Meschede. Im März kommt die Impfpflicht im Pflegebereich. Wie der Kreis diese umsetzen will und wer alles betroffen ist, erläutert Dr. Klaus Schmidt.
Seit Januar ist Dr. Klaus Schmidt neuer Leiter des Kreisgesundheitsamtes. Gleich sein erstes großes Thema bewegt viele Menschen im gesamten Kreis: Was passiert mit der Impfpflicht, die ab dem 16. März gilt? Sie betrifft nämlich nicht nur Kliniken und Seniorenheime, sondern auch Physio- und Ergotherapeuten und kann selbst für Handwerker und Verwaltungskräfte gelten. Der Arzt erläutert in Meschede die Hintergründe.
Auf einer Skala von eins bis zehn - wie belastet sind das Kreisgesundheitsamt und seine Mitarbeiter zurzeit?
Dr. Klaus Schmidt: Auf der Skala ist es zurzeit eine acht, aber auch nur, weil die Kontaktpersonennachverfolgung eingestellt wurde. Gäbe es sie noch, wäre es auf der Skala von eins bis zehn eine 12 bis 14. Diese Belastung hatten wir eigentlich die gesamten letzten zwei Jahre.
Das Kreisgesundheitsamt hat - wie auch die Nachbarkreise - die Nachverfolgung aufgegeben: eine Kapitulation vor Omikron oder eine sinnvolle Entlastung?
Das war keine Kapitulation - dann eher eine sinnvolle Entlastung in Kombination mit verschiedenen Entwicklungen. So war es angesichts der stark steigenden Corona-Zahlen einfach nicht mehr möglich, die Kontaktnachverfolgung aufrecht zu halten. Wir hatten sonst maximal 100 Neuinfektionen am Tag, jetzt sind es zehnmal so viele. Aber natürlich ist es auch leichter zu verantworten, weil die Menschen nach zwei Jahren Pandemie besser aufgeklärt sind. Sie wissen, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie positiv getestet werden. Dazu gibt auch die Test- und Quarantäneverordnung des Landes sehr genaue Erläuterungen. Und dann berücksichtigt die Entscheidung auch, dass sich Omikron zwar sehr schnell verbreitet, die Erkrankung aber deutlich mildere Verläufe zeigt. Deshalb konnten wir guten Gewissens das Kontakt- und Fallmanagement anpassen.
Wie nutzen Sie die freiwerdenden Kapazitäten?
Wir schaffen es jetzt wieder zeitnah die gemeldeten Erkrankungen an das Landeszentrum für Gesundheit zu übermitteln - daher steigen die Inzidenzen. Vorher wurden erst alle Kontakte abtelefoniert und informiert, bevor die Meldung rausging. Außerdem haben wir unsere Hotline wieder hochgefahren. Das ist wichtig, denn die Bürger haben immer noch viele Fragen. Wir sind also immer noch komplett im Corona-Geschehen, allerdings mit etwas anderen Aufgaben.
Am 16. März kommt die Impfpflicht im Pflegebereich - auch das wird ihr Job?
Erstmal muss man wissen, dass da deutlich mehr Menschen betroffen sind, als die meisten annehmen. Es geht eben nicht nur um den Kranken- und Pflegebereich. Betroffen sind alle, die im Gesundheitsbereich arbeiten, in Arzt-, Physio- und Ergotherapie-Praxen, selbst Verwaltungsmitarbeiter, Küchenpersonal und Handwerker, die nicht nur vorübergehend in der Einrichtung beschäftigt sind.
Was schätzen Sie, wie viele Menschen sind das im HSK?
Das wissen wir nicht genau, da wir nur annähernd über die Anzahl in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen unterrichtet sind. Da es ja einen Stichtag gibt, melden uns am 16. März die Einrichtungen, welche ungeimpften Mitarbeiter sie haben. In den großen Kliniken und Seniorenheimen rechnen wir mit einer dreistelligen Zahl, aber der Rest ist für uns ein großes Fragezeichen. Allerdings laufen die internen Planungen aktuell auf Hochtouren, zur Information für die Arbeitgeber hat der Kreis ein Informationsportal auf der Kreishomepage eingerichtet.
