Meschede. Angeklagt wegen Tötung eines Ukrainers bei Meschede - am Ende freigesprochen. Dem Angeklagten stehen damit tausende Euro zu. Bislang.
Die Staatsanwaltschaft Arnsberg wird Berufung gegen den Freispruch des 38 Jahre alten Mannes einlegen, den sie im Fall des Toten im Maisfeld bei Schüren für den Hauptverdächtigen hielt. Das erklärte Staatsanwalt Klaus Neulken auf Anfrage. Wie berichtet, reichten der Vierten Großen Strafkammer unter Richter Petja Pagel die Indizien nicht für eine Verurteilung des Polen aus.
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Neulken hatte für die Staatsanwaltschaft wegen gemeinschaftlichen Totschlags sieben Jahre und neun Monate Haft für den Mann gefordert. Er sah es als erwiesen an, dass der Pole im August 2019 in der Unterkunft osteuropäischer Bauarbeiter in Meschede-Voßwinkel einen 45 Jahre alten Arbeitskollegen aus der Ukraine erschlagen hat. Die versteckte Leiche war Anfang September in einem Maisfeld verwest bei Schüren entdeckt worden - ein Jäger hatte die Schleifspur in das Feld verfolgt, weil er glaubte, dort seien Wildschweine.
25 Euro pro Tag
Die Richter haben dem Angeklagten mit dem Freispruch auch das Anrecht auf eine Haftentschädigung zugesprochen - für die Zeit, die er von Oktober 2019 bis jetzt in Untersuchungshaft verbrachte. 25 Euro sind dafür in Deutschland bislang pro Tag vorgesehen. Bei insgesamt 351 Tagen im Gefängnis würden dem Polen damit 8775 Euro als Entschädigung zustehen. Dagegen will die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegen, kündigte Neulken auf Anfrage an: Sie sieht bei dem Polen kein Anrecht für eine Entschädigung, weil er bei den Ermittlungen auch nicht geholfen habe - erst spät rückte er, wie berichtet, damit heraus, wie verstrickt auch ein anderer, inzwischen 29 Jahre alter Pole in den Fall sein soll.
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Auch wenn das Landgericht mit seinem Freispruch den bisherigen Haftbefehl des Amtsgerichtes Meschede in diesem Fall aufhebt, so kommt der 38-Jährige dennoch nicht frei. Gegen ihn besteht ein Auslieferungsersuchen aus Polen: Der Mann selbst bestätigte im Landgericht, dass gegen ihn in Polen noch eine Haftstrafe offen sei - er wirkte gelassen dabei. In Deutschland ist der Mann bisher nicht vorbestraft gewesen.
Urteile nach Schlägereien
Vor dem Freispruch wurde im Landgericht dagegen aber noch bekannt, dass im polnischen Strafregister insgesamt elf Einträge stehen - die meisten wegen „Straftaten gegen Personen“, wie dort Urteile nach Schlägereien heißen. Unter anderem hatte er seinen Schwager verprügelt, weil der keinen Unterhalt an die Schwester des Angeklagten zahlte. Auch das Gericht stellte deshalb zum Fall des getöteten Ukrainers fest: „Die Tat als solche wäre dem Angeklagten nicht völlig wesensfremd.“ Der 38-Jährige sei „durchaus aggressiv“, so Richter Pagel. Staatsanwalt Neulken sagte: „Er neigt zu Gewalttaten.“
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Nach dem Freispruch ist jetzt der andere 29 Jahre alte Pole der Hauptverdächtige. In seiner polizeilichen Vernehmung, die vor Gericht verlesen wurde, hatte er eine Verwicklung geleugnet: „Ich habe nichts Schlechtes getan.“ Weil er der Jüngste in der Bauarbeiterunterkunft gewesen sei, hätten sich die anderen gegen ihn verschworen, behauptete er. Er war von der gleichen Strafkammer, die seinen Kollegen jetzt freisprach, aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil für die Richter damals nicht genug gegen ihn sprach.
Europäischen Haftbefehl
Jetzt haben die gleichen Richter einen europäischen Haftbefehl gegen den 29-Jährigen erwirkt. Er war zuletzt als Zeuge geladen gewesen, aber nicht nach Arnsberg erschienen - dort wäre er dann auch sofort wieder festgenommen worden. Der Hilfsarbeiter hatte sich zuletzt aus Polen bei seinem Anwalt in Meschede gemeldet und behauptet, wegen Corona lasse sein jetziger Arbeitgeber ihn nicht nach Deutschland ausreisen.
Der 29-Jährige wird weiter in Polen vermutet. Fällt er dort bei einer Kontrolle auf, müsste er von der polnischen Polizei wegen des europäischen Haftbefehls sofort ins Gefängnis kommen und nach Deutschland ausgeliefert werden. Hier wäre dann wiederum der jetzt freigesprochene 38-Jährige dann sein Hauptbelastungszeuge.
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Das Verhältnis zwischen der deutschen und der polnischen Justiz ist offenbar nicht das beste, wurde in dem Prozess klar: Die Richter in Arnsberg hatten sich seit dem Frühjahr darum bemüht, zumindest Aufklärung aus Polen darüber zu erhalten, wo sich der 29-Jährige aufhält: „Es gibt aber keinerlei Erkenntnisse, dass die Fahndung nach ihm in Polen erfolgreich war“, so Richter Petja Pagel.