Schmallenberg/Sauerland. Mit der Kampagne #aufstehengastgeber machen heimische Betriebe auf die Lage im Tourismus aufmerksam. Eine Pleitewelle wird befürchtet.
Es geht jetzt um Existenzen, macht Elke Stahlmecke ungeschönt klar. Nicht mehr und nicht weniger, die Lage ist ernst. Stahlmecke begleitet die Initiative #aufstehengastgeber. Gastronomen und Hoteliers aus Schmallenberg und dem Sauerland fordern eine Perspektive für ihre Betriebe, wollen bei der kommenden Ministerpräsidentenkonferenz am 22. März endlich Gehör finden. Denn so wie bisher könne es nicht weitergehen.
Frau Stahlmecke, sie koordinieren nicht nur die Hotelkooperation „Die Sterne im Sauerland“, sondern begleiten nun auch die Initiative #aufstehengastgeber. Was steckt dahinter?
Elke Stahlmecke: Bereits im ersten Lockdown hat es eine Initiative gegeben. Damals haben wir für Gastgeber wöchentlich Corona-Meetings angeboten, haben über die Situation gesprochen und uns gegenseitig beraten. Wer hat Erfahrungen mit Kurzarbeit, wer hat Kontakt mit Versicherungen usw. Jetzt im zweiten Lockdown finden die Treffen nicht mehr so regelmäßig statt. Jetzt geht es häufig darum, dass die Sorgen und Nöte nicht gehört, nicht ernst genommen werden. Wir sind immer 20 bis 30 Teilnehmende. Im Meeting nach der letzten Ministerpräsidentenkonferenz waren alle ziemlich fassungslos. Dass die Branche in der Pressekonferenz noch nicht einmal erwähnt wurde, war für viele wie ein Schlag ins Gesicht.
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Da wurde klar, dass es so nicht weitergehen kann...
Genau. Wir müssen noch einmal trommeln und auf uns aufmerksam machen. Unsere Branchen- und Tourismusverbände machen einen tollen Job, sind nah dran und sprechen mit den Politikern. Und trotzdem tut sich nichts, weshalb wir nun von der Basis, von den Betrieben aus direkt Druck machen wollen. Wir wollen die Politiker mit Briefen von Gastgebern „überfluten“ und optisch verdeutlichen, für wen sich unsere Verbände einsetzen und was unsere Forderungen sind.
Was sind denn die direkten Forderungen der Initiative?
In erster Linie muss eine Eröffnungsperspektive geschaffen werden. Wobei natürlich alle Gastgeber Realisten sind. Wir wissen, dass es bei aktuell steigenden Zahlen schwierig wird. Andererseits haben wir ausgezeichnete Hygienekonzepte. Das RKI hat bestätigt, dass so gut wie keine Infektionen in Hotels und Restaurants gemeldet wurden. Aber wenn wir nicht öffnen können, dann muss es Entschädigungen geben. Hilfen sind gut, wie Kurzarbeitergeld oder Überbrückungshilfen, auch wenn sie zeitverzögert kommen. Aber das reicht nicht. Die Gastgeber gehen an ihr Eigenkapital, was eigentlich für Investitionen, für Renovierungen, für die Zukunft gedacht ist. Es kann doch nicht richtig sein, dass durch die Entscheidungen, die von der Regierung getroffen werden, Unternehmen durch die Pandemie finanziell geschwächt in die Zukunft gehen.
Wie sollen die Entschädigungen denn aussehen?
Uns ist es wichtig, dass man auf die individuelle Betroffenheit schaut. Auf der einen Seite sind da natürlich die Fixkosten, aber es gibt ja auch den entgangenen Gewinn. Niemand macht Umsatz, da muss es einen Ausgleich geben.
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Dass nun nicht mehr nur von Hilfen, sondern von Entschädigungen gesprochen wird, zeigt die Brisanz der Lage. Entgegen dem ersten Lockdown investiert und renoviert jetzt nicht mehr jeder.
