Hochsauerlandkreis. . Weil er eine Zwölfjährige aus dem Altkreis Brilon zum Sex drängte, muss der Täter aus dem Raum Berlin ins Gefängnis. Vater erlebt “die Hölle.“

„Ich wollte gut für sie sein, aber das war ich nicht. Ich hoffe, dass es ihr irgendwann wieder gut gehen wird.“ Das waren die letzten Worte des zum Tatzeitpunkt 29-jährigen Angeklagten am zweiten und letzten Prozesstag um den schweren sexuellen Missbrauch eines zwölfjährigen Mädchens aus dem Altkreis Brilon. Nach fast einer Stunde Beratung sprach Richter Jäger das Urteil der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Arnsberg: Dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe.

Alptraum für die Eltern

Am zweiten Prozesstag am Dienstag hat der Vater des Mädchens ausgesagt. Unter Tränen und mit zitternden Händen beschrieb der 52-Jährige die schwierige Zeit, in der seine Tochter fünf Tage lang verschwunden war. „Das war die Hölle für uns“. Eigentlich nahm er an, dass sein Kind eine Nacht bei einer Freundin übernachten würde. Als der 52-Jährige am Tag darauf an der Haustür der befreundeten Familie klingelte, erlebte er den Alptraum eines jeden Elternteils. „Sie war gar nicht hier“, sagte man ihm.

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Der Vater konnte nicht ahnen, dass sein erst zwölfjähriges Kind mit einem 29-jährigen Mann, den es im Internet kennen gelernt hatte, nach Berlin aufgebrochen war. Zuvor verbrachten sie eine Nacht in einem Mescheder Hotel, wo es das erste Mal zum Sex kam.

Wie die Nadel im Heuhaufen

Wenige Tage später ortete die Polizei das Handy des Mädchens. Ihre Familie brach sofort in die Hauptstadt auf. „Wir waren in jedem Café, haben an jedem Haus Zettel verteilt, haben Passanten angesprochen. Es war, wie die Nadel im Heuhaufen zu suchen“, berichtete der Vater. Nach vier Tagen Aufenthalt in Berlin fuhr der Angeklagte das Mädchen wieder nach Hause ins Sauerland. Auf dem Weg wurde er von der Polizei gestellt.

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Niemals habe er gedacht, dass sein Kind einfach so abhauen würde, sagte der Vater im Zeugenstand. Sie sei stets zuverlässig gewesen, sei aber schon vor dem sexuellen Missbrauch in psychologischer Behandlung gewesen. Die Verhältnisse innerhalb der Familie beschrieb er als „angespannt“. Unmittelbar vor der Tat sei aber „alles in Ordnung gewesen.“ Nach dem Missbrauch war das Mädchen zunächst in stationärer Behandlung in einer Klinik. Nach wie vor habe sie Termine bei einer Psychotherapeutin. Sie wirke jetzt gefestigt, so der Vater, allerdings falle es ihr nun schwer, unter Menschen zu sein.

Details aus dem Leben des Angeklagten

Am zweiten Prozesstag sind zudem mehr Details über den Angeklagten ans Licht gekommen. Er wurde im Jahr 2010 aus der Bundeswehr entlassen, weil er schon damals kinderpornografische Bilder besaß. Danach habe er als Metallbauer und Techniker gearbeitet, sagte er auf der Anklagebank.

Der schwere Schutz im Netz

Von Boris Schopper

Der Prozess macht auf erschreckende Weise deutlich, wie nah Pädophile durch die Verbreitung von Smartphones und das Internet an die Kinderzimmer herangerückt sind. Ein Klick und sie sind drin in der Welt der oft naiven Minderjährigen.

Cybergrooming ist die virtuelle Form des Anquatschens eines Kindes auf dem Spielplatz. „Geh nicht mit Fremden mit“ oder „Nimm nichts von Fremden an“, hieß es in meiner Kindheit. Die Mahnung brannte sich in den Kopf ein.

Kinder vor der virtuellen Anmache im Netz zu schützen ist weitaus schwerer. Das Gegenüber tarnt sich mit vielleicht einem falschen Profilbild, gaukelt vor, es sei viel jünger.

Da hilft es nur, offen mit Kindern zu reden über die Gefahren, die im Internet lauern – ohne Panik zu verbreiten. Denn das Netz und die sozialen Medien sind ein erheblicher Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen.

Das Urteil mit Haftstrafe – so begrüßenswert es auch ist – schreckt potenzielle Täter sicherlich nicht ab – egal, ob sie ein krankhaftes sexuelles oder ein erpresserisches finanzielles Interesse an ihren Opfern haben.

Schon seit vielen Jahren suchte der heute 31-jährige Deutsche den Kontakt zu Minderjährigen in sozialen Netzwerken. Aus Chatverläufen ging hervor, dass der Beschuldigte mit einem „Gleichgesinnten“ Erfahrungen austauschte. „Ab circa neun Jahren werden sie interessant“, schrieb der Angeklagte in einem Chat.

Die Plädoyers

Bis heute hat sich der 31-Jährige trotz seiner pädophilen Neigung nicht in Behandlung begeben. Vor dem Landgericht wurde er auch verurteilt, weil er mehr als 100 kinder- und jugendpornografische Bilder sowie Videos besaß. „Sie hatten genug Zeit, sich professionelle Hilfe zu holen“, sagte Staatsanwältin Bramlage. Sie forderte vier Jahre und zwei Monate Haft, Nebenkläger Oliver Brock fünf Jahre. Verteidiger Christian Isselhorst plädierte für eine Strafe von zwei Jahren auf Bewährung, denn sein Mandant habe umfassend gestanden und die Initiative „ging stets von beiden aus“, sagte er. Der Vorsitzende Richter Markus Jäger sah dies etwas anders. „Sie war 12 und somit gar nicht in der Lage, die Tragweite ihres Handelns zu erkennen“, sagte er und blickte den Angeklagten an. „Sie waren der Erwachsene. Sie hätten Verantwortung übernehmen müssen.“

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Die Verfahrensbeteiligten haben eine Woche Zeit, Revision einzulegen.