Meschede. Loverboys gaukeln große Liebe vor und drängen ihre Mädchen in die Prostitution. Ein Missbrauchs-Fall aus dem HSK weist Parallelen auf.
Sie sprechen von Liebe, erschleichen sich das Vertrauen junger Mädchen, und drängen sie schließlich in die Prostitution. Die so genannte Loverboy-Masche hat kürzlich den NRW-Landtag beschäftigt. Unter anderem erzählte eine Betroffene, dass sie als junges Mädchen sechs Jahre für ihren vermeintlichen Freund anschaffen ging. In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Meldungen von Opfern und Angehörigen gestiegen, heißt es in der Stellungnahme der Elterninitiative für „Loverboy“-Opfer. Betroffen seien junge Mädchen in Städten, aber auch Landkreisen.
Der Hochsauerlandkreis gehört laut Kriminalstatistik nicht dazu. Denn den Beamten der Kreispolizeibehörde sind aus 2016/17 und 2018 keine Loverboy-Fälle bekannt. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts wurden 2016 und 2017 nur je zwei Fälle von Menschenhandel mit der Loverboy-Methode erfasst, 2018 waren es drei Fälle.
Extrem hohen Dunkelziffer
Das Bundeskriminalamt geht in seiner Auswertung 2017 davon aus, dass bundesweit die Loverboy-Masche bei mehr als einem Viertel der Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung angewendet wurde. Bei der Loverboy-Methode sei von einer „extrem hohen Dunkelziffer“ auszugehen, sagt der Gutachter Jürgen Antoni während der Expertenanhörung in Düsseldorf. Die Täter sind laut Antoni Männer zwischen 18 und 28 Jahren, meist ausländischer Herkunft, die gezielt nach Mädchen suchen, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen, um sie später in Form von Zwangsprostitution auszubeuten.
Auch Sabine Reeh von der Beratungsstelle Tamar hat sich noch keine Frau anvertraut, die auf die Loverboy-Masche reingefallen ist. Tamar berät und betreut Frauen, die unter anderem im Hochsauerlandkreis als Prostituierte arbeiten. Reeh und ihre Kolleginnen besuchen die Frauen oft dort, wo sie arbeiten, und bauen so enge Kontakte und Vertrauen auf. Deshalb haben sie einen guten Überblick über die Szene. „Ob es in ländlichen Gebieten tatsächlich keine Opfer der Loverboy-Methode gibt, können wir nicht sagen“, erklärt Sabine Reeh.
Mann liebt Zwölfjährige
Kriminalhauptkommissar Stefan Didam vom Kommissariat Kriminalprävention/Opferschutz rät Eltern besonders auf Wesensveränderungen bei ihren Kindern zu achten. Diese seien immer ein „Warnzeichen“ und könnten sich ganz unterschiedlich bemerkbar machen. Zum Beispiel durch Ritzen, Gewichtsverlust, plötzliche Heimlichtuerei, Änderung des Kleidungsstils. „Da sollten Eltern immer genauer hinschauen.“ Auch wenn plötzlich ein deutlich älterer Freund im Leben der Tochter auftauche, über den man so recht nichts rausfinden könne. „Normalerweise ist das ja im Sauerland anders.“
Als Beispiel nennt er einen Fall aus Brilon aus der jüngsten Vergangenheit. Ein Mann aus Berlin, Ende 20, ging damals eine vermeintliche Liebesbeziehung mit einer Zwölfjährigen aus dem Altkreis Brilon ein. Das Arnsberger Landgericht verurteilte den Mann wegen schweren sexuellen Missbrauchs zu einer dreieinhalbjährigen Gefängnisstrafe. Das Mädchen glaubte an Liebe. Fünf Tage war es verschwunden, war bei ihrem „Freund“ in Berlin. „Das war die Hölle für uns“, sagte der Vater im Prozess. Täter und Opfer hatten sich über das Internet kennengelernt. Aus Chatverläufen ging hervor, dass der Verurteilte häufiger Kontakt zu Minderjährigen gesucht hatte.
Snapshat, Badoo, Facebook
Stefan Didam: „Missbrauchstäter wie im Briloner Fall manipulieren auch ihre Opfer und Umwelt, um den Missbrauch möglich zu machen. Es gibt Parallelen zur Loverboy-Masche.“ Oft entstehen diese vermeintlichen Liebesbeziehungen über soziale Netzwerke wie Snapchat, Facebook oder Badoo. Jungen Mädchen rät er, sich die folgenden Fragen zu stellen: Lügt mein Freund häufig? Habe ich manchmal Angst vor ihm? Möchte er, dass ich Dinge mache, die ich gar nicht möchte? Zum Beispiel Drogen nehmen? Droht er mir mit Gewalt?
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