Hochsauerlandkreis. Derzeit gibt es besonders starken Pollenflug, der Terrassen-Möbel oder Autos gelb einfärbt. Das steckt hinter dem Natur-Phänomen der Angstblüte.

Ob Autos, Terrassenmöbel, Wäscheständer oder Fensterbänke – bis in die Wohnräume hinein ist die Welt momentan scheinbar mit einer gelben Blütenstaubschicht überzogen.

Wischen nützt vor allem draußen nichts, nur Sekunden später ist wieder alles vollgestaubt mit den gelben Pollen. Grund für dieses vor allem beim sonnigen Wetter der vergangenen Woche auffällige Naturschauspiel sind keine Sahara-Winde, sondern blühende Fichten im Sauerland, die gerade ein sogenanntes „Mastjahr“ haben - zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit nach 2018.

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Dicke gelbe Schwaden voller Pollen

Bei Windböen kann man ab und zu sogar beobachten, wie über den Nadelwäldern dicke gelbe Schwaden voller Pollen aufsteigen, die kilometerweit fliegen können.

Fichtenpollen über den Wäldern von Hallenberg.
Fichtenpollen über den Wäldern von Hallenberg. © Rita Maurer

„Diese Wolken kommen zustande, wenn ein massives Blühen stattfindet“, erklärt Werner Schubert, Leiter der Biologischen Station Hochsauerlandkreis mit Sitz in Marsberg und Brilon. „Je nach Witterung und Trockenheit fährt der Wind durch die offen stehenden Blüten und sorgt für die gelben Wolken.“

Mast- oder Blütejahre gibt es nicht nur bei Fichten, sondern auch bei zahlreichen Laubbäumen wie u.a. Buchen oder Eichen. Sie blühen im Gegensatz zu zum Beispiel Birken nicht regelmäßig jedes Jahr, sondern je nach Baumart in Abständen von mehreren Jahren. Bei Fichten, die erst im Alter von 40 bis 60 Jahren zum ersten Mal überhaupt blühen, können es bis zu sieben Jahre, teilweise auch noch mehr sein. „Bei Buchen kommen Mastjahre alle fünf bis sieben Jahre vor“, so Werner Schubert.

Das letzte Fichtenmastjahr war hier in der Region jedoch erst 2018 und davor 2014 zu beobachten. Wenn eine Fichte in solch kurzen Abständen blüht, sprechen Biologen von einer „Angstblüte“.

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Angstblüte – Frost und Nährstoffmangel

Gründe dafür sind Trockenheit, späte Fröste oder Nährstoffmangel. Die Bäume setzen dann als Reaktion darauf vermehrt Blütenknospen an, um ihre Art zu erhalten. Aus den Knospen werden nach der Bestäubung die bekannten Zapfen, aus deren Samen neue Baumgenerationen heranwachsen sollen.

Die Zahl der Waldtiere wie zum Beispiel Rehe, Wildschweine, Mäuse oder Eichhörnchen hängt mit diesen Abläufen zusammen. Wenn die Bäume in den Jahren zwischen ihren Blüten nur wenige Samen ausbilden, geht die Wald-Population aufgrund von Futtermangel zurück. Folgt dann ein Mastjahr, gibt es mehr Samen, als die vorhandenen Waldtiere wegfressen können, sodass genug neue Bäume keimen können. Nach einem Mastjahr mit reichlichem Futterangebot vermehren sich wiederum die Waldtiere - ein steter Kreislauf der Natur also.

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Für die Bäume bedeutet ein Mastjahr Stress

Für die Bäume bedeutet ein Mastjahr jedoch Stress. Sie brauchen mehr Energie für die Blüte, dadurch wächst das Holz weniger, was sich an den Jahresringen ablesen lässt. Außerdem werden sie anfälliger für Schädlinge wie Borkenkäfer – kein gutes Omen also für die sowieso schon vorgeschädigten Wälder.

Für Allergiker sind die gut sichtbaren Fichtenpollen jedoch unproblematisch, ihnen machen eher die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennenden Gräser- und Laubbaumpollen zu schaffen. „Birke und Haselnuss sind oft problematisch für Allergiker. Von einer Fichten-Allergie habe ich bisher noch nie gehört“, bestätigt Werner Schubert. Auch dem Autolack schadet die gelbe Staubschicht nicht.

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