Meschede. Der E-Bike-Verkauf boomt. Auch die Unfälle nehmen zu. Das bestätigen Experten von Polizei und Klinikum. Auf der Suche nach den Ursachen.

Mal ist es der Motor, mal das Alter des verunglückten Fahrers. Statistiken und Meinungen zu E-Bike-Unfällen gibt es vor allem im Internet wie Sand am Meer. Das liegt mitunter am deutschen E-Bike-Boom - in den vergangenen Jahren und verschärft durch Corona-Frühling und -Sommer kaufen immer mehr Deutsche E-Bikes für die Freizeitgestaltung daheim. Das kann Fahrradhändler Hermann Hegener aus Meschede bestätigen.

Laut statistischem Bundesamt ist aber auch die Zahl der Unfälle mit E-Bikes gestiegen. Eine Studie einer der größten deutschen Versicherungen besagt sogar, dass das Risiko eines tödlichen Unfalls mit einem E-Bike dreimal so hoch ist, wie auf einem herkömmlichen Fahrrad. Auch Dr. Alexander Rosenke, leitender Arzt der Klinik für Unfallchirurgie des Klinikums Hochsauerland am Standort Marienhospital Arnsberg, berichtet auf Nachfrage dieser Zeitung von einer Zunahme an Patienten aufgrund von Radunfällen.

Steigender Radverkehr im HSK

Und eins ist klar, der Fahrradverkehr in Deutschland steigt zusehends. Das bestätigt die örtliche Polizei auch für den gesamten HSK. Dass daraus ein höheres Unfallaufkommen resultiert, liegt in der Natur der Sache. Speziell bei E-Bikes sind von Jahresbeginn bis zum 31. Mai bislang 20 Unfälle verzeichnet. „Die meisten haben sich im Arnsberger Raum zugetragen“, erklärt Holger Glaremin, Pressesprecher der Kreispolizeibehörde Hochsauerlandkreis. In Meschede gab es in diesem Jahr bislang einen E-Bike-Unfall am Hennesee, der Fahrer wurde leicht verletzt. Bestwig verzeichnete erst am Freitag den zweiten, schweren Unfall.

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Pauschal könne man natürlich nicht davon sprechen, dass vor allem ältere Personen von E-Bike-Unfällen betroffen sind, die Tendenz zieht sich aber durch nahezu alle Statistiken. „Insbesondere sind schon ältere Personen betroffen, die sich ein E-Bike kaufen und nach Jahren erstmals wieder auf einem Fahrrad sitzen“, bestätigt Holger Glaremin. Daher appelliert die Polizei nicht nur an Senioren, sich stets an die Helmpflicht zu halten und Pedelec-Kurse wahrzunehmen. Denn besonders das Anfahren und Absteigen bereite ungeübten Fahrern Schwierigkeiten.

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Diesen Trend beobachtet Dr. Alexander Rosenke bei seinen Patienten ebenfalls. Nach seiner Einschätzung war die Mehrzahl der verunfallten E-Bike-Fahrer zwischen 40 und 70 Jahren alt. „Typisch für Fahrrad- und E-Bike-Unfälle sind Verletzungen an der Schulter (Bruch des Schlüsselbeins), an Armen (Bruch des körpernahen Oberarmes oder Unterarms), an Knie oder Unterschenkel sowie am Kopf (Schädel-Hirn-Trauma).“ Insbesondere bei schweren E-Bike-Unfällen könnten mitunter mehrere Verletzungen gleichzeitig auftreten, dann spricht man von einem Polytrauma. „Sofern dabei auch eine schwere Schädelverletzung vorliegt, erfolgt die Behandlung am Standort Marienhospital gemeinsam mit dem Team der Klinik für Neurochirurgie“, informiert Dr. Rosenke.

Unachtsamkeit und Überholmanöver

Für Hermann Hegener, der in Meschede sowie an vier weiteren Standorten im Sauerland E-Bikes vertreibt, repariert und verleiht, haben die Unfälle nicht konkret etwas mit dem elektrischen Untersatz zu tun, sondern mit der falschen Einschätzung der Fahrer. „Das ist letztlich einfach Unachtsamkeit. Die Leute begeben sich in Überholvorgänge, schauen nicht richtig hin und schon hängt man vor dem Bordstein“, sagt der erfahrene Radhändler.

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Im Klinikum Hochsauerland wurde diese Annahme in Patienten-Gesprächen bestätigt. „Ein E-Bike hat ein anderes Fahrverhalten als ein konventionelles Fahrrad. Daran muss man sich erst gewöhnen.“ Eine schnellere Beschleunigung und ein anderes Kurvenverhalten könnten dazu führen, dass Situationen falsch eingeschätzt werden und die Kontrolle über das Fahrzeug verloren gehe, beispielsweise in Kurven. „Viele überschätzen sich und fahren zu schnell“, so Dr. Rosenke.

E-Bike-Absatz hat sich verdoppelt

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der E-Bike-Absatz bei Hermann Hegener verdoppelt. Auf die Frage, ob er sich als Gewinner der Corona-Krise sieht, grinst er nur. Gut 90 Prozent mache der Umsatz von E-Bikes inzwischen aus, das normale Fahrrad sei schlichtweg out. Das zeigen auch die Angebote in seinem Geschäft in Meschede. Um ein Fahrrad ohne Motor zu finden, muss man schon genauer hinsehen. Verkaufen ließen sich lediglich Mountainbikes noch relativ gut.

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Neben dem Verkauf bietet Hegener in Meschede, Altenhundem, Delecke, Eslohe und Schmallenberg auch den Verleih von Fahrrädern und E-Bikes an. 70 motorisiertes Räder kann er vermieten - und das tut er auch, Wochenende für Wochenende. „An Pfingsten hätte ich 100 E-Bikes vermieten können“, freut sich der Seniorchef des Familienunternehmens. 25 Euro kostet das Ausleihen eines E-Bikes pro Tag. Wer sich ein eigenes E-Bike zulegen möchte, muss schon tiefer in die Tasche greifen. Das kostet dann zwischen 2000 und 5000 Euro.