Reiste. Müssen jetzt über 100 Geschwindigkeitsübertretungen an der B 55 neu überprüft werden? Das Amtsgericht Meschede kippt einen Bußgeldbescheid.
Sind Sie am 12. Juni 2019 durch Reiste gefahren und dort geblitzt worden? Dann rät Ihnen Alois Luttermann dazu, Ihren Bußgeldbescheid doch einmal gründlich zu überprüfen.
Blitzer am Ortseingang von Reiste an der B 55
Denn in seinem Fall hat das Amtsgericht Meschede die Strafe in dem Bußgeldverfahren gegen ihn aufgehoben – weil, so das Gericht, „eine Ahndung nicht geboten erscheint“. Denn es gibt Zweifel daran, ob die Geschwindigkeitsmessung durch den Hochsauerlandkreis überhaupt rechtens war.
Alois Luttermann aus Cobbenrode kam an dem 12. Juni um 9.28 Uhr auf der B 55 aus Richtung Nichtinghausen – und wurde am Ortseingang von Reiste geblitzt.
Autofahrer kennen ja in der Regel die Stellen, wo sich die Blitzer postieren. Diese Stelle aber war für Luttermann neu: „Das gibt’s doch gar nicht“, sagte er noch zu seinem Beifahrer. Er war sich sicher, im Ort regelgerecht 50 km/h gefahren zu sein. Hinterher steht aber im Gebührenbescheid des Hochsauerlandkreises: Es waren 71 km/h! Die Rechnung dafür: 100 Euro für das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit innerorts um 21 km/h. Hinzu kommen 28,50 Euro für Gebühren und Auslagen, dazu ein Punkt in Flensburg.
Umgereimtheiten entdeckt
Luttermann ging der Sache nach. Er spricht von vielen „Ungereimtheiten“. So ist in der Datei zu seinem Fall die „Tatstraße“ mit der B 55 angegeben, aber mit einer Hausnummer, die seiner Erinnerung (und der seines Beifahrers) nicht mit der übereinstimmte, in der das Messfahrzeug des HSK stand. Angegeben ist in der Datei die Hausnummer 53 als Standort des Fahrzeugs: „Das ist eine Lüge.“
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Denn tatsächlich soll der Blitzer in Nummer 59 gestanden haben – und Nummer 59 liegt damit viel näher am Ortseingangsschild. Luttermann hat die Entfernungen dann selbst mit Bandmaß nachgemessen. Seine Schlussfolgerung: „Der Blitzvorgang hat komplett außerhalb des Ortsschildes stattgefunden.“
Die vorgeworfenen 71 km/h wären damit kein Verstoß gewesen – Luttermann wäre außerhalb von Reiste geblitzt worden, und das mit dem an dieser Stelle erlaubten Tempo.
In den Unterlagen fürs Gericht finden sich auch Fotos, die die angebliche Messstelle an dem Tag zeigen sollen: Tatsächlich aber, so Luttermann, seien das mehrere Jahre alte Fotos gewesen - darauf fehlt zum Beispiel ein Buswartehäuschen, das inzwischen an dieser Stelle steht.
1211 Fahrzeuge sind an dem Tag an der B 55 gemessen worden. Luttermann war nicht der einzige, der zu schnell gewesen sein soll: Es gab mit ihm insgesamt 104 Geschwindigkeitsüberschreitungen. „Da sind sicher auch viele Punkte in Flensburg vergeben worden. Ich denke, die Autofahrer sollten das wissen“, sagt Alois Luttermann.
Beim Hochsauerlandkreis will man den Fall derzeit nicht kommentieren. Sprecher Martin Reuther sagt auf Anfrage, der Beschluss des Amtsgerichtes sei im Kreishaus noch nicht bekannt. Die Behörde will den Fall prüfen.
>>>HINTERGRUND<<<
Der Hochsauerlandkreis hat täglich drei mobile Messfahrzeuge sowie ein Fahrzeug mit einem Leivtec-Messsystem auf derzeit ca. 300 Messstellen im Einsatz.
Die mobilen Messfahrzeuge sind jeweils mit einer Front- und Heckanlage ausgestattet. Das Leivtec-Messsystem kann an fast jedem Ort eingesetzt werden (entweder aus dem Fahrzeug heraus oder außerhalb auf einem Stativ).