Meschede. Der Hochsauerlandkreis in Meschede hat einen seiner Blitzer still gelegt - zuvor hatte der Hersteller selbst darum gebeten. Das sind die Gründe.

Autofahrer, die zu schnell unterwegs waren, sollten ihren Bußgeldbescheid überprüfen. Wie jetzt bekannt wird, hat auch der Hochsauerlandkreis in Meschede zur Geschwindigkeitsüberwachung ein möglicherweise fehlerhaftes Messgerät eingesetzt.

Der Hersteller selbst hat die Behörden aufgefordert, mit diesem Gerätetyp vorerst keine Messungen mehr durchzuführen.

Die Kreisverwaltung in Meschede hat dieses Gerät vorerst stillgelegt – hat aber immer noch zwei andere Blitzer mobil im Einsatz.
Die Kreisverwaltung in Meschede hat dieses Gerät vorerst stillgelegt – hat aber immer noch zwei andere Blitzer mobil im Einsatz. © Hersteller

„Da die Herstellerfirma nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen kann, dass es zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen kann, hat sie gebeten, von weiteren amtlichen Messungen vorerst abzusehen“, bestätigt Martin Reuther, Sprecher des Hochsauerlandkreises.

Betroffen ist das Modell Leivtec XV3. Davon hat der Hochsauerlandkreis bei seinen Geschwindigkeitskontrollen eines im Einsatz, die Polizei im HSK nutzt dieses Modell nicht. Die Kreisverwaltung hat ihr Gerät vorerst stillgelegt – hat aber immer noch zwei andere Blitzer mobil im Einsatz. Außerdem, so der Kreissprecher, sei ein weiteres Leihgerät bestellt worden. Die sieben stationären Messsäulen sind nicht betroffen.

Überprüfung erforderlich

In der Vergangenheit ist es zu Auffälligkeiten gekommen, die jetzt eine Überprüfung dieses Blitzer-Modells notwendig machen. Darauf hatte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig aufmerksam gemacht, die für die Zulassung von Geschwindigkeitsmesssystemen zuständig ist.

Der Hersteller bat dann auch in einem Anschreiben an die Blitzer-Besitzer, die Geräte erst einmal nicht mehr einzusetzen: „Wir sind uns der Tragweites unseres Schreibens bewusst, sehen jedoch in der Sache keine andere Entscheidungsoption, da es uns als Ihr seit vielen Jahrzehnten zuverlässiger und seriöser Partner darauf ankommt, den rechtssicheren Einsatz unserer Produkte im Verkehrsüberwachungsbereich unter allen Umständen zu gewährleisten.“

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2020 kam bei Untersuchungen von Sachverständigen der Verdacht auf, dass Leivtec XV3 mitunter falsche Geschwindigkeitswerte und Differenzen von bis zu 16 km/h aufwies. Bei Tests waren zwei verschiedene Blitzgeräte in derselben Situation und am selben Fahrzeug zum Einsatz gekommen – mit dann unterschiedlichen Ergebnissen. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt bestätigte danach, „dass in speziellen Fällen Geschwindigkeitsmesswerte ausgegeben werden, die die Verkehrsfehlergrenzen verletzen, insbesondere auch zu Ungunsten des Betroffenen“. Deshalb führt die Bundesanstalt jetzt weitere Prüfverfahren durch.

Anwalt rät: Einspruch einlegen!

Weil der Blitzer ein zugelassenes Geschwindigkeitsmesssystem ist, mussten in der Vergangenheit Richter bei Bußgeldverfahren nicht jedem denkbaren Zweifel an dem Messverfahren nachgehen und konnten entsprechende Beweisanträge von Anwälten zurückweisen – eben weil es sich ja um ein standardisiertes Verfahren handelt. Das kann sich jetzt wegen der entdeckten Ungenauigkeiten ändern. Kreissprecher Martin Reuther sagt: „Es sind bis heute nur vereinzelt bei den Leivtec-Messungen Einsprüche mit der Begründung, dass Messungenauigkeiten aufgetreten sind, eingelegt worden.“

Der Mescheder Rechtsanwalt Otto Entrup zum Beispiel vertritt Autofahrer, die mit dem XV3 geblitzt wurden. Er rät dazu, mit dem Bußgeldbescheid zum Anwalt zu gehen (der Akteneinsicht nehmen kann) und auf jeden Fall Einspruch einzulegen – und zwar nicht erst, wenn möglicherweise Punkte in Flensburg oder ein Fahrverbot drohen, sondern auch schon bei kleineren Summen: „Warum soll man auch nur 20 Euro ausgeben? Es gibt vor Gericht immer wieder Ermessensentscheidungen und besondere Umstände, die ein Abweichen von der Norm darstellen.“

>>>HINTERGRUND<<<

Rechtskräftig gewordene Entscheidungen einer Bußgeldstelle oder eines Gerichtes sind grundsätzlich verbindlich – auch dann, wenn sich Entscheidungen nachher als falsch erwiesen haben.

Im Ordnungswidrigkeitengesetz und in der Strafprozessordnung gibt es enge Grenzen für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Bußgeldverfahrens – nämlich wenn ein Fahrverbot und/oder eine Geldbuße von über 250 Euro ausgesprochen wurde.