Meschede. Zweiter Prozess um den Toten im Maisfeld bei Meschede: Angeklagter liefert einen dritten Verdächtigen - und spricht von Drohungen in Polen.

Wer lügt hier? War es der Mann, der zuletzt mangels Beweisen freigesprochen wurde? Oder ist es der neue Angeklagte, der sich nun auch unschuldig gibt? Im Fall des Toten im Maisfeld von Schüren kommt ein schwieriger Prozess auf das Landgericht Arnsberg zu. Plötzlich rückt auch ein dritter möglicher Mittäter ins Blickfeld.

Die einzigen sicheren Fakten: Im August 2019 ist in einer Unterkunft osteuropäischer Bauarbeiter in Meschede-Voßwinkel ein 45 Jahre alter Mann aus der Ukraine bei einem Streit erschlagen worden. Seine Leiche war bei Schüren versteckt und Anfang September verwest von einem Jäger zufällig entdeckt worden.

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Jetzt hat vor der Vierten Großen Strafkammer am Landgericht Arnsberg bereits der zweite Prozess im Fall begonnen. Im ersten war ein 38 Jahre alter Pole freigesprochen worden. Er hatte wiederum einen 29-jährigen Polen beschuldigt, den Ukrainer getötet zu haben.

Drei Flaschen Wodka, Fische aus See

Der 29-Jährige ist in Polen verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert worden. Staatsanwalt Klaus Neulken wirft ihm gemeinschaftlichen Totschlag vor, begangen gemeinsam mit dem freigesprochenen 38-Jährigen. Zum Prozessauftakt am Donnerstag bestritt der 29-Jährige, den Ukrainer getötet zu haben: Er sei an dem Streit, der dann tödlich endete, gar nicht beteiligt gewesen.

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Der Tag, der im August so schrecklich endete, begann harmlos. Das ist die Version des Angeklagten: Der 29-Jährige war in Meschede einkaufen und brachte drei Flaschen Wodka mit – darauf hätten die anderen in dem Haus in Voßwinkel dann schon gewartet, sagte er. Der 29-Jährige bereitete für alle das Essen zu, es gab Fisch, denn er angelte gerne im Hennesee.

Man habe viel gelacht, bis der Alkoholpegel offenbar bei dem 38-Jährigen anstieg: „Er hat angefangen, mit dem Ukrainer zu streiten. Da hat sich die Stimmung verändert.“ Der 29-Jährige will dann abends hinauf in sein Zimmer gegangen sein, unten habe er weiter Streit gehört: „Ich bin vor Streit immer geflüchtet.“

„Im Flur war viel Blut, überall“

Am nächsten Morgen sei er dann unten vom Anblick von Blut überrascht worden: „Im Flur war viel Blut, überall – an den Wänden, auf dem Boden. Es sah aus, als ob wirklich was Schlimmes passiert war.“ Die Glastür zum Zimmer des Ukrainers war zerschlagen.

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Ihm sei gesagt worden, der Ukrainer habe sich daran an der Hand verletzt, danach sei er verschwunden: „Es war komisch, dass so viel Blut aus einer Hand kommen sollte“, räumte er vor Gericht ein. Weiter nachgefragt hatte er aber nicht: „Ich wusste nicht mal, was ich denken sollte.“ Er half beim Säubern, der 38-jährige frühere Angeklagte überstrich schon die blutverschmierte Decke.

Angst im Haus der Bauarbeiter

Der 29-Jährige sagte, er sei wegen der Arbeit nach Deutschland gekommen: „Mit einem legalen Job kann man in Polen seine Familie nicht versorgen.“ Er zog als letzter in das Haus in Voßwinkel ein und sagte, er habe den Ukrainer gemocht: „Er war sehr höflich, er war nicht zum Streit fähig.“ Aber er schilderte den Alltag unter Bewohnern in einem Haus, wo es offenbar Konflikte gab: Die polnischen Mitbewohner hätten immer Alkohol getrunken, der 38-Jährige hätte auch Kokain und Amphetamine genommen (was der im ersten Prozess bestritten hatte).

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Dass der Ukrainer plötzlich verschwunden wäre, war für ihn nicht ausgeschlossen: Schon früher seien polnische Bauarbeiter ebenso plötzlich fort gewesen. Den Ton in dem Haus habe ein anderer Pole angegeben: „Er hatte die Macht. Er hatte das meiste zu sagen. Ich hatte Angst vor ihm.“ Dieser Pole sei wiederum mit dem 38-Jährigen befreundet gewesen.

Ein neuer Verdächtiger?

Nach der Tat soll der dritte Mann einen Fahrer des Wuppertaler Bauunternehmens, für den die Arbeiter von Voßwinkel aus, deutschlandweit tätig sind, betrunken gemacht haben, um an seine Schlüssel zu kommen. Der 29-Jährige sei dann aufgefordert worden, den Wagen zu fahren – angeblich wollte der dritte Mann, wie schon öfter, irgendwo Diesel stehlen. Man widerspricht diesem Mann besser nicht.

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Der 29-Jährige saß schon am Lenkrad, da hätten der 38-jährige ehemalige Angeklagte und der andere etwas hinten in den Wagen gelegt, was unter einer Decke verborgen war. Auf der Fahrt zum Maisfeld habe der 38-Jährige gesagt, das sei die Leiche des Ukrainers. Der 38-Jährige und der andere hätten die Leiche dann im Maisfeld versteckt.

Gefunden wurde die Leiche im September. Da soll der dritte Mann dann, wieder betrunken, laut zu dem 29-Jährigen gerufen haben, er solle aufpassen, was er zur Polizei sage – ansonsten würden er „oder seine Kumpel“ in Polen seine Freundin „fertigmachen“. Der angeblich friedfertige Angeklagte ging daraufhin in das Zimmer und schlug zweimal auf den dritten Mann ein. Das räumte er ein.

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Angeblich soll der dritte Mann ihn auch aufgefordert haben: „Ich sollte bei der Polizei zugeben, dass ich der Täter war. Aber ich sollte mir keine Sorgen machen, weil es ja keine Beweise gegen mich geben würde.“

>>>HINTERGRUND<<<

In dem Prozess am Landgericht wird auch der freigesprochene 38-Jährige als Zeuge gehört werden, kündigte der Vorsitzende Richter Petja Pagel an.

Spannend wird, wie das logistisch funktioniert: Man weiß zwar, dass der 38-Jährige nach seiner Freilassung in Deutschland inzwischen in Polen in Haft sitzt, „wir wissen aber nicht genau, wo er ist“.