Schmallenberg/Oberkirchen. Schmallenbergs Bürgermeister Burkhard König hat sich entschieden. Was ausschlaggebend war, was Anwohner und der ADAC dazu sagen.

Einfach sei die Entscheidung nicht gefallen, machte Bürgermeister Burkhard König deutlich. Am Ende musste sie aber gefällt werden: Die B 236 wird vom 1. April bis 1. November erneut an Wochenenden und Feiertagen für Motorradfahrer bergaufwärts gesperrt. Ein schwerer Schlag für die Anwohner im Lenne- und Sorpetal, die in der zurückliegenden Bezirksausschusssitzung noch appelliert hatten, die B 236 nicht erneut zu sperren. Die Motorradfahrer hätten sich in der Vergangenheit Ausweichstrecken gesucht, dort sei der Lärm inzwischen unerträglich geworden.

Bürgermeister König

„Wichtigstes Entscheidungskriterium war die von der Polizei vorgetragene Unfallstatistik“, begründet König die erneute Sperrung: „Die Polizei konnte belegen, dass sich in einem Zeitraum von zehn Jahren vor der Sperrung auf fraglicher Strecke insgesamt 50 Unfälle mit Motorrädern zugetragen haben, von denen 23 Unfälle schwerverletzte Motorradfahrer und sechs einen tödlichen Ausgang zur Folge hatten. Mit der Sperrung in den Jahren 2019 und 2020 ereigneten sich erheblich weniger schwere Unfälle, vor allen Dingen keine mit tödlichen Folgen.“

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Er wisse um den Ärger der Anwohner, doch das Argument der vermiedenen Unfälle sei stärker als das der Lärmbelästigung. Klar sei auch, dass die Sperrung mit einem dauerhaften Monitorin einhergehe, um eine verbesserte Datengrundlage für Entscheidungen in den kommenden Jahren zu erhalten.

Anwohner

Horst Böhle lebt in Ohlenbach und ist selber leidenschaftlicher Motorradfahrer: „Ich habe für diese Sperrung kein Verständnis.“ Die Lärmbelästigung habe in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, das Problem müsse auf alle Schultern bzw. Strecken verteilt werden: „Ich will die Motorradfahrer per se nicht verurteilen, sondern die schwarzen Schafe, die Rennfahrer. Von denen ist einer so laut wie zwanzig normale Fahrer.“

Es sei unerträglich geworden in den vergangenen Jahren. Aber Böhle sieht noch ein zweites Problem: „Die B 236 ist für Motorradfahrer eine relativ leichte, weil gut ausgebaute Strecke. Die Kurven sind gut einsehbar. Durch die Sperrung schickt man die Motorräder nun auf die wesentlich schwierigeren Strecken. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dort die Unfälle passieren.“

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Böhle vergleicht: „Wenn ich mir einen Aston Martin kaufe und mit 400 km/h auf der A 46 einen Unfall baue, dann wird die Autobahn doch auch nicht gesperrt.“ Nun erwartet Böhle die mit den Temperaturen steigende Lärmbelästigung: „Am Wochenende muss ich frühstücken, bevor das Ruhrgebiet kommt. Das ist sonst nicht auszuhalten.“ Er schlägt vor, ähnlich wie Feinstaubplaketten an Autos Lärm-Plaketten an Motorrädern einzuführen. Leise Fahrzeuge mit grüner, laute Fahrzeuge mit roter Plakette: „Und manche Strecken sind dann für Fahrzeuge mit roter Plakette eben gesperrt.“

Auch Dietmar Albers, Bezirksausschussvorsitzender und stellvertretender Bürgermeister, ist von dem Motorradlärm betroffen. Auch er kann die Sperrung nicht nachvollziehen, weil das Problem nur auf die Ausweichstrecken verlagert werde. Die Situation sei ihm seit Jahren ein Anliegen: „Und ich habe auch mit vielen Anwohnern zutun, die auf mich zukommen und sagen, dass etwas gegen den Lärm getan werden muss.“

