Meschede. Seine Opfer sind so verängstigt, dass sie sich vor ihm hinknien: Ein 22-Jähriger hat in Meschede zwei Männer überfallen - mit einem Sturmgewehr.

Mit dem Nachbau eines Sturmgewehrs bedroht ein 22-Jähriger auf dem Park-and-Ride-Parkplatz an der Lagerstraße abends in Meschede zwei Männer. Die sind so verängstigt, dass sie sich sogar vor ihm vorsorglich freiwillig hinknieten, bevor sie ihm ihr Geld geben. Auf seiner Flucht vor der Polizei stolpert der Mann in den Gärten an der Ruhr über eine Hecke und kann festgenommen worden.

Eigentlich will der Täter ein Kiosk überfallen

Der Überfall ereignete sich im April, seitdem sitzt der 22-jährige Deutsche in der JVA Hamm in Untersuchungshaft. Jetzt ist er vor dem Landgericht Arnsberg wegen schwerer räuberischer Erpressung angeklagt. Dabei kommt heraus: Die beiden 30 und 34 Jahre alten Männer, die er beraubte, sind reine Zufallsopfer – es hätte jeder sein können. Denn ursprünglich will der 22-Jährige den Kiosk am Bahnhof überfallen. Um die 2000 Euro an Beute hatte er sich dadurch erhofft.

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Beim ersten Blick in den Kiosk sind an dem Abend aber noch Kunden darin. Er verschiebt den Überfall, maskiert sich dann am Aldi-Parkplatz mit einer Sturmhaube und geht wieder zum Kiosk – da aber ist er schon geschlossen: Glück für die Inhaber.

Der 22-Jährige ist im Landgericht Arnsberg wegen schwerer räuberischer Erpressung angeklagt - hier mit einem Wachtmeister und seinem Anwalt Otto Entrup aus Meschede (rechts).
Der 22-Jährige ist im Landgericht Arnsberg wegen schwerer räuberischer Erpressung angeklagt - hier mit einem Wachtmeister und seinem Anwalt Otto Entrup aus Meschede (rechts). © Jürgen Kortmann

Irgendwie will der 22-Jährige aber noch zu Geld kommen: Er folgt also zwei Männern durch die Bahnunterführung auf den Park-and-Ride-Parkplatz und überfällt sie dort. Er hat sich zwei Rumänen ausgesucht, die angsterfüllt sind, aber kein Wort verstehen, deshalb muss er noch „Money! Money!“ rufen. Seine Beute bei ihnen: „Die haben mir einen Fuffi hingeworfen“, 50 Euro. Vor Gericht gibt er zu: „Die hatten Panik.“

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Der 22-Jährige will zurück in die Innenstadt. Dort fahndet bereits die Polizei. Am Ruhrplatz sieht er einen Streifenwagen und läuft weg – damit macht er sich erst recht verdächtig. Die Polizisten nehmen die Verfolgung auf. Der Mann flüchtet hinter dem Kolpinghaus an der Ruhr entlang, bleibt dann aber in einer Hecke stecken und wird gefasst.

Täter sagt: Er war schlecht gelaunt

Das Gewehr findet die Polizei im Gebüsch am Ruhrplatz, hinter einem Buswartehäuschen. Es ist ein Sturmgewehr, allerdings ein Nachbau für Softair-Kugeln – aber eben täuschend echt, gerade im Dunkeln, gerade für verängstigte Opfer. Die Polizei findet auch eine Softair-Pistole (einer echten Baretta nachempfunden), an seinem Gürtel steckt ein echtes Kampfmesser.

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Bei der Polizei gibt er an, die Waffen-Nachbauten aus Berlin mitgebracht zu haben. Vor Gericht präsentiert er eine neue Version: Er habe sie an der Sparkasse in Meschede zuvor von einem Kumpel in einem Gitarrenkoffer übergeben bekommen. Einfach so? Die 2. Große Strafkammer um den Vorsitzenden Richter Johannes Althaus ist skeptisch.

Warum das Ganze? Der gebürtige Fredeburger, der in Eslohe aufwächst, ist an dem Abend bei seiner Bekannten in Arnsberg rausgeflogen, bei der er wohnen durfte.

Der Tatort des Überfalls in Meschede: Der Park-and-Ride-Parkplatz am Bahnhof an der Lagerstraße.
Der Tatort des Überfalls in Meschede: Der Park-and-Ride-Parkplatz am Bahnhof an der Lagerstraße. © Oliver Eickhoff

Deren Freund wiederum war es leid, ihn durchfüttern zu müssen. Der 22-Jährige fährt also mit dem Zug nach Meschede, um irgendwie an Geld zu kommen: „Ich hatte schlechte Laune, weil ich keine Kohle hatte.“ Ob er schon öfter mal den Gedanken die Idee für ein Verbrechen gehabt habe, will Richter Althaus wissen. Der 22-Jährige gesteht: „Ja, ich habe sie aber noch nie umgesetzt.“

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Zuletzt lebte er in Oranienburg bei Berlin – eine Frau, die er über Facebook kennen lernte, hatte ihn bei sich wohnen lassen. Zuletzt hat er dort Computer für dubiose Auftraggeber ausgefahren. Weil er vermutete, tatsächlich seien darin Drogen versteckt gewesen, flüchtete er zurück ins Sauerland. Jetzt hat er dort Schulden bei den Auftraggebern: Die drohen ihm schon, sagt er.

Arbeiten? Nein, lieber Hartz IV

Wie hoch die Schulden seien, kriegt der Mann nicht auf die Reihe: Er spricht von 25.000 Euro; es kommt aber heraus, dass es offenbar 200 und 500 Euro sind, die er wohl als Vorkasse bekommen hat. Der 22-Jährige ist keine Geistesgröße, das wird im Prozess klar. Er hat Lernschwächen, die in Mathe ist besonders ausgeprägt. Er ist als Kind von Esloher Schulen geflogen, weil er nicht lernen und sich nichts sagen lassen wollte: „Alle Lehrer gingen mir auf die Nerven: Die haben mir gesagt, was ich machen sollte. Das wollte ich nicht.“ Genauso flog er auch aus Heimen und aus Fördermaßnahmen.

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Seine Lieblingsbeschäftigungen: Chillen, dabei Deutsch-Rap hören, „bis in die Puppen schlafen und an der Playstation zocken.“ Arbeiten ist nicht sein Ding: In den Garten- und Landschaftsbau hat er mal hinein geschnuppert, entschied aber für sich, er werde zu schlecht bezahlt. Zuletzt war er in Oranienburg S-Bahn-Reiniger und verdiente damit auch ordentlich, aber: „Dann hatte ich keinen Bock mehr. Es war nervig, ewig den Dreck wegzuräumen.“ Er ließ sich dann lieber helfen, einen Hartz-IV-Antrag ausgefüllt zu bekommen.

>>>HINTERGRUND<<<

Der Prozess wird fortgesetzt. Über den Angeklagten wird ein psychiatrisches Gutachten angefertigt.

Bislang konnten nur die Polizisten befragt werden, die im Einsatz waren. Von den beiden rumänischen Männern, die überfallen wurden, ist einer spurlos verschwunden.

Von dem Überfall existiert auch ein Handy-Video, dass von Zeugen an der Lagerstraße gedreht wurde. Es zeigt, wie sich zwei Männer hinknien, die offenbar mit einem länglichen Gegenstand bedroht werden.