Bestwig/Nuttlar. Heute vor 75 Jahren erlebte Bestwig den schwersten Bombenangriff des Zweiten Weltkriegs. Christel Schröder (94) hat ihn nur knapp überlebt.
Christel Schröder war gerade auf dem Weg in den rettenden Keller des Bestwiger Postamtes - doch die Bomben waren schneller. „Ich erinnere mich immer noch sehr genau an diesen Tag“, sagt die heute 94-jährige Nuttlarerin. Dieser Tag - das ist der 5. März des Jahres 1945. Es war 12.45 Uhr als bei einem Fliegerangriff viele ihrer Kolleginnen starben.
Christel Schröder überlebte schwer verletzt - und dafür ist sie bis heute dankbar. Denn der Angriff hätte auch für sie ganz anders ausgehen können: „Unsere Postsekretärin Paula Schlüter und meine Kollegin Edith Studen waren auf der Treppe nur eine einzige Stufe vor mir und sind gestorben, erinnert sich die Nuttlarerin an den grausamen Tag in der Geschichte Bestwigs, der sich heute zum 75. Mal jährt.
Ein ganz normaler Morgen
20 Jahre alt war Christel Schröder, als der Ort den schwersten Angriff des Zweiten Weltkriegs erlebte. Begonnen hatte der Tag für sie am Morgen wie jeder andere auch. Sie arbeitete am Schalter und kümmerte sich um die Kunden. Dann habe es in der Mittagspause erst einen Voralarm gegeben - wie so oft in dieser Zeit.
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Kurz darauf folgte der Vollalarm. „Auch die waren keine Seltenheit“, sagt Christel Schröder. Doch diesmal sei der Lärm am Himmel besonders laut gewesen. Gegen 12.45 Uhr flog ein amerikanischer Bomberverband den Ort an und lud seine todbringende Last ab.
Ziel war eigentlich der Bestwiger Bahnhof, der für die Deutsche Wehrmacht einen besonderen strategischen Wert hatte. An diesem Tag sollte er ausradiert werden. Doch die Bomben erreichten ihr Ziel nicht - zerstörten stattdessen die Post, mehrere Wohnhäuser, die evangelische Kirche und das Amtshaus.
Das Bewusstsein verloren
42 Tote forderte der Angriff. Das Postgebäude wurde durch mehrere Volltreffer total zerstört. Mittendrin: Christel Schröder. „Es war eine unvorstellbare Wucht“, sagt sie. „Es hat sich angefühlt, als wenn einem jemand sehr feste auf den Kopf drückt.“
Dann habe sie ihr Bewusstsein verloren. Sie habe keine Ahnung, wie lange sie besinnungslos gewesen sei, sagt die 94-Jährige. „Als ich wieder wach wurde, haben alle um mich herum geschrien und ich konnte in den Himmel blicken. Es war schrecklich“, sagt sie.
Zwei unbekannte Retter
Selbst befreien konnte sich die damals 20-Jährige aus ihrer Lage nicht. „Meine Beine waren verschüttet“. Bis heute weiß Christel Schröder nicht, wer die beiden Männer waren, die sie gerettet haben. Das sei eigentlich sehr schade, bedauert sie. Sie brachten die 20-Jährige zunächst in ein Haus, an dessen Stelle heute der Juwelier Schulte angesiedelt ist. Danach folgten vier Wochen im völlig überfüllten Mescheder Krankenhaus. „Dort war es so voll, dass wir auf dem Flur gelegen haben“, erinnert sich die Nuttlarerin.
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Ihre Verletzungen waren so schlimm, dass die Ärzte kurzzeitig darüber nachdachten, ihr beide Beine abzunehmen. Doch so weit kam es zum Glück nicht. Nach vier Wochen in Meschede wurde sie weitere zehn Tage im Nuttlarer Schieferstollen behandelt, bevor die Amerikaner kamen und sie ins Lazarett nach Bigge brachten. Es sollte ganze elf Monate und zahlreiche Operationen dauern, bis Christel Schröder auf Krücken endlich wieder nach Hause durfte. „Es war wirklich eine schreckliche Zeit“, sagt die Nuttlarerin.
„Wir sollten dankbar sein, dass es uns heute so gut geht“
Vielen der Patienten um sie herum hatten die Ärzte tatsächlich mindestens ein Bein abnehmen müssen. „Diese Bilder vergisst du nie“, sagt die 94-Jährige, deren Bein seit jenem Tag im März gelähmt ist. Doch Christel Schröder klagt nicht. Ganz im Gegenteil. Sie weiß, dass alles hätte noch viel schlimmer kommen können. „Wer das erlebt hat, weiß auch, dass es in der heutigen Zeit überhaupt keinen Grund gibt, in Deutschland unzufrieden zu sein. Wir sollten vielmehr dankbar dafür sein, dass es uns heute so gut geht“, appelliert die Nuttlarerin an diesem für Bestwig so besonderen Tag.
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- Der Bahnhof in Bestwig hatte für die Deutsche Wehrmacht einen besonderen strategischen Wert. Hier war die Haltestation der Züge aus Richtung Hagen, Dortmund und Kassel und von Bestwig aus in Richtung Winterberg. Schon einige Male vor dem 5. März hatten die Amerikaner versucht, die zweigleisige Strecke mit Bomben zu zerstören.
- Eine größere Bombe fiel auf die jetzige B7, gegenüber der damaligen Villa Busch. Sie riss einen tiefen Krater, beschädigte aber nicht das Bahngelände. Auch weitere Bombenangriffe verfehlten Ihr Ziel.