Bestwig. Kurzarbeit alleine werde nicht ausreichen: Die Geschäftsführung von Tital in Bestwig nimmt Stellung zum geplanten massiven Stellenabbau.
Die Größenordnung des geplanten Stellenabbaus beim Luftfahrspezialisten Tital in Bestwig beruht auf Finanzanalysen und Prognosen, sagte Vertriebsleiter Thomas Stephan: „Bei den Umsatzzahlen müssen wir reagieren. Es geht ums Überleben.“
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Der Abbau von Stellen beim Luftfahrtspezialisten Tital in Bestwig wird vermutlich alle Bereiche des Unternehmens betreffen. Genaue Einzelheiten seien jetzt die Themen für die Beratungen eines Sozialplans und des Interessenausgleiches mit dem Betriebsrat, erklärte Stephan auf Anfrage.
„Hier läuft gerade keiner freudig herum“
Für Tital ist das eine neue Erfahrung: „Wir machen das zum allerersten Mal. Hier ist keiner, der das schon einmal erlebt hat“, so Stephan. Und: „Hier läuft gerade keiner freudig herum. Die Stimmung ist gedrückt.“ Wie berichtet, geht die Geschäftsführung davon aus, 210 der rund 800 Stellen abbauen zu müssen - ein Viertel der Belegschaft.
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Tital ist rasant gewachsen, von 250 auf 900 Mitarbeiter zu Spitzenzeiten. „Wir sind seit 2002 mit Wachstum verwöhnt worden“, sagte der Vertriebsleiter: Pro Jahr um 10 Prozent mehr Umsatz. Mit dem Wachstum stieg die Beschäftigtenzahl. Die Feingießerei ist arbeitsintensiv: Steigt der Umsatz, geht die Mitarbeiterzahl nach oben.
Hersteller fahren Bauraten herunter
Dann kam plötzlich und unerwartet Corona. Zahlte sich bis dahin die Spezialisierung auf die Luftfahrt so enorm aus, so zeigt sich jetzt diese Abhängigkeit: „Wir hängen ab von der Luftfahrt. Aber jetzt wird gerade kein Flugzeug gekauft.“ Das trifft Tital mit voller Wucht. Bauteile aus Bestwig stecken zum Beispiel im Airbus A 320 („unser Brot-und-Butter-Geschäft“) und in seinen Triebwerken: Airbus hat seine Bauraten heruntergefahren, fertigt nur noch auf Halde. Bauteile aus Bestwig stecken auch in der Boeing 737 Max: Nach Abstürzen der Maschine pausierte die Produktion, die Maschine muss neu zugelassen werden, Boeing produziert nur in kleinster Stückzahl.
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„Die Situation ist kritisch“, berichtete Thomas Stephan: „Wir sind täglich damit konfrontiert, dass Kunden Aufträge stornieren oder sie nach hinten schieben.“ In Frankreich wird Corona als „force majeure“ eingestuft - als höhere Gewalt, wie es das französische Zivilrecht regelt: Kunden von Tital haben deshalb folgenlos abbestellen können und haben keine vertraglichen Nachteile dadurch.
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Lichtblick: Es wird wieder geflogen
Die Geschäftsführung von Tital rechnet mit einer Erholung des Marktes in drei bis fünf Jahren: „Da sind wir zuversichtlich.“ Es werde dann wieder bergauf gehen – „aber ob wir jemals wieder das Niveau von 2019 erreichen? Das ist alles Spekulation.“ Die Auswirkungen der Kurzarbeit bei Tital abzuwarten, reicht nach Einschätzung der Geschäftsführung eben wegen des Zeithorizontes nicht aus. Dazu war im Mai eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden. Sie gilt bis Ende 2020. Weil die Prognosen aber die Mark-Erholung eben in drei bis fünf Jahren erwarten, reiche das nicht aus.
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Ein Lichtblick sind für Thomas Stephan die Corona-Lockerungen: Es wird wieder geflogen. Er betont: „Es muss wieder geflogen werden. Nur wenn geflogen wird, haben Airlines die Chance, Geld zu verdienen. Nur wenn sie Geld verdienen, werden die Flotten erneuert.“ Er ermutigt die Menschen ausdrücklich, wieder zu fliegen – und er weiß gleichzeitig, wie schwierig das ist angesichts der finanziellen Einschnitte etwa durch Kurzarbeit.
>>>HINTERGRUND<<<
„Das ist ganz bitter für die Mitarbeiter“, sagt Bürgermeister Ralf Péus. Er ist von Tital-Geschäftsführer Frank den Brok telefonisch am Montag über den geplanten Stellenabbau im Unternehmen informiert worden.
Massive Umsatzeinbußen seien der Hintergrund dafür.
Auch die Gemeinde, so der Bürgermeister, werde den Fall Tital und andere Auswirkungen der Corona-Krise finanziell zu spüren bekommen: „Wir machen uns auf ein schwieriges Jahr gefasst. Wir werden das merken.“
Noch seien die Schäden nicht absehbar. Die Krise bei Tital werde sich für die Gemeinde bei den Steuereinnahmen auswirken.
Die zu zahlende Gewerbesteuer bemisst sich unter anderem auch an der Zahl der Beschäftigten, außerdem werde das beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer Folgen für die Gemeinde haben.