Wyk/Meschede. Meschedes früherer Bürgermeister Uli Hess, ist jetzt Bürgermeister auf der Nordsee-Insel Föhr. Im Interview spricht er über Urlaub und Corona.

Man möchte so gerne wegfahren: Wann ist ein Besuch an der Nordsee wieder möglich? Ein Anruf bei Meschedes ehemaligem Bürgermeister Uli Hess: Er ist inzwischen Bürgermeister der Inselhauptstadt Wyk auf Föhr. Der 66-Jährige freut sich: Der erste Impfstoff ist gerade im Moment mit der Fähre angekommen.

„Es kommt zu einer Ungleichbehandlung“

Wann dürfen die Mescheder wieder nach Föhr kommen?

Uli Hess: Wenn sie hier ein Zweithaus oder eine Zweitwohnung haben, dürfen sie jederzeit kommen! Wir haben nach wie vor ein Tourismus- und Reiseverbot. Zu kommerziellen Zwecken darf deshalb kein Hotel geöffnet sein, Ferienhäuser oder -wohnungen dürfen nicht vermietet werden.

Uli Hess war 16 Jahre lang Bürgermeister in Meschede. Heute lebt er auf Föhr und ist Bürgermeister des Hauptortes Wyk.
Uli Hess war 16 Jahre lang Bürgermeister in Meschede. Heute lebt er auf Föhr und ist Bürgermeister des Hauptortes Wyk. © Privat

Hat man aber einen Zweitwohnsitz hier, wie zum Beispiel etliche Hamburger, dann darf man selbstverständlich kommen. Und der Eigentümer darf Freunden auch seinen Schlüssel geben – er darf dafür aber kein Geld nehmen! Das ist dann durchaus eine Umgehung des aktuellen Beherbergungsverbotes, aber hier hat das Land Schleswig-Holstein nun einmal so entschieden. Hier sieht man also viele Autos mit Hamburger Kennzeichen: Das ist aber legal!

Unter der Hand könnte man auch Geld für seine Zweitwohnung verlangen…

Wenn man seinen Freund unterstützen möchte, und legt ihm ein Trinkgeld auf den Tisch… – nun ja, wo kein Kläger, da kein Richter!

Das führt doch zu Unmut, oder?

Sie sagen es! Das treibt viele Insulaner um, ob bei uns oder auch auf der Insel Amrum: Es kommt zu einer Ungleichbehandlung. Viele Insulaner, die eben auch Ferienwohnungen oder Ferienhäuser haben und diese an Gäste vermieten, sind schon ein wenig enttäuscht, dass es zu solchen Unterschieden kommt.

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Kontrollen sind nicht möglich

Steht der Bürgermeister selbst am Anlegekai der Fähre und kontrolliert?

Nein! Wir wollen doch alle Urlauber- und Tagesgäste, die unsere wunderschöne Insel besuchen möchten, irgendwann auch wiedersehen. Der Tourismus hat für uns eine enorme Bedeutung. Ich verweise immer auf die juristischen Vorgaben: Die lassen diese Unterschiede nun einmal zu.

Letztes Jahr gab es zeitweise ein wenig Hysterie unter den Insulanern: Da wurde sehr darauf geachtet, welche Kennzeichen die Autos hier haben. Aber das spielt ja in einer modernen Welt keine Rolle mehr!

Menschenleer aktuell: Auch für Föhr gilt das Tourismus- und Reiseverbot.
Menschenleer aktuell: Auch für Föhr gilt das Tourismus- und Reiseverbot. © Privat

Wenn Sie als Sauerländer bei einem Umzug auf die Insel Föhr Ihr Auto ordnungsgemäß ummelden, haben Sie weiterhin die Möglichkeit, Ihr altes HSK-Kennzeichen zu behalten. Sie sind also nicht verpflichtet, unser Nordfriesland-Kennzeichen zu führen.

Über das Nummernschild kann man also nicht darauf schließen: Ist das jetzt ein Einheimischer, oder jemand mit Zweitwohnsitz – oder ist es ein Feriengast? Solche Kontrollen können wir nicht durchführen! Es gibt weder auf der Fähre, noch am Hafen eine Kontrolle. Wer erwischt wird, der muss mit Strafen rechnen. Der Kreis Nordfriesland hat durchaus schon einiges an Bußgeldern eingenommen.

Wann kann der Mescheder Ihre Insel besuchen, der dort kein Haus und keine Wohnung hat?

Wir warten sehnsüchtig auf Lösungen. Der jetzige Lockdown gilt bis zum 28. März. Unser Ministerpräsident Daniel Günther hat ja schon öffentlich die Frage aufgeworfen, was gegen eine Beherbergung über die Osterferien spricht. Damit wurde sehr viel Hoffnung geweckt.

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Aktuell: Ein einziger Infektionsfall

Teilen Sie denn diese Hoffnung?

