Meschede. Anne Kraft ist mit Mitte 30 in ihre Heimatstadt Meschede zurückgekehrt, warum und was sie sich hier wünschen würde, erzählt sie im Interview.

Nach dem Abi verließ Anne Kraft ihre Heimatstadt, „weil es alle taten“ und weil sie studieren wollte. „Das war keine Entscheidung gegen Meschede“, betont sie. Rund 15 Jahre später kam sie mit Mann und Hund zurück. „Wir wollten nicht mehr in der Großstadt wohnen und hier fühlte es sich einfach am besten an.“

Berufliche Entwicklung

Die Stadtentwicklerin hat sich beruflich viel mit dem perfekten Wohnumfeld beschäftigt. Sie arbeitete in Gütersloh, Gelsenkirchen, lebte in Bochum, Leipzig und Utrecht. „Leipzig war mein Traum“, gesteht sie. „Ich hatte mich in das Flair der Stadt verliebt.“ Sie arbeitete dort zwei Jahre in der Stadtverwaltung, zuletzt als persönliche Referentin des Baubürgermeisters. „Wir haben dann aber gemerkt, dass Leipzig ganz schön weit weg ist von Freunden und Familie.“ Es ging zurück nach NRW. Sie fand einen Job in Dortmund am Phonixsee und zog nach Bochum, was täglich über eine Stunde Fahrtzeit bedeutete. „Es ist ein Irrglaube, zu denken, dass im Ruhrgebiet alles nah beieinander liegt.“

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Anne Kraft mag ihren Job, sie wollte nicht wechseln. Da schien es einfacher, sich nach einem neuen Wohnort umzusehen, zumal sich das Paar einen Hund angeschafft hatte. Doch mit Polly durch Felder und Wald zu streifen, war in Bochum gar nicht so einfach. Das kannte die Sauerländerin anders. „Und irgendwann haben wir uns dann gefragt, wie lange wollen wir noch auf Beton schauen?“

Die Rückkehr

Meschede stand damals erst gar nicht zur Debatte. „Wir haben im Umfeld von Dortmund geguckt. Aber es fehlte immer das letzte Fünkchen.“ Eine Freundin wusste dann von einem Haus mit großem Garten, das in Meschede zu mieten war. Der Weg an den Phoenixsee ist von hier günstig mit der Bahn erreichbar, zwei Tage die Woche arbeitete Anne Kraft - auch schon vor Corona - im Homeoffice. Das Paar genießt die Nähe zur Natur, zum Hennesee. „Wir brauchen fünf Minuten mit dem Rad zum See und fünf Minuten in die Stadt. Sowas gibt es in Bochum nicht. Ich empfinde es als großes Glück, dass es Meschede geworden ist.“

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Anne Kraft konnte leicht an alte Bekanntschaften anknüpfen, ihre Eltern leben hier, sie lernte im Schwangerschaftskurs „tolle, neue Frauen“ kennen, engagiert sich in den Mescheder Stadtgesprächen. „Es fühlte sich schnell an, als sei ich nie weggewesen“, erzählt sie. Auch ihr Mann, der kein Sauerländer ist, fand ein Umfeld, in dem er sich wohlfühlt. „Das war alles viel leichter als in Leipzig.“ Er engagierte sich mit Polly in der DRK-Hundestaffel. Anne Kraft ist angekommen, da ist sie sicher. „Ich mag die Verbindlichkeit der Kleinstadt. Die meisten Menschen, die ich hier kennenlerne, werden auch in zehn Jahren noch hier sein.“

Was fehlt

Was sie vermisst? Da wird die Stadtplanerin professionell: „Ein aktivierendes Gesprächsangebot an Bürger, sich an der Stadtentwicklung zu beteiligen.“ Beim Blick auf den Ort sieht sie viel Positives, „Meschede hat sich unglaublich entwickelt“, aber auch Negatives: die Leerstände, die Baukultur sei eher investoren- und weniger bürgergesteuert. „Ein Bild davon, wie soll Meschede in 10, 20 oder 30 Jahren aussehen, wie wollen wir hier leben, welche Mobilitätsmittel wollen wir nutzen - das gibt es nicht. Ich frage mich, wo bleibt der Mensch?“ Sie würde sich mehr Reibung und Diskussion darüber wünschen. „Und für meinen Geschmack müsste die Innenstadt nicht so versiegelt sein.“

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Von Thomas Winteberg und Oliver Eickhoff

Tipps für Rückkehrer

Tipps für Rückkehrer hat sie auch: „Vernetzt euch, unterstützt euch gegenseitig und gebt euch Zeit anzukommen“, sagt sie, um dann auch eine Lanze für die Sauerländer zu brechen. „So stoffelig wie ihr Ruf sind sie gar nicht.“ Trotzdem: „Es wäre auch schon schön, wenn die Mescheder das dadurch beweisen, dass sie auf Neubürger öfter mal offen zugehen.“

>>>Hintergrund

Anne Kraft ist 39 Jahre alt. Sie ist verheiratet und hat eine vierjährige Tochter.

2000 machte sie ihr Abitur am Städtischen Gymnasium, im Anschluss studierte sie in Bochum. Ihren Master-Abschluss machte sie in in Regional- und Stadtentwicklung. Sie beschäftigte sich mit den Themen, wie entsteht eine Stadt, was hält sie zusammen in Gütersloh, Gelsenkirchen und in Leipzig.

Heute arbeitet sie als Regional- und Stadtentwicklerin und Moderatorin für ein Dortmunder Planungsbüro.

Ihre Hobbys sind Sport und ihr Hund Polly, ein Rhodesian Ridgeback.

Vier Fragen

Meine Lieblingsorte in Meschede sind der Wasserfall am Vogelsang, die Henneaue von der Regenbogenschule bis zur Himmelstreppe, der Hennesee - und über die Stadtgrenze: der Wildpark in Hirschberg.

Ich vermisse hier eine kritische, breit angelegte und gesellschaftlich offen angelegte Diskussion zu der Frage, wie wir in Meschede in 20 Jahren leben wollen.

Mein Lieblingsort in meinen vorherigen Wohnorten ist in Leipzig die Sachsenbrücke im Clara-Zetkin-Park.

Der wichtigste Grund für meine Rückkehr war ein Mischung aus Heimatgefühl, Verbundenheit und einer guten Gelegenheit.