Bestwig. . Die Bahn hat die Entwicklung Bestwigs immens geprägt. Dabei gab es damals erbitterten Widerstand gegen die Pläne.
Die Bahn hat die Entwicklung Bestwigs immens geprägt. Der Bahnverkehr hat dem Ort in den Anfangsjahren ein enormes Wachstum beschert. In der ersten Folge unserer neuen Serie „Bestwig und die Bahn“ werfen wir einen Blick in die Geschichte.
Die ersten Pläne
Eigentlich sollte damals gar nicht Bestwig einen Bahnhof erhalten - Bestreben war es vielmehr, einen Bahnhof in Velmede oder Nuttlar zu bauen. Es gab aber ein Problem: Trotz intensiver Bemühungen gelang es der Bergisch-Märkischen Eisenbahn damals nicht, in den beiden Orten Bauland zu erwerben. In Velmede gab es zudem starken Widerstand gegen den Bahnhofsbau, so wurden Landvermesser schließlich sogar von der Feuerwehr mit gezielten Wasserstrahlen verjagt. „In Velmede hätte das Bahnhofsgebäude auf dem Gelände der heutigen Kirche entstehen sollen“, berichtet Wolfgang Rinschen, Vorsitzender Heimatbundes der Gemeinde.
Hilfe für die Bahn kam dann vom aus Ostwig stammenden Baron von Lüninck: Er bot der Eisenbahn ein Grundstück mit der erforderlichen Größe zum Kauf an - allerdings in Bestwig. Die Bahn griff zu.
Rund 20 Jahre hatte man zuvor Pläne geschmiedet, und - so belegt auch die Bestwig-Chronik - heftig gestritten, ob die Schienen durch das Ruhrtal oder das Möhnetal verlaufen sollen.
Die Entscheidung
Die Entscheidung fiel dann am 2. Oktober 1866 für das Ruhrtal. Daraufhin gab es viele Beschwerden von Bürgern und Unternehmen. Ein Velmeder richtete seine Worte sogar direkt an die Regierung, er befürchtete, dass der Funkenflug der Lokomotiven Dungstätten und Strohdächer entzünden könne und somit zur Gefahr werde. Da aber von Nuttlar bis Brilon-Wald wegen des großen Höhenunterschieds eine elf Kilometer lange Steilrampe entstehen musste, konnte der Bahnhof, der unterhalb dieser Steinrampe erforderlich war, nicht in Meschede, sondern eben nur im Raum Velmede-Bestwig-Nuttlar entstehen, denn den Zügen mussten dort Drucklokomotiven angehängt werden, um die Strecke zu überwinden.
Die Bauarbeiten
Bevor dann in Bestwig mit dem Bau des Bahnhofs begonnen werden konnte, musste die Ruhr weiter nach Norden verlegt werden, um so eine zusammenhängende Fläche für die Anlage der Nebengleise und Lokomotiv-Station zu schaffen. Aufzeichnungen zufolge gestaltete sich dieses Unterfangen aber schwierig: Der teilweise stark morastige Boden bereitete den Arbeitern Schwierigkeiten, er musste gründlich entwässert oder sogar durch festeres Material ausgetauscht werden. So begann der Bau des zehnständigen Ringlokschuppens erst im Jahr 1873, als es bereits durchgehenden Zugverkehr gab. Ob das Empfangsgebäude und andere Hochbauten rechtzeitig zur Eröffnung des Betriebes fertig waren, ist nicht überliefert.
Die positiven Folgen
Mit dem Bahnverkehr wächst Bestwig.1876 zählte der Ort bereits 169 Einwohner, im Jahr 1905 wuchs die Zahl dann nochmal deutlich auf 625 an. Ein Erfolg für die Gemeinde. Fast 180 Kilometer lang ist die durch Bestwig führende Strecke Hagen-Kassel. „Die neue Eisenbahnstrecke überwindet vom Ausgangspunkt (Hagen) bis zum Eingang des Elleringhäuser Tunnels kurz vor Brilon-Wald auf einer Länge von 93 Kilometern einen Höhenunterschied von 348 Metern“, heißt es in der Bestwig-Chronik. Einige Hänge in Bestwig seien durch den Eisenbahnbau entstanden, so zum Beispiel im Gelände hinter dem Möbelmarkt, im Sündenwäldchen und am Breberg.
Die Bürger Bestwigs profitierten von der neuen Verkehrsader, die durch ihren Ort führt. So entwickelte sich parallel zur Eisenbahn auch die Post immer stärker, Unternehmen wie die Holz- und Steinindustrie profitierten ebenfalls, denn sie waren nicht mehr auf die teuren Landfrachten angewiesen. „Die Ramsbecker Gruben verluden ihre Erze jetzt in Bestwig, Nuttlar und Olsberg, nachdem sie zuvor alles zur Zinkhütte nach Dortmund und seit 1850 zum nächstgelegenen Bahnhof in Lippstadt mit Pferdegespannen transportieren mussten“, heißt es in der Chronik.