Nein, aktuell nicht. In einigen Gebieten sind Inzidenzwerte sehr viel höher als das, was als Schwellenwert erhofft wird. Wir haben hier auf der Insel aktuell einen einzigen Infektionsfall und 38 Personen in Quarantäne. Von März letzten Jahres bis heute kommen wir gerade auf 30 Infizierte, aber natürlich waren erheblich mehr Menschen in Quarantäne. Das ist sind nicht gerade nennenswerte Zahlen für die Insel, aber im Kreisgebiet hatten wir ganz andere Infektionszahlen: Da brauchte nur der Schlachthof in Husum mit über 200 Mitarbeitern plötzlich auffällig werden. Flensburg ist auch ein Hotspot – das bereitet natürlich Probleme, wenn man an die Ein- und Auspendler denkt.


Was wäre also Ihr Rat?

Ich würde raten, noch etwas abzuwarten: Es stellt sich doch die Frage, ob wir es uns wirklich jetzt schon wieder leisten können, den wieder klassischen Tourismus hochzufahren oder ob es nicht besser wäre, erst einmal das Impfen zu berücksichtigen? Ich bin fürs Abwarten. Heute ist mit der Fähre auch das erste Impfserum bei uns angekommen: Heute werden die Pflegekräfte und das medizinische Personal geimpft, dann werden weitere Impfungen entsprechend der Impfreihenfolge erfolgen. Je mehr Geimpfte, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns nicht mehr anstecken.

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Eine Unruhe macht sich breit

Wie haben die Menschen auf Föhr die Krise bisher verkraftet?

Es war nicht so schlimm wie befürchtet. Wir haben Glück gehabt, da wir eine sehr gute Urlaubssaison im letzten Jahr hatten. Ab Pfingsten ging es wieder aufwärts mit unseren Besucherzahlen. Die guten Zahlen haben sich bis Ende September durchgezogen. Aber trotzdem: Es wächst eine gewisse Unzufriedenheit, eine Unruhe macht sich breit. Experten sagen ja, in einer Gesellschaft wie unserer könnte man diese Corona-Einschränkungen nur acht Wochen durchhalten, aber wir machen das ja schon ein Jahr durch! Ein Detail: Mein Hausarzt sagte mir, ihm sei aufgefallen, dass der Anteil von Patienten mit Gürtelrose zugenommen habe – das hat etwas mit Nerven zu tun.


Mussten schon Läden schließen?

Das stelle ich bisher nicht fest. Ich wünsche es jedem, dass die Geschäfte wieder aufgemacht werden können. Es gibt immer Aussagen: „Morgen ist für mich das Ende erreicht“. Das ist aber noch nicht eingetreten. Man muss aber auch relativieren. Bei einigen Unternehmen war die wirtschaftliche Lage auch schon vor Corona dünn.

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Kontakte nur per Video? „Kein Dauerzustand!“

Wie erleben Sie selbst diese Zeit? Sind Sie es auch leid?

Ich würde gerne wieder Leute treffen. Es wäre toll, wenn unsere Freunde zu Besuch kommen könnten. Im letzten Jahr haben wir uns nur auf Abstand treffen können. Essen gehen ging nur auf Anmeldung, Spontaneität ist nicht gefragt. Das würde ich mir schon gerne wieder anders wünschen. Und Kontakte nur per Video? Das ist doch kein Dauerzustand! Auch im politischen Raum merke ich: Da wächst auch die Unruhe, da muss die Beteiligung her, da muss der Informationsfluss stimmen, da müssen wieder Bürgerversammlungen gemacht werden können – das gehört alles zur kommunalen Selbstverwaltung dazu. Wir starten jetzt wieder mit unseren Sitzungen.


Waren Sie zuletzt wieder in Meschede?

Klar. Ich stelle fest, wie sich alles wieder ein Stück weiter verändert hat. Da kommen positive Erinnerungen auf an all die Dinge, die ich selber mitinitiiert habe. Aber es war weniger los in der Fußgängerzone. Das ist die Normalität: Hier ist es auch so. Man gewöhnt sich ein Stückweit daran: Das ist auch eine gewisse Gefahr. Wird man wirklich wieder ohne Mundschutz ausgehen können, nimmt man sich wieder in den Arm, wird man wieder in ein Fußballstadion mit 80.000 Zuschauern gehen können?

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Mir ist aufgefallen, ich habe seit einem Jahr niemandem mehr die Hand geschüttelt…

Das ist hier auf der Insel nicht ganz so schlimm! Man gibt sich sowieso nicht die Hand! Daran musste ich mich auch erst gewöhnen: Nach dem Motto, man trifft sich hier sowieso zweimal am Tag - dann muss man sich auch nicht die Hand geben! (lacht)

>>>HINTERGRUND<<<

2018 ist Uli Hess zum ehrenamtlichen Bürgermeister in Wyk gewählt worden. CDU-Mitglied Hess gehört in Husum auch dem Kreistag Nordfriesland an und ist erster stellvertretender Landrat.

16 Jahre, bis 2015, war Hess hauptamtlicher Bürgermeister in Meschede. 2016 verlegte er seinen Wohnsitz nach Wyk – auf Föhr hatte er früher schon seine Urlaube verbracht.