Richtig. Und die Pleitewelle wird kommen. Momentan ist die Meldepflicht von Insolvenzen ausgesetzt. Wird die wieder aktiviert, dann wird man auch die Konsequenzen sehen.
Anfangs wurde davon geredet, dass die großen Hotels, auch „Die Sterne im Sauerland“, eine solche Lage besser wegstecken. Ist das so? Und wie ist die Situation jetzt?
Die Größe relativiert sich in dieser Situation. Die meisten Betriebe, die ich hier im Sauerland kennengelernt habe, werden seit Generationen von den Eigentümerfamilien geführt. Es sind gesunde Unternehmen. Aber auch bei denen geht es nach so einer langen Zeit an die Substanz, egal wie groß oder klein. Ihnen allen fehlen die Einnahmen. Jeder Betrieb hat Existenzsorgen. Jeder.
Was bedeutet die Lage für die Region? Hier lebt man vom Tourismus.
Es sind ja nicht nur die Beherbergungsbetriebe und Gastronomen betroffen, das geht noch viel weiter. Da kommen die Zulieferer wie lokale Metzgereien hinzu und die Einzelhändler, die von den Gästen profitieren. Ein anderes Beispiel: Zwei Jugendliche mit einer Wachtelfarm. Hochmotiviert haben sie ihre Farm gepflegt und die Hotels und Restaurants beliefert, aber da es keine Abnehmer mehr gab, gibt es auch keine Wachtelfarm mehr. Die Vielfalt geht verloren.
Was erhoffen Sie sich jetzt von der Initiative?
Wir wollen eine konkrete Perspektive. Und wenn zum Beispiel gesagt wird, Hotels eröffnen zum 1. Mai und solange wird entschädigt, dann ist das in Ordnung, dann ist das eine Aussage. Es ist schwer auszuhalten, wenn man als ganze Branche nur „unter ferner liefen“ betrachtet wird. Und es braucht auch einen Vorlauf.
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Weil man nicht von Null auf Hundert öffnen kann.
Richtig. Mitarbeiter müssen zurückgeholt werden, Schwimmbäder gefüllt, Küchen hochgefahren. Das ist ein Prozess, für den braucht es Zeit. Und es macht auch keinen Sinn, zu Ostern zu öffnen und dann drei Wochen später wieder zu schließen. Es müssen endlich Konzepte her, die sich an allen für die Beherrschung der Pandemie bedeutenden Kennzahlen orientieren, und nicht nur an der 7-Tages-Inzidenz.
Viele dieser Mitarbeiter haben sich schon neu orientiert und sind in anderen Branchen untergekommen. Was sind die Folgen des Lockdowns für den Tourismus, die jetzt schon irreparabel sind?
Klar ist, das Image der Branche als Arbeitgeber ist enorm geschwächt. Mitarbeiter haben Angst und wissen nicht, wie es weitergeht und andere Branchen suchen Kräfte aus der Dienstleistungsbranche. Zu befürchten ist außerdem, dass sich weniger junge Menschen für eine Ausbildung im Hotel oder Restaurant bewerben werden. Und was sich negativ auswirken wird, ist das neue Infektionsschutzgesetz, in dem Betriebsschließungen aufgrund einer Pandemie als Maßnahme nun festgeschrieben wurden. Wenn demnächst ein Hotelier bei der Bank nach einer Finanzierung fragt, wird die Bank ganz genau hinschauen. Denn das Risiko ist jetzt viel höher, die Konditionen werden steigen. Viele Herausforderungen, die zusätzlich zu meistern sind.
Teilnehmer:
Unter anderen unterstützen die Betriebe der „Sterne im Sauerland“, die Kinderlandbetriebe oder das Bergdorf Liebesgrün die Aktion. Auch einige Gastronomen haben sich angeschlossen.
Die Teilnehmer sind nicht nur aus Schmallenberg, sondern aus dem ganzen Sauerland.
Stahlmecke: „Das funktioniert wie ein Schneeballsystem, es werden immer mehr.“Weitere Informationen, auch zur Teilnahme, unter https://www.aufstehen-gastgeber.de