Bad Fredeburg. Mit 13 Jahren nimmt Timo zum ersten Mal Drogen. Kein Einzelfall, weiß Psychotherapeut Jan Schumann von der Holthauser Mühle. Die Hintergründe.

Timo, 21 Jahre, ist seit September im „Cannabis-Haus“ in Bad Fredeburg. Mit 13 Jahren fing er an, Cannabis zu konsumieren, später folgten noch PEP und Ecstasy. Er hatte keine Strukturen im Elternhaus, erlebte massive häusliche Gewalt und fand in Cannabis die Wärme, die er zuhause nicht erhielt. Er brauchte den Stoff als Motivations- und Leistungssteigerung. So schaffte er den Hauptschulabschluss und begann eine Lehre, die dann in die Talfahrt führte: Leistungsdruck, fehlendes Geld, Rauswurf aus dem Elternhaus. Er strandete bei einem älteren Kumpel, wo er schließlich zum Eigengebrauch und für „seine Freunde“ illegal Cannabis anbaute.

Irgendwann geht es nur noch abwärts

Irgendwann konsumierte er so viel, dass er nur noch alleine in seiner Welt lebte, die Prüfung der Ausbildung nicht schaffte, den Job verlor. Durch die Caritas-Suchtberatung fand er den Weg in die

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medizinische Rehabilitation in Bad Fredeburg. Da er vorher keine Entgiftung hatte, erlebte er die erste Zeit mit Entzugserscheinungen wie Schlafstörungen, Wahnvorstellungen und Alpträumen.

Mittlerweile geht es ihm besser. Nach der Reha will er in eine Adaptions-Einrichtung, um sich auf dem Weg in ein strukturiertes Leben begleiten zu lassen. Er möchte nochmals eine Ausbildung im Handwerk beginnen. Die körperliche Arbeit unterstütze ihn. Für Jan Schumann, leitender Psychotherapeut der Johannesbad Fachklinik Holthauser Mühle, ist der Fall keine Seltenheit

Kein Einzelfall

„Häufig haben wir mit problematischen Biografien bei Patienten zu tun, aber nicht nur. Es gibt durchaus

Jan Schumann - leitender Psychotherapeut Johannesbad Fachklinik Holthauser Mühle
Jan Schumann - leitender Psychotherapeut Johannesbad Fachklinik Holthauser Mühle © Jürgensmann

Patienten mit unauffälligem Lebenslauf und aus guten Verhältnissen stammend, die durch ihr Umfeld mit Drogen in Kontakt kamen.“

Letztendlich sei aber nicht nur der Lebenslauf entscheidend, sondern die individuelle Reaktion auf psychoaktive Substanzen.

Der Drogenbericht Deutschland 2019 zeige, dass der Konsum von Cannabis weiter auf Vormarsch ist. „Auch wir sehen das so. Insbesondere, dass der Gehalt des THC, was in Cannabis ist, stark gestiegen ist und sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht hat“, so der Psychotherapeut weiter.

Cannabis-Konsum steigt

Jährlich gibt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung den Drogenbericht heraus, der die Veränderungen im Konsumverhalten aufzeigt. Jugendliche und Erwachsene rauchen demnach weniger. Allerdings steige der Cannabiskonsum.

Cannabis sei nach wie vor die am häufigsten konsumierte, illegale Droge, Tendenz seit 2011 steigend. Harte Drogen wie Heroin, Neue psychoaktive Stoffe (NPS) oder Kokain seien insgesamt rückläufig. Dennoch sind opioidhaltige Substanzen wie Heroin weiterhin die Hauptursache für Todesfälle. 2018 waren dies 1276.

Risiko für Psychose gestiegen

Deshalb sei es wichtig, kritische Aufklärung zu betreiben, ohne natürlich zu „dämonisieren“. „Daher ist die Legalisierungsdiskussion aus meiner Sicht problematisch, weil sie bagatellisiert“. Durch das starke Cannabis

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sei auch das Risiko einer Psychose deutlich gestiegen. Das Konsumverhalten habe sich verändert: „Wir beobachten zum Beispiel, dass es kaum noch reine Alkoholabhängige mehr gibt, sondern oft noch eine andere Droge konsumiert wird“, so Schumann. Der Mischkonsum sei somit angestiegen. Schwierig sei zudem, dass der Zugang zu Drogen immer einfacher für Jugendliche oder Erwachsene wird, „denn die Drogenumschlagplätze haben sich verändert.“ Das Internet spiele hierbei eine große Rolle.

Aufklärung ist wichtig

Aufklärung sei wichtig um so etwas zu verhindern „und auf jeden Fall sollte man das Selbstwertgefühl steigern und dafür sorgen, dass das Kind einen Ausgleich zur Schule hat. Eine totale Überwachung bringt hier nichts.“ Erkennen könne man eine Abhängigkeit auch: „Das Verhalten bei Drogeneinnahme ändert sich

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je nach Droge. Sind zum Beispiel Amphetamine oder Kokain im Spiel, erkennt man eine starke Unruhe, aggressives Verhalten, Hyperaktivität. Sind es eher sedierende Substanzen, fallen häufig langsames Reden, Müdigkeit und glasige Augen auf.“

In beiden Fällen sinken meist die schulischen Leistungen. „Dann sollte man sich mit dem Kind an eine Beratungsstelle wenden.“