Wennemen. Der Kunstschmied Rafael Jürgens aus Wennemen sieht sich vor allem als solider Handwerker. Doch gern ist er auch der Mann für besondere Fälle.
Spezialaufträge sind seine Spezialität: Ein siebenarmiger Leuchter für die Verfilmung des Medicus? - Ein 500 Kilogramm schweres Kreuz in 96 Metern Höhe sanieren und neu befestigen? - Ein Opferleuchter im Spannungsfeld zwischen dem verschnörkelten Wunsch der Spenderin und den sachlichen Vorstellungen des Pastors? Kein Problem für Rafael Jürgens - der Kunstschmied aus Meschede-Wennemen ist gern ein Mann für besondere Fälle.
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Mit 12 Jahren in der Werkstatt
Schon mit 12 Jahren stand er bei seinem Vater in der Werkstatt. Dort entstanden seine ersten Werke aus Baustahl, Schmiedebronze, Kupfer und Edelstahl. Etwas später, mit 18, fertigte er ein Schachbrett, das noch heute in seinem Büro steht - „unverkäuflich“. Es gehört zu seinen Lieblingsstücken. Sehr emotional sei auch die Herstellung eines Grabkreuzes gewesen, das er mit seinem Vater für einen ehemaligen Kollegen fertigte. „Die Frau hat in der Werkstatt geweint, als sie es gesehen hat, da wussten wir, wir haben alles richtig gemacht.“
Gute Auszubildende sind schwer zu finden
„Wir“, das sind im Moment noch Rafael Jürgens und Ronja Domeier. Die junge Frau hat gerade ihre Ausbildung zur Metallbauerin Fachrichtung Metallgestaltung abgeschlossen. Sie will im Sommer studieren. Der Senior Heinrich Jürgens schaut nur noch selten in der Werkstatt vorbei. Die Kunstschmiede Jürgens besteht in der vierten Generation im Ortskern. Dort blickt man stolz auf die lange Tradition, auf das handwerkliche Können und viele herausragende Lehrlinge, die hier ausgebildet wurden. Ronja Domeier war jetzt die erste Frau. Aktuell ist Jürgens wieder auf der Suche. Es sei schwierig geworden, gute Leute zu finden, sagt der Kunstschmied. Dabei gibt es genug zu tun. „Seit sechs Jahren haben wir quasi Vollbeschäftigung“, sagt er. Was auch daran liegt, dass Jürgens den Betrieb kleinhält, und es Liebhaber seiner Schmiedekunst gibt, wie einen Industriellen aus Minden. Für ihn schmiedete er unter anderem einen über 90 Meter langen Zaun ums Privatgrundstück und eine Spindeltreppe, „immer, wenn gerade Zeit ist.“
Spezialauftrag: Herz-Jesu Kirche in 96 Meter Höhe
Trotzdem ist er eben oft auf Hilfe angewiesen. Wie jetzt Ende 2021 bei diesem Auftrag auf dem Dach der Herz-Jesu-Kirche, der höchsten Kirche Münsters. Da haben alle Handwerker zusammengearbeitet. Es musste ein 500 Kilogramm schweres Kreuz samt Unterkonstruktion in 96 Meter Höhe saniert werden. „Es runterzuholen wäre extrem aufwändig und sehr teuer gewesen, zudem hätte man die Hauptverkehrsstraße stundenlang sperren müssen. Selbst ein Hubschrauber-Einsatz war durchgerechnet worden. Da hätte man in einem Radius von 200 Metern auch Häuser evakuieren müssen.“
Also kam die Kunstschmiede Jürgens in luftiger Höhe zum Einsatz. „Allein 30 Kilo Rost haben wir runtergeholt.“ 60 Meter hoch ging der Bauaufzug, ab da mussten alle Handwerker über das Gerüst hochklettern. Sorgfältige Arbeit war wichtig, denn ein Netz gab es nicht - dafür wäre die Windlast zu hoch gewesen. „Wenn da ein Zwei-Kilo-Brocken abgesplittert wäre, hätte das für Menschen auf der Straße tödlich sein können.“ Jürgens bleibt gelassen: „Die alten Handwerksmeister haben das ja schließlich auch geschafft.“
Ein Leuchter für den Film „Der Medicus“ gegen Gage
Als gestaltender Handwerker, nicht als Künstler - so sieht er sich vor allem. Als jemand der die Handwerkstechniken beherrscht. Entwürfe zeichnet er am Computer oder per Hand. Dort entstanden auch Opferleuchter für die Charité und zwei weitere Kirchen in Berlin. „Die sind durchs Internet auf mich aufmerksam geworden und dann ging es wohl über Mund-zu-Mund-Propaganda.“ Wie beim siebenarmigen Menora-Leuchter, den die UFA für den Film „Der Medicus“ 2013 als Leihgabe bestellte - gegen Gage. „Ein Fahrer hat ihn sogar noch mal abgeholt, weil Szenen nachgedreht werden mussten“, erzählt Jürgens. Allerdings: Gesehen hat er ihn im Film nicht. „Vielleicht wurde die Szene rausgeschnitten?“, vermutet Jürgens, „oder er steht in einer dunklen Ecke.“ Die Schauspiel-Leihgabe verkaufte er anschließend an eine Kirche in Haan-Gruiten.
Unterschiedliche Vorstellungen vereinen wie in Berliner Kirche
Kunst ist trotzdem auch bei ihm gefragt - neben Handwerkskunst, Gesprächskunst, wenn es darum geht Vorstellungen zu vereinen. So fertigte er einen Opferleuchter mit 50 Kerzen für eine sehr moderne Kirche. Die Spenderin wollte in Erinnerung an ihren Sohn mehr verspielte Ornamente, der Pfarrer wünschte sich Sachlichkeit. „Hinterher waren beide Seiten zufrieden.“
Auch wenn Jürgens sich vor allem als Handwerker sieht, ärgert er sich, wenn seine Arbeit einfach kopiert wird. Kürzlich tauchte bei der Ausschreibung für ein Kirchengitter ein abgewandelter Entwurf auf, den der Wennemer zuvor für anderes Objekt gemacht hatte. „Das war ganz klar mein geistiges Eigentum.“ Das fand der Handwerker, der eben doch als Künstler stolz darauf ist, Unikate zu fertigen, „schon sehr dreist.“
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>>>Hintergrund
Rafael Jürgens ist 44 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Söhne (10 und 7 Jahre alt).
Der gelernte Metallbauer, Fachrichtung Metallgestaltung, stieg mit 23 Jahren in den väterlichen Betrieb ein. Er übernahm ihn 2012.
Gegründet wurde die Huf- und Wagenschmiede Jürgens 1901 in Wennemen.