Oberkirchen/Westfeld/Sorpetal. Anwohner im Lennetal sind sauer. Seit der B 236-Sperrung sei der Motorradlärm an den Ausweichstrecken unerträglich. Jetzt entscheidet die Stadt.
Noch ist es ruhig im oberen Lennetal. Dass das aber nicht mehr lange so sein wird, wissen alle. Denn in den kommenden Wochen, wenn auch langsam wieder die Temperaturen steigen, startet die Motorradsaison. Und das Lennetal wird wieder zum Mekka für viele Zweiradfans.
In der vergangenen Bezirksausschusssitzung machten die Anwohner deshalb ihrem Frust Luft. Ihre Forderung: Die B 236 in Richtung Albrechtsplatz nicht erneut für Motorradfahrer zu sperren. Denn in den vergangenen beiden Jahren der Sperrung hätten sich die Zweiradfahrer benachbarte Ausweichstrecken gesucht und mit ihrer Fahrweise und Geräuschkulisse die Anwohner dort nahezu tyrannisiert. Das Lärmproblem habe sich quasi nur verschoben. Doch die Situation ist verzwickt, wie auch Bürgermeister Burkhard König, der auch selber Anwohner ist, zugeben musste.
Erstmals Sperrung im Juli 2019
Im Juli 2019 wurde die B 236 in Richtung Albrechtsplatz zum ersten Mal an Wochenenden und Feiertagen für Motorradfahrer gesperrt. Grund war, dass sich unter anderem Anwohner aus Oberkirchen über den heftigen Motorradlärm an der Strecke beschwert hatten. In Gruppen nutzten die Zweirad-Raser die kurvenreiche B 236 in Richtung Albrechtsplatz als Rennstrecke, drehten am Albrechtsplatz und fuhren wieder hinunter, filmten sich teilweise dabei und stoppten Streckenzeiten. Auch eine Reihe von Unfällen floss in das Votum für eine Sperrung ein.
In 2020 wurde die Sperrung wiederholt, damals schon im April. Bernhard Halbe, seinerzeit Bürgermeister, sagte, man habe mit der Sperrung in 2019 sein Ziel erreicht, die Unfallzahlen auf der B 236 seien deutlich gesunken. Und auch die Lärmbelästigung sei dort gesunken, „ohne dass es an anderer Stelle untragbar geworden ist“, so Halbe im Januar 2020.
Tendenz im November 2020: Wieder sperren
Im November 2020 bilanzierten Ordnungsamt, Polizei und Straßen NRW die zurückliegende Motorradsaison. Die Tendenz damals lief auf eine erneute Sperrung hinaus, vor wenigen Wochen setzten sich Stadt, Polizei und Straßen NRW erneut zur Beratung zusammen. Polizei und Straßen NRW sprachen sich für eine Sperrung aus.
Das wollen die Anwohner verhindern. Hubertus Dohle aus Oberkirchen macht deutlich: „Damals wurde eine Entscheidung getroffen, die falsch ist. Die Situation hat sich verlagert, der Krach ist unerträglich.“ Er habe im vergangenen Jahr an manchen Wochenenden rund 2000 Motorräder gezählt, die statt der B 236 die Lennestraße in Richtung Westfeld als Alternative genutzt hätten, sagt er: Aufheulende Motoren im Minutentakt. Schmallenberg sei Wanderregion, habe viele Luftkurorte. Da würde ein solcher Motorradlärm nicht hineinpassen.
Stephanie Böhle aus Ohlenbach ergänzte: „Der Lärm geht uns alle an, also müssen wir auch alle das Problem tragen. Die B 236 sollte nicht erneut gesperrt werden.“ Hinzukämen noch Geschwindigkeitsüberschreitungen und Probleme mit dem Lkw-Verkehr. Das sei aber noch ein ganz anderes Thema. „Es drängt“, fasste Ausschussvorsitzender Dr. Matthias Schütte (CDU) zusammen.
Dilemma für die Stadtverwaltung
Doch die Entscheidung liegt letztendlich bei der Stadtverwaltung und Bürgermeister König. Das Dilemma: Die B 236 öffnen, den Motorradlärm so auf mehrere Strecken verteilen, dafür möglicherweise steigende Unfallzahlen riskieren? Oder die Strecke weiterhin schließen und die Motorradfahrer wie bisher durch das Sorpetal, Inderlenne, Nordenau und Westfeld schicken? Anwohner-Wut inbegriffen.
Dietmar Albers (CDU), gemeinsam mit Schütte Ausschussvorsitzender, setzte sich ebenfalls für eine Öffnung der B 236 ein: „Das ist keine Unfallstrecke. Natürlich ist jeder Verletzte und Tote einer zu viel, aber man kann nicht alle Kurorte vernachlässigen, um acht oder zehn Häuser an der B 236 vorm Lärm zu schützen.“ Der Alternativvorschlag, die B 236 von oben nach unten statt wie bisher von unten nach oben zu sperren, mache wenig Sinn, hieß es im Ausschuss. Dann wäre die Strecke bis Bad Berleburg frei, für Motorradfahrer dadurch noch attraktiver.
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Klar sei aber auch, wenn geöffnet werde, müsse verschärft kontrolliert werden. Gegen Geschwindigkeitsüberschreitungen könne man etwas tun, gegen den Lärm nur wenig. Denn dabei geht es um Tuning und Bauweisen von Motorrädern, das regelt der Bund bzw. die EU. Man müsse also versuchen, das Sauerland für die „Motorrad-Rennfahrer“ unattraktiv zu machen, Zweiradfahrer mit gewöhnlichen Maschinen und Fahrweisen seien weiterhin willkommen. Ob die B 236 nun gesperrt wird, bleibt noch offen. Doch Zeit und Anwohner drängen auf eine Entscheidung.
Sorpetal ab Mai wieder frei
Dem Ärger der Anwohner aus Westfeld, Oberkirchen, Nordenau und Co. werden sich vermutlich in diesem Sommer auch die Anwohner des Sorpetals anschließen. Denn die L 742 wird vermutlich noch im Mai für den Verkehr wieder freigegeben: Traumhaft ausgebaut, kurvenreich mit bestem Asphalt. Ideal für Motorradfahrer.
Messungen der Stadt
Die Stadt führte im vergangenen Jahr zweimal Verkehrsmessungen am Standort L 640/Lennestraße (außerhalb von Oberkirchen) durch. Die Geschwindigkeiten seien weitestgehend im Rahmen der erlaubten 70 bzw. 100 km/h geblieben.
In den Messzeiträumen 8. bis 20. Juli und 25. August bis 9. September habe das durchschnittliche Verkehrsaufkommen pro Tag bei 4162 Fahrzeugen gelegen. 131 davon waren Zweiräder.
Die meisten Zweiräder (371) wurden an einem Samstag gemessen. Am darauffolgenden Sonntag waren es 260.
CDU lädt zu Fachdiskussion ein
Der CDU Ortsverband Oberkirchen lädt für Mittwoch, 24. März, zu einer Online-Fachdiskussion mit dem Europaabgeordneten Dr. Peter Liese und Bundestagsmitglied Prof. Patrick Sensburg ein. Thema wird der Motorradlärm und der faire Interessenausgleich aller Beteiligten sein. Eine formlose Anmeldung zur Diskussion ist für alle Interessierten über cdu-oberkirchen@t-online.de bis 22. März möglich, so der Ortsverbandsvorsitzende Andreas Schulte.