Schmallenberg. Auch in Schmallenberg finden Corona-Spaziergänge statt. Unsere Reporterin war dabei. Sie wurde angegangen. Ihr Erfahrungsbericht.

Ich bin Journalistin geworden, um Menschen zu informieren. Also schreibe ich über Unfälle, politische Sitzungen, die bunte Lese-Geschichte und auch über Themen, die Stadtgespräch sind. Ich will mit meinen Artikeln den politischen Diskurs abbilden, nicht nur die eine Seite zu Wort kommen lassen, sondern auch immer die andere Sichtweise abbilden. Journalistin zu sein, bedeutet auch gleichzeitig objektiv zu sein.

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Ich bin nah an den Schmallenbergern, unterhalte mich auf meinen Terminen mit ihnen und bekomme so einen Eindruck davon, was sie beschäftigt. Die Presse darf in Deutschland über alle Themen berichten und dass das ein wichtiger Punkt für unsere Demokratie und unser Zusammenleben ist, ist für mich nicht diskutierbar. Im Grundgesetz heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Ich mache meinen Job gern, am Dienstagabend aber für ein paar Minuten nicht:

Friedliches Zusammentreffen

18 Uhr: An der Alexanderkirche in Schmallenberg haben sich viele Menschen versammelt. In diesen Tagen ein ungewöhnliches Bild. Diese Menschen hier halten keinen Abstand und tragen keine Masken, obwohl sie sich zum Beispiel zur Begrüßung umarmen. Die Stimmung ist gut, sie unterhalten sich entspannt. Ich stehe abseits vom Geschehen, beobachte erst einmal von weiter weg. Diese Bürgerinnen und Bürger treffen sich, um zusammen spazieren zu gehen. Wie in vielen anderen Orten im Moment auch. Sie tragen keine Schilder und rufen auch keine Parolen.

Leandra Stampoulis ist Reporterin in Schmallenberg.
Leandra Stampoulis ist Reporterin in Schmallenberg. © Privat | Privat

Aber dennoch sind es mittlerweile 90 Leute in Schmallenberg, die mit ihrem Spaziergang Aufmerksamkeit erzeugen, durch die Innenstadt mit Kerzen wandern – sie sind Stadtgespräch, sie wollen es sein, sie haben auch einen Grund dafür. Diese Spaziergänge werden auch Corona-Märsche genannt, ohne dass es irgendwo schwarz auf weiß stehen würde. Die Leute gehen auf die Straße, weil sie gegen die Corona-Schutzmaßnahmen sind oder weil sie zum Beispiel Impfkritiker sind. Sie sind gegen etwas – in meinem Kopf immer der Gedanke: „Die eine und die andere Seite“.

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Ich habe mir im Vorfeld Gedanken gemacht, wie diese Menschen auf mich reagieren würden: Natürlich will ich auch ein paar Fotos machen, das gehört zu einer journalistischen Berichterstattung dazu. Außerdem ist ein Foto wichtig, damit der Leser einen Eindruck von der Stimmung bekommt.

Bedrohliche Situation in der Schmallenberger Innenstadt

Ich stehe dort noch mit Abstand auf dem Kirchplatz, eine Frau kommt auf mich zu: „Und? Haben Sie schon gezählt? Wie viele sind wir?“, „Dafür bin ich nicht hier, das kann ich Ihnen leider nicht sagen.“, „Ach so, sind Sie vom Ordnungsamt?“ „Nein, ich bin von der Westfalenpost“, sage ich der freundlichen älteren Dame. Die nickt nur und gibt mir noch den Tipp, dass ich doch schon einmal vorgehen soll, damit ich auch alle Spaziergänger zählen kann, sehr nett. Ich bedanke mich und wir wünschen uns einen schönen Abend. Ein bisschen Anspannung fällt von mir ab, nette Leute, wie eigentlich die meisten Schmallenberger, denen ich bis jetzt begegnet bin.

Corona-Spaziergänger in der Schmallenberger Innenstadt. 
Corona-Spaziergänger in der Schmallenberger Innenstadt.  © WP | Leandra Stampoulis

Ich laufe also etwas voraus, die Spaziergänger gehen an der Oststraße entlang, es ist dunkel und ich fange an zu fotografieren, versuche möglichst viel vom Zug draufzubekommen. Meine Intention: Ich zeige mit dem Foto, wie viele Menschen sich an diesem Corona-Spaziergang beteiligen. Ich stehe irgendwann am äußersten Rand des Gehwegs und mache mit meiner Handykamera ein Foto: Ein Mann kommt mit schnellen Schritten auf mich zu, er kommt mir sehr nah – keine 1,5 Meter Abstand.

Ich trage keine Maske, ich hatte aber auch nicht vor, jemandem so nahe zu kommen. „Was machen Sie hier? Wer sind Sie? Wieso fotografieren Sie uns?“, fragt mich der Mann in einem sehr ruppigen Tonfall. Ich bleibe ruhig, erkläre ihm, dass ich für die Westfalenpost unterwegs bin und die Corona-Spaziergänger fotografiere. „Ich will nicht, dass Sie mich hier fotografieren. Ich gehe nur mit meiner Frau hier spazieren. Sie dürfen mich nicht dabei fotografieren“, sagt der Mann. Mittlerweile steht eine Gruppe von fünf Menschen um mich herum, sie kommen mir alle sehr nah, ich kann nicht ausweichen, denn hinter mir fahren direkt Autos.

Schutz bei Polizisten gesucht

„Ich fotografiere nicht Sie als Einzelperson, sondern die Gruppe. Das ist öffentlicher Raum, ich darf hier Fotos machen“, versuche ich dem Mann zu erklären.

„Ich will, dass Sie das Foto löschen, wenn ich da drauf bin“, sagt mir ein anderer Mann von der Seite. Der Mann mit dem ruppigen Tonfall fordert mich jetzt auf meinen Presseausweis zu zeigen und will meinen Namen wissen. Den Ausweis habe ich nicht in der Jackentasche, er darf ihn auch nicht einfordern, dennoch drücke ich ihm einen Zettel mit meinem Namen in die Hand, er will sich bei meinem Redaktionsleiter melden, sich beschweren.

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„Vergessen Sie nicht, immer Maske tragen und Abstand halten, ganz wichtig“, sagt er noch in einem spöttischen Tonfall zu mir, wobei er gerade beides nicht eingehalten hat. Die Spaziergänger gehen weiter. Mein Herz klopft, die Situation war für mich nicht leicht. Es war nicht schön, dass ich nicht zurückweichen konnte, es hatte etwas Bedrohliches und Einschüchterndes - und genau das war gewollt.

Mein erster Gedanke: „Ich muss hier weg.“ Dann sehe ich die Polizisten, die an diesem Abend den Spaziergang begleiten, ich stelle mich zu ihnen, fühle mich direkt sicherer – seltsam, dass ich während der Arbeit das Gefühl von Angst spüre.

Und so finde ich mich am Ende meines Arbeitstages zwischen Polizisten wieder, weil versucht worden ist, mich einzuschüchtern.

„Ist das richtig?“, denke ich.