ADAC

Dirk Krüger ist Bereichsleiter Technik und Verkehr beim ADAC. Er zeigt drei Handlungsspielräume beim Thema Motorradlärm auf. Der erste sei die allgemeine Gesetzeslage, wo es um Grenzwerte, Messverfahren und Bauweisen gehe. Es gebe etliche Motorräder, die so gebaut werden, dass die Werte bei den Zulassungsprüfungen genau passen. Im Verkehr werden die Werte aber wiederholt überschritten: „Es gibt Motorräder, die haben zum Beispiel Auspuffklappen. Die öffnen sich erst bei einer bestimmten Geschwindigkeit, sodass es dann noch einmal lauter wird.“

Die Gesetzeslage anzupassen und zu verschärfen sei aber ein langfristiger und langwieriger Weg, sagt Krüger: „Und nationale Alleingänge bringen da nicht viel, denn es gibt auch viele ausländische Motorradmarken.“ Gesetze müssten also EU-weit geschrieben werden: „Aber es gibt auch schon viele politische Initiativen, die sich dafür einsetzen.“

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Zweite Möglichkeit, um Herr über den Motorradlärm zu werden, seien verschärfte Kontrollen. Das Problem sei nur, dass Lärm wesentlich schwieriger zu messen sei als Geschwindigkeit: „Da müssen viele Randbedingungen passen.“ Und auch das Personal für solche Kontrollen müsste vorhanden sein.

Die dritte Möglichkeit sei Verkehrserziehung und Bewusstseinsbildung: „Das ist sicherlich der am schnellsten umsetzbare Weg. Aber klar ist auch, dass man damit nicht alle Motorradfahrer erreicht.“ Schilder und Plakate aufhängen, die Motorradfahrer direkt ansprechen, ihnen ins Gewissen reden.

Von Einschränkungen der Mobilität in Form von Extra-Bodenschwellen nimmt Krüger Abstand: „Wenn es zu Unfällen kommt, werden schnell Schadensersatzforderungen laut, deshalb sind die Straßenbaulastträger da eher zurückhaltend. Und nach ein paar Winterdiensten ist von den Schwellen auch nicht mehr viel übrig.“

Aber, stellt Krüger auch klar: „Nur auf die Sperrung zu setzen verlagert das Problem auf Ausweichstrecken.“ Als ADAC sei man in Gesprächen und Kampagnen-Planungen und wolle möglicherweise auch in Oberkirchen mit Aktionen dem Motorradlärm den Kampf ansagen, so Krüger. Konkretes könne er aber noch nicht sagen.

Die Polizei warnt

Klassisch beginnt rund um Ostern die Motorradsaison. Doch schon an den vergangenen warmen Tagen waren die ersten Biker auf den Straßen unterwegs. Viele Ausfahrten endeten in teils heftigen Unfällen.

Im vergangenen Jahr gab es 136 Motorradunfälle im HSK. Hierbei wurden 131 Menschen verletzt und fünf Motorradfahrer getötet. Bei dreiviertel der Unfälle waren die Motorradfahrer die Unfallverursacher. Die Ursache lag bei jedem dritten Unfall an zu hoher Geschwindigkeit.

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Viele Menschen kommen aus den umliegenden Kreisen, dem Ruhrgebiet oder den Benelux-Staaten um auf den beliebten Motorradstrecken zu fahren. Das spiegelt sich bei den Unfällen wieder. Dreiviertel der verunglückten Motorradfahrer kommen nicht aus dem HSK.

Viele unterschätzen die lange Anreise oder die anspruchsvollen Strecken. Für Motorradfahrer ist es überlebenswichtig die eigene Geschwindigkeit und die Maschine richtig einschätzen zu können.

Zudem warnt die Polizei vor verschmutzten Fahrbahnen aufgrund von Holzrückarbeiten in den Wäldern.