive Romanfigur Anastasia, die dank übersinnlicher Fähigkeiten mit der Natur kommunizieren kann. Der Autor selbst behauptet, die Figur Anastasia existiere wirkl‍ich. ‍‍Mit ihren esoterischen Botschaften fordert sie eine Lebensweise in Harmonie mit der Natur.

Entsprechend sollen die Anhänger der Bewegung im Einklang mit der Natur leben. Auf den Landsitzen verwalten und versorgen sich die Bewohner selbst. Zudem sollen Kinder selbst unterrichtet werden. Gleichzeitig warnen Beobachter aber vor rassistischen und antisemitischen Thesen. Sektenexperten, Kirchenvertreter und Wissenschaftler kritisieren die Bewegung wegen antisemitischer und rechtsesoterischer Inhalte sowie ihrer Nähe zu rechtsextremen Personen.

+++ Lesen Sie auch: Bestwig: Entscheidung zu Abschlüssen an der Sekundarschule +++

In der Einladung zu mehreren Info-Nachmittagen für potenzielle Mitbewohner war - statt von einem Künstlerdorf - von einem „Lebensgemeinschaftsprojekt mit autarker Selbstversorgung im Sauerland“ die Rede. Wörtlich hieß es darin: „In dem ehemaligen Hotel mitten in der Natur können bis zu 50 Menschen gemeinschaftlich wohnen. Auf dem Gelände sollen auch ein Kulturzentrum mit Theatersaal, Bar und Disco entstehen, ein Seminarbetrieb, ein spirituelles Zentrum, Werkstätten, eine Krankenstation und ein Gesundheitszentrum, eine freie Schule / Lernort...“ Man suche noch Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die dieses visionäre Projekt gemeinsam mit aufziehen.

Ähnlichkeiten erkennbar

Bei der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg ist das Föckinghauser Projekt ebenfalls bereits bekannt. Eindeutig sei das Künstlerdorf der Anastasia-Bewegung zwar nicht zuzuordnen. Die Formulierungen in der Einladung ließen allerdings eine gewisse Ähnlichkeit erkennen, heißt es dort. Auch die Tatsache, dass die Einladung seinerzeit in einer einschlägigen Telegram-Gruppe veröffentlicht worden sei, die Bezüge zur Anastasia-Strömung aufweise, könne man sicherlich als ein weiteres Indiz für eine inhaltliche Nähe werten.

Bewohner weisen Vorwürfe zurück

Udo Nießen, Bewohner des Föckinghauser Künstlerdorfes, der von der Gemeinschaft zur Stellungnahme auserkoren wurde, weist die Vorwürfe des Netzwerks „Oberhausen solidarisch gegen Rechts“ ebenso zurück, wie die Behauptungen im ARD-Bericht, nach denen es sich bei der Gemeinschaft in Föckinghausen um eine Parallel-Gesellschaft aus System-Kritikerin und Corona-Leugnern handele (wir berichteten). Im Zusammenhang mit den Plänen für die Gründung einer eigenen Schule und einer eigenen Währung spricht er von „Fantastereien“. Er lebe seit März in Föckinghausen, seitdem sei weder der Begriff Anastasia gefallen, noch sei eine eigene Schule oder eine eigene Währung ein Thema gewesen. Und Rechtstendenzen seien ihm völlig fern, so Nießen. Ausschließen könne er zwar nicht, dass es um all das möglicherweise vor seiner Zeit in Föckinghausen in Gesprächen mal gegangen sei. „Seit ich hier mit meiner Tochter wohne, war all das jedenfalls nie Thema“, sagt er.

„Das ist doch das, was alle fordern“

Nur weil man versuche, sich mit Solaranlagen auf dem Dach stromunabhängig zu machen und sich mit eigenem Anbau weitgehend selbst zu versorgen, gehöre man nicht gleich der Anastasia-Bewegung an. „Wir leben hier nach grünen Ideen. Das ist doch das, was alle fordern“, sagt Nießen und lädt dazu ein, mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen und sich selbst davon zu überzeugen.

Diese Offenheit passt zwar nicht zusammen mit der Verweigerung einer Stellungnahme gegenüber der ARD. Doch das habe seine Gründe, sagt Nießen. Man habe gemeinsam beschlossen, sich gegenüber der ARD nicht zu äußern und auf eine entsprechende Anfrage nicht zu reagieren. Angesichts des Themas, das in etwa „Mitten in Deutschland, ein rechtsfreier Raum“ gelautet habe, sei von vornherein klar gewesen, in welche Richtung das Ganze gehe. „Wir haben diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir auch mit einer Stellungnahme nichts mehr herumreißen können“. Außerdem habe man keine Lust darauf gehabt, sich durch zusammengeschnittene Szenen, die Worte im Mund verdrehen zu lassen.

Fassungslosigkeit in der Ferne

Gemeldet hat sich inzwischen auch Sonni Meier, die sich bei der Vorstellung des Künstlerdorfes im November des vergangenen Jahres selbst als „so etwas wie die Lokomotive des Ganzen“ bezeichnet hatte. Maier ist bereits vor zwei Monaten wieder aus dem Künstlerdorf ausgezogen. „Aus persönlichen Gründen“, wie sie schreibt. Aktuell sei sie als Rucksacktouristin „in der abgeschiedensten Pampa“ unterwegs. Dort, in der Ferne, habe sie fassungslos von diesem nur „als eklig zu bezeichnenden TV-Beitrag erfahren“ und sei entsetzt über die „völlig an den Haaren herbeigezogene Verunglimpfung des Projekts“. Sie wünsche der Community alles Gute und hoffe, dass sich diese wirklich furchtbare Sache irgendwie zum Guten wenden werde.