Meschede. Die Senioren-Union Meschede sieht, dass viele Ältere digital abgehängt werden. Sie verlangt Empathie von Behörden, aber auch Eigeninitiative.
Der spanische Rentner Carlos San Juan sprach vielen Menschen aus der Seele, als er sich aufregte: „Ich bin alt, aber kein Idiot!“ Mit diesem Schlagwort wandte er sich gegen die zunehmende Digitalisierung in der Gesellschaft, die Teile der Senioren aufs Abstellgleis stelle. Einen Ärger, den Bodo Kirtz und Elmar Krämer von der Mescheder Senioren-Union nur in Teilen nachvollziehen können.
Wo erleben Sie, dass Senioren in Meschede digital abgehängt werden?
Bodo Kirtz: Überall dort, wo man digitale Medien nutzen kann oder muss, um teilhaben zu können. Das reicht von Online-Terminvergaben bei Behörden über den QR-Code, über den man erfährt, wo das nächste geöffnete Postamt liegt, bis zu Online-Banking und den telefonischen Warteschlangen, in denen man Ziffern drücken muss. Viele, gerade Ältere, geben da entnervt auf.
Elmar Krämer: Wir haben das als Senioren-Union auch erlebt, als es darum ging, Impftermine freizuschalten. Und als wir uns dann als Helfer engagierten, hieß es plötzlich, pro E-Mail-Adresse dürfe man nur einen Impftermin blocken. Das war vielleicht eine sinnvolle Begrenzung, machte aber unsere Hilfe damals fast unmöglich.
Bodo Kirtz: Ich bin überzeugt: Bei vielen Stellen ist das einfach Gedankenlosigkeit.
Elmar Krämer: Dazu kommt, dass für manche Art der Teilhabe, gerade während der Corona-Pandemie, ein Zoom-Zugang nötig war oder zumindest ein internetfähiges Gerät. Wenn das fehlte, vereinsamten gerade allein lebende Senioren. Auch wer sich noch nicht in den Sonntagsgottesdienst traute, konnte ja zum Beispiel die Heilige Messe in St. Walburga jeden Sonntag live auf Youtube verfolgen.
Welche Probleme sehen Sie dabei vor allem?
Bodo Kirtz: Es kann sein, dass ein Online-Zugang fehlt oder die entsprechenden Geräte nicht vorhanden sind, manchmal fehlt aber auch einfach das Verständnis. Wer sein ganzes Arbeitsleben nichts mit Computern zu tun hatte, wird sich auch im Alter damit schwertun. Wobei ich mich dagegen wehre, das als gegeben hinzunehmen. Wir haben als Senioren-Union zuletzt eine Informationsveranstaltung dazu angeboten, wo alle ihre Fragen loswerden konnten, das wurde sehr gut angenommen. Themen waren da das Online-Banking, die vielen Cookies, die man wegen der Datenschutzgrundverordnung annehmen muss, die Angst vor Spam-Mails. Oder denken Sie an Vertragsbestimmungen, denen man offiziell zustimmen muss. Die Volksbank hinterlegte da zuletzt 49 Seiten - die liest doch keiner! Muss man auch nicht. Und an anderer Stelle wird zu wenig gelesen. Zum Beispiel, bevor man auf einen Link klickt.
Gibt es einen Unterschied bei der Bereitschaft, sich online einzubringen, zwischen älteren Frauen und Männern?
Elmar Krämer: Das würde ich nicht sagen. Natürlich gibt es Partnerschaften, in denen einer sich nur beispielsweise ums Online-Banking kümmert. Das muss aber nicht der Mann sein. Und in unserem EDV-Kurs wirkten auf mich die Frauen noch wissbegieriger als die Männer. Im konkreten Fall wäre es gut, wenn einer dem anderen hilft, es aber letztlich beide bedienen können.
All’ das kostet auch Geld. Kann das nicht auch ein Problem sein, angesichts von Armut im Alter?
Bodo Kirtz: Dem würde ich nicht uneingeschränkt zustimmen. Für mich ist auch das eine Frage der Prioritäten. Natürlich gibt es Senioren, die sich ein Tablet oder einen Internetzugang nicht leisten können. Aber viele dieser Menschen haben Geld für andere Dinge. Und man muss auch sagen: Schon in den 80er-Jahren gab es die Internet-Verweigerer, die sind heute im Seniorenalter und haben massive Probleme.
Was verlangen Sie nun mit Blick auf die Digitalisierung?
Bodo Kirtz: Empathie im weitesten Sinn. Ich würde mir wünschen, dass sich Anbieter mehr in die Kunden hineinversetzen. Zumindest für die Übergangszeit müssen Behörden, Banken und Versicherungen auch noch den direkten Kontakt ermöglichen. Dass wir in Meschede bei der Stadt das Bürgerbüro haben, ist ja schon eine gute Sache. Das wünschte ich mir auch für andere Stellen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass sich ein Dienstleistungsbereich entwickelt: Guides, die einen durch den Internet-Dschungel führen.
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Elmar Krämer: Wir als Senioren-Union hatten auch schon weitere Smartphone- und Laptop-Kurse geplant, sind aber durch Corona ausgebremst worden. Das wird unser Schwerpunkt in nächster Zeit. Dabei wollen wir Senioren auch vor Internet-Kriminalität bewahren und ihnen die Angst vor der Technik nehmen. Aber auch eine Art „User-Group“, eine Selbsthilfe-Gruppe, in der man sich informell über Hilfen austauschen kann, wenn man nicht mal eben die Kinder und Enkel fragen kann oder will, wäre hilfreich. Dabei ist es uns wichtig, dass wir keine neuen Abhängigkeiten schaffen wollen: Nach dem Motto, ich kenn’ da einen, der sich auskennt, den rufe ich jetzt mal an. Es geht mehr um Hilfe zur Selbsthilfe.
Bodo Kirtz: Und eine Forderung geht direkt an die Seniorenheime: WLAN und Internetanschluss sind Grundvoraussetzung. Denn wenn die internetfitten Senioren ins Heim müssen, dann sollten sie nicht auf die Chancen dieses Mediums verzichten müssen.
HINTERGRUND
Am Sonntag, 24. April, wählt die Senioren-Union einen neuen Vorsitzenden und einen neuen Vorstand.
Um 16 Uhr findet die Mitglieder-Versammlung in der Halle Sauerland statt, unter anderem wird das CDU-Landtagsmitglied Matthias Kerkhoff erwartet.