Meschede. Carina Hillebrand hat in Meschede eine Schule für Erste Hilfe eröffnet. In ihren Kursen will sie Lust wecken, sich auf das Thema einzulassen.

Sie erinnert sich selbst an diese Kurse, die „schnarchig“ waren, sagt Carina Hillebrand: Die Ausbilder und Ausbilderinnen dabei waren brav und bieder mit Namensschildchen, ihre Kurse mit Material per Overheadprojektoren absolut trocken, ermüdend und langweilig für die Teilnehmer – was sie aber nicht sein dürften. Dafür ist die Erste Hilfe zu wichtig, eben überlebenswichtig. Ausdrücklich wirbt sie dafür. Die 34-jährige Meschederin hat deshalb gehandelt: Ihre Kurse sind anders, nämlich zeitgemäß und eben nicht schnarchig – in ihren „Erste-Hilfe-Schulungen Sauerland“, wie sie ihre Schule nennt.

Kurse im Haus der Pfadfinder in Meschede

Carina Hillebrand füllt eine Lücke: „Der Markt ist so groß.“ Es gibt so viele Führerscheinbewerber, die einen Erste-Hilfe-Kurs nachweisen müssen, außerdem müssen zum Beispiel Betriebe ihre Ersthelfer schulen lassen – es gibt aber zu wenige Plätze. Carina Hillebrand, gelernte Arzthelferin, die dann in der Anästhesie arbeitete, bildete dann selbst bei einer Hilfsorganisation aus, sie wurde von einer privaten Ausbildungsschule abgeworben und führte diese dann. 2018 kam der Gedanke: „Das kann ich auch selbst in Meschede organisieren.“ Es dauerte aber: Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger müssen eine Erste-Hilfe-Schule genehmigen, sie muss Standards erfüllen, Räume und Personal nachweisen.

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Das ist alles erfüllt. Carina Hillebrand geht in Betriebe, Kindergärten und Arztpraxen: „Ich arbeite gerne mit Teams. Die öffnen sich in der Situation einer Schulung anders.“ Sie bietet aber auch Erste-Hilfe-Kurse in den Räumlichkeiten der Pfadfinder an der Lindenstraße in Meschede an. Inzwischen haben sie und ihre vier anderen Ausbilder, die sie unterstützen, einen Kundenstamm aufgebaut, der von Dortmund bis Winterberg reicht. „Wir sind am Puls der Zeit“, sagt sie. Das passt wortwörtlich: In der Notfallmedizin muss man als Ausbilder immer auf dem Laufenden sein. Auch Ausbilder müssen alle drei Jahre zur Fortbildung.

Lust wecken, sich einzulassen

Wichtig ist ihr, Fakten in lockerer Atmosphäre weiterzugeben – ja, bei Übungen zur Reanimation läuft dann auch die Musik vom „Highway to Hell“ von AC/DC. Sie will bei ihren Teilnehmern bewusst Lust wecken, sich auf das Thema einzulassen: „Alle sollen hier mit Spaß herausgehen und weitererzählen: Ey, das war voll gut!“

Denn sich darauf einzulassen, rettet später Leben. Und dafür müssen in den vorgeschriebenen neun Unterrichtseinheiten mit sechs Stunden und 45 Minuten die Teilnehmer eben begeistert werden. Diese Zeit ist so kostbar: Denn eigentlich kommt man im Leben zwingend nur für den Führerschein mit einer Ersten-Hilfe-Ausbildung in Berührung. Carina Hillebrand würde es ausdrücklich begrüßen, wenn auch Auffrischungen vorgeschrieben wären: „Der Kopf kann es nur schaffen, wenn er Training hat.“

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„Viele Menschen haben Angst, etwas falsch zu machen“, hört Carina Hillebrand immer wieder: „Aber helfen kann jeder.“ Die stabile Seitenlage bekommt jeder hin, die 112 kann jeder anrufen. Und an der Puppe namens „Little Anne“ lernt jeder die Herzdruckmassage – per App gibt sie inzwischen dem Anwender das passende Feedback zu seinem Einsatz. Beim Unfall mit einem verunglückten Motorradfahrer kann jeder reagieren: Notruf absetzen, Helm abnehmen (wenn der Verunglückte bewusstlos ist), in die Seitenlage bringen. Und auch einen Verband kann jeder anlegen – der muss auch nicht perfekt sein: „Ein Verband muss halten, bis der Rettungsdienst kommt.“

„Was ist mit euch: Wer hilft euch?“

Sie fragt regelmäßig in ihren Kursen: „Keiner ist mehr bereit, dem anderen etwas zu geben. Was ist mit euch: Wer hilft euch?“ Und sie erinnert daran: Man glaubt zwar, die meisten Unfälle passierten im Straßenverkehr – tatsächlich aber ereignen sich über 80 Prozent zu Hause. Mit guten Erste-Hilfe-Kenntnissen hilft man also nicht nur Fremden, sondern trifft eigentlich auch eine Vorsorge für sich und seine Angehörigen. Letztlich sollten selbst Oma und Opa ihre Kenntnisse erneuern: „Sie würden es zum Beispiel auch für ihre Enkelkinder tun.“

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Ausdrücklich warnt Carina Hillebrand vor Online-Schulungen für Ersthelfer, die inzwischen angeboten werden und vermeintlich bequemer bzw. leichter für die Teilnehmer scheinen: „Diese Anbieter suggerieren, dass man einen Erste-Hilfe-Kurs in derselben Unterrichtszeit online absolvieren könne. Der Teilnehmer erhält aber kein zulässiges Zertifikat.“ Denn ein Online-Unterricht ersetzt nicht die zwingend vorgeschriebene praktische Ausbildung, Zertifikate über Online-Kurse werden von den Straßenverkehrsämtern und Berufsgenossenschaften auch nicht anerkannt.

>>> HINTERGRUND <<<

Informationen zu der neuen Mescheder Schule gibt es unter www.eh-sauerland.de

Schnelle Hilfe ist wichtig: Bis der Rettungsdienst eintrifft, vergehen mehrere Minuten – mit jeder sinken aber zum Beispiel beim Herzstillstand die Überlebenschancen um zehn Prozent.

Es gibt in Deutschland die Pflicht zur Hilfe: Jeder, der Erste Hilfe leisten kann, ist gesetzlich dazu verpflichtet – wer sie nicht leistet, macht sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig.

In einer ADAC-Umfrage gaben zuletzt 52 Prozent der Teilnehmer an, dass sie sich Erste Hilfe zutrauen – ein Viertel aber war sich nicht sicher, ein Viertel sah sich dazu gar nicht in der Lage.

Die Hälfte der Befragten gab an, ihr letzter Kurs liege zehn oder mehr Jahre zurück.