Wenn die Arbeitgeber, die Ungeimpften gemeldet haben, was passiert dann?
Wir schreiben alle an und bitten sie, uns ihren Impfausweis vorzulegen oder zu erklären, warum sie von der Impfpflicht ausgenommen sind. Das wird geprüft und führt dann gegebenenfalls zu einem Betretungsverbot der Einrichtung oder Praxis. So lange diese Mitarbeiter keine Impfung nachweisen, dürfen sie dann die Einrichtung nicht betreten, aber sie haben natürlich vorher das Recht sich zu erklären. Zur genauen Umsetzung, auch bezüglich eventueller Ausnahmen, warten wir zur Zeit auf weitere Vorgaben des Landes. Diese werden aktuell noch erarbeitet.
Damit wandert der Schwarze Peter zurück an die Arbeitgeber?
Ja, wir sprechen gegebenenfalls das Betretungsverbot aus, alles Weitere sind arbeitsrechtliche Fragen.
Wie stehen Sie persönlich zur Impfpflicht?
Ich bin generell ein Fan des Impfens. Alle Erkrankungen, gegen die man vorbeugend impfen kann, können ungeimpft schwerwiegende Verläufe haben. Aber ob man eine Impfpflicht aussprechen will, das entscheide ich nicht. Das ist Sache der Politik. Ich setze eher auf Aufklärung und Überzeugung. Wobei man auch betonen muss: Kein Mensch wird gezwungen. Es gibt nur eine Impfpflicht, dieser Pflicht kann ich mich entziehen, muss dann aber die Konsequenz tragen, das kann ein Betretungsverbot sein oder ein Ordnungsgeld.
Omikron treibt gerade die Zahlen in schwindelnde Höhen. Rechnen Sie jetzt eher mit dem Ende der Pandemie oder der nächsten Variante?
Ich glaube, wir stehen am Übergang von der Pandemie zur Endemie - hin zu einer dauerhaften Etablierung des Erregers, der immer wieder in den Herbst- und Wintermonaten zu einem Anstieg der Fallzahlen führen wird. Jede Variante, die sich neu etabliert hat, hat bisher zu einer größeren Zahl an Erkrankten geführt, aber bei gleichzeitiger besserer Anpassung an uns, mit milderen Verläufen. Ich denke, nach Omikron haben wir das Ende im Sinn der der Pandemie erreicht. Und zumindest im Hochsauerlandkreis können wir diese Phase unter Umständen erreichen, ohne dass unser Gesundheitssystem überlastet wird.
Was bedeutet das für die Impfpflicht?
Auch das ist Sache der Politik.
>>>HINTERGRUND
Dr. Klaus Schmidt ist 59 Jahre alt und Vater von vier Kindern. Er lebt in Rees am Niederrhein.
Der Essener machte nach dem Studium in Oberhausen seinen Facharzt für Urologie und betrieb 16 Jahre eine urologische Praxis am Niederrhein.
2013 wechselte er zum Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises und absolvierte die Ausbildung zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen. Seit 2015 ist er stellvertretender Leiter des Kreisgesundheitsamtes.
Im Januar 2021 übernahm er die Leitung von Dr. Peter Kleeschulte.
Zum Team des Kreisgesundheitsamtes gehören zurzeit 75 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Hinzu kommen organisatorisch auch noch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der koordinierenden Impfeinheit.
Die Aufgaben umfassen unter anderem den Infektionsschutz, die Krankenhaus-Aufsicht, Begutachtungen und Schuleingangsuntersuchungen, den sozialpsychiatrischen Dienst, das Trinkwasser sowie die Apothekenaufsicht. „Die Zahl der Mitarbeitenden schwankt“, so erklärt Dr. Schmidt, „je nachdem welche Aufgaben man uns gerade wieder aufbürdet.“