Die Eisenbahnstrecke Bestwig-Winterberg wurde im Jahr 1906 dem Verkehr übergeben, damit kamen auch immer mehr Touristen in den Ort. „Mit dem Bahnhof ist auch ein Fußballplatz in direkter Nähe entstanden, Fußballspieler kamen nach Bestwig, haben hier gespielt und fuhren dann wieder“, sagt Heimatbund-Vorsitzender Wolfgang Rinschen.
Prominente Gäste
Aber nicht nur Fußballer, auch Prominenz kam nach Bestwig. In der Endphase des Ersten Weltkriegs, im Herbst 1918, reiste Kaiser Wilhelm II mit seinem Gefolge auf einer Fahrt nach Kassel durch den Ort. Sogar die Schüler bekamen damals frei, um zum Bahnhof zu gehen, heißt es in der Chronik. Unter Jubelrufen soll sich Kaiser Wilhelm II dem Volk präsentiert haben. Und er war nicht der Einzige, der am Bestwiger Bahnhof Halt machte. So schauten der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke und seine Frau Wilhelmine öfter in Bestwig vorbei und auch Bundeskanzler Willi Brandt hielt in einem Sonderzug einmal auf dem Bahnhof, später war auch Ludwig Erhard Gast in der Gemeinde.
Freizeitvergnügen
Der Bahnhof war eine Attraktion, um den sich alle tummeln wollten. Wie Wolfgang Rinschen berichtet, bauten die Schützen kurz nach dem Ersten Weltkrieg, um das Jahr 1920, einen Schießstand am Bahnhof und auch ein Eisenbahner-Sportverein wurde gegründet. „Später im Jahr 1936 eröffnete dann in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes noch ein Freibad. Das musste dann aber 1939 schon wieder geschlossen werden“, berichtet Rinschen. Das Problem: Durch den Dampf der Lokomotiven war das Wasser immer dreckig.
Eisenbahnunglück von 1939 erschütterte Bestwig
Am 6. Mai des Jahres 1939 kam es in Bestwig zu einem schweren Eisenbahnunglück: Ein aus 30 Wagen bestehender Güterzug der Erze geladen hatte, die kommend aus dem Salzgittergebiet nach Dortmund gebracht werden sollten, entgleiste auf Höhe des Bahnhofsgebäudes.
Keine Toten und Verletzen
Wie die nationalsozialistische Tageszeitung „Rote Erde“ damals berichtete, wurden Bahnhofspersonal und Bewohner an jenem 6. Mai durch lautes „Getöse“ aufgeschreckt und eilten zum Bahnhof. Sofort begannen die Mitarbeiter die Suche nach eventuellen toten oder verletzten Personen. Bestwig hatte Glück im Unglück: Bei der schweren Entgleisung wurde niemand verletzt. Vom Zug allerdings blieben nur Trümmer übrig. Sofort sollen sich die Bahnhofsmitarbeiter, so schreibt die „Rote Erde“, daran gemacht haben, die Trümmer der vollkommen ineinander verkeilten Wagen zu bergen. Bei der Begutachtung der Unfallstelle wurde schnell klar, dass einige Nebengleise beschädigt wurden.
„Um jeden Preis“ habe man daraufhin damals versucht zu verhindern, dass der Durchgangsverkehr gestört wurde. Fernzüge wurden, soweit es möglich war, umgeleitet. Der normale Durchgangsverkehr konnte schließlich aufrecht erhalten bleiben, da ein Hauptgleis unbeschädigt blieb. Nachdem die Trümmer der Waggons beseitigt waren, begann in Bestwig die Suche nach der Ursache für den Unfall.
Unschuldiges Bahnpersonal
Dass das Bahnpersonal Schuld am Unfall hatte, schloss man, so berichtete die Zeitung „Rote Erde“ im Jahr 1939, bald aus. Es wurde die Vermutung laut, dass der Unfall durch den schlechten technischen Zustand einiger tschechischer Wagen verursacht wurde. Bestätigt werden konnte das aber nicht. Möglicherweise war auch das damals gerade neu eingeführte Druckluftbremssystem Schuld an dem Unfall.
Ersatz der Bremserhäuschen
Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bremserhäuschen durch dieses System ersetzt, an das alle Wagen eines Zuges angeschlossen sein mussten. „Eine solche Unterbrechung hat möglicherweise zu dem schweren Eisenbahnunglück geführt“, heißt es in der Bestwig-Chronik.
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