Nuttlar. „Man darf jetzt nicht früh die Flinte ins Korn werfen“, rät der Brudermeister der Schützen in Nuttlar. Deshalb plant er das nächste Schützenfest.

Was wird aus der Veranstaltungssaison 2021? Eine der ersten Bruderschaften, die mit ihrem Schützenfest zeitlich früh an der Reihe wäre, sind die St.-Anna-Schützen in Nuttlar. Brudermeister Ernst Voß rät dazu, optimistisch zu sein: „Man darf jetzt nicht früh die Flinte ins Korn werfen und alles absagen. Ich befürchte, dass Politiker dann irgendwann sagen: Ihr habt euch ja eh schon darauf eingestellt!“ Die Nuttlarer Schützen planen deshalb weiter für ihr Fest.

Wie ist Ihr Ausblick für die kommenden Monate?

Ernst Voß: Selbstverständlich wird der Schutz der Gesundheit auch von uns in den Vordergrund gestellt. Wir wissen um die Gefahren des Virus und haben auch Verständnis für eine Vielzahl der getroffenen Maßnahmen. Allerdings sehe ich persönlich auch, um es mit den Worten des Tübinger Oberbürgermeisters Palmer zu sagen, die potenziellen „Schäden der Gegenmaßnahmen“. Wirtschaftlich kann ich für die Nuttlarer Schützen sagen, sind die Auswirkungen aktuell überschaubar, es sind Einschnitte, aber dank der installierten Photovoltaikanlage auf der Schützenhalle sind die wesentlichen Kostenblöcke abgedeckt.

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Zur Not ein Fest in der „Light-Version“

Sie planen auch, Ihr Schützenfest zu feiern. Wie plant man in der Corona-Zeit dafür?

Wir sind im 145. Jahr unserer Bruderschaft und würden am 1. Mai ein Kaiserschießen auf unserer Anlage „Stukenland“ durchführen wollen. Dieses Kaiserschießen mit Festzug war ohnehin als komplette Freiluftveranstaltung einschließlich der Proklamationen geplant. An dieser Planung hat sich grundsätzlich nichts verändert, etwaige Hygienekonzepte oder Vorgaben könnten wir hoffentlich einbinden. Am darauffolgenden Wochenende des 8. Mai wäre unser eigentliches Schützenfest.

Sollten dann vorliegende Einschränkungen in Kurzform Theke, Tische, Tanz verhindern, so könnten wir uns auch hier eine „Light-Version“ als komplette Freiluftveranstaltung vorstellen. Hierzu wären Festgottesdienste unter freiem Himmel, Zapfenstreich im Schatten der Kirche oder im Dorfpark, Blasmusik und Festzüge mit Vorbeimarsch vorstellbar. Der Höhepunkt mit dem Vogelschießen und der Ermittlung der Majestäten könnte dann wieder an der Schießanlage und ebenfalls vollständig im Freien stattfinden. Unsere Idealvorstellung ist das nicht, aber gemäß einstimmigem Vorstandsbeschluss wollen wir längstmöglich an einer wenn auch eingeschränkten Durchführung unseres Schützenfestes festhalten.

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Sie wollen auch das Gemeindeschützenfest Anfang September ausrichten. Was wird daraus? Planen Sie dafür?

Ja! Die Brudermeister der Gemeinde Bestwig und Volker Nölke als Gemeindevertreter im Vorstand des Kreisschützenbundes werden am Donnerstag eine Videokonferenz haben. Dabei sprechen wir darüber, wie wir mit der Schützensaison umgehen. Ich gehe davon aus, dass wir längstmöglich an irgendeiner Form des Schützenfestes festhalten. Wir planen, dass Gemeindeschützenfest sogar noch einen Tag länger auszurichten – also drei statt zwei Tage, um einfach, ich sage mal, den Schützenfestdurst oder Schützenfesthunger zu stillen!

„Eine deutlich gestiegene Gereiztheit“

Welche Probleme sehen Sie aktuell im ehrenamtlichen Engagement?

Ich nehme bewusst eine deutlich gestiegene Gereiztheit in meinem Umfeld wahr. Die Leute sind genervt von dem aktuellen Zustand, die Akzeptanz für manche Maßnahmen, wenn sie überhaupt gegeben war, nimmt ab. Als Schützenverein haben wir die Aufgabe, gemäß der Leitworte „Glaube, Sitte, Heimat“ Traditionen zu bewahren, für Zusammenhalt im Ort zu sorgen, Ablenkung zu bieten von täglichen Problemen. Das fällt aktuell nahezu komplett aus. Wir können zurzeit weder der Vereinsamung vorbeugen, oder auch nur im Ansatz irgendwelche den Zusammenhalt fördernden Maßnahmen vorantreiben. Es ärgert mich, wenn aktuell ausschließlich Schließungen, Sperrungen und Verbote thematisiert werden, die sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich noch ungeahnte Konsequenzen haben werden.

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Was bereitet Ihnen die größte Sorge?

Als Brudermeister und als jemand, der auch im Sportverein und in der Feuerwehr aktiv ist, stelle ich fest: Das Ehrenamt im Allgemeinen leidet ungemein! Unter der Gemeinschaft versteht man ja nicht nur die gesellige Stunde, sondern auch, dass man sich aufeinander verlassen kann. Alles spricht über Solidarität: Aber heute ist ja alles auf einen ganz engen Personenkreis begrenzt. Das ist sehr limitiert. Zu unserem letzten Schützenfest hatten wir angefragt, ob wir wenigstens einen Arbeitseinsatz in der Schützenhalle machen könnten, um dabei – unter Abstand und Hygieneregeln – so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen.

Von behördlicher Seite wurde uns aber kein Arbeitseinsatz genehmigt. Aber wir durften eine Vorstandssitzung abhalten, wo wir dann auf Abstand alle zusammensaßen. Da frage ich mich: Wo ist der Sinn bei diesen Vorgaben? Meine ganz große Befürchtung ist: Wenn sich die Leute daran gewöhnen würden, dass sie zwei Jahre zum Beispiel ohne Schützenfest oder eine andere Veranstaltung ausgekommen sind, dann sehe ich die Gefahr, dass viele Mitbürger sich denken „ach ja, ohne den Verein oder die Tradition bin ich ja auch gut klargekommen, das brauche ich auch in Zukunft nicht“. Das ist existenzbedrohend für Kultur, Gastronomie, Tourismus, es kann auch existenzbedrohend für Schützenvereine und Sportvereine sein, vielleicht sogar auch für die Kirchen.

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„Wir sind im Alarmismus unterwegs“

Was wäre Ihr Wunsch?

In den Lockdown-Vorgaben habe ich immer die Begründung herausgehört, dass die Restriktionen alle aufrecht erhalten werden, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Das Gesundheitssystem sollte dadurch nicht mehr überlastet werden, wenn die Risikogruppen durchgeimpft sind. Das ist ja absehbar für den April. Dann hoffe ich, dass wir sehr, sehr schnell zur Normalität zurückkehren. Es kann ja einen sanften Übergang geben. Selbst wenn wir unser Schützenfest als Freiluftveranstaltung feiern sollten: Man würde dadurch wieder Optimismus und Lebensfreude versprühen, die ich vollständig vermisse. Wir sind stattdessen im Alarmismus unterwegs. Parteipolitiker jeder Farbe schaukeln sich da gegenseitig hoch. Das regt mich auf! Da gehe ich emotional an die Decke.

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