Meschede/Hochsauerlandkreis. . Im Sauerland findet Prostitution meist in Wohnungen statt. Ein neues Gesetz, das die Frauen schützen sollte, hat die Situation verschlechtert.
Aus dem bekanntesten Freudenhaus in der Nähe, der Villa Silvana in Warstein, wurde ein Ferienhaus. Bordelle oder Saunaclubs gibt es in Meschede und Umgebung nicht. Dass Sexarbeit jedoch weiter stattfindet, zeigen die Annoncen in einschlägigen Internetportalen. Wie hat sich die Branche im Hochsauerlandkreis verändert? Und wie hat sich das Prostitutionsschutzgesetz ausgewirkt, das seit Juli 2017 in Kraft getreten ist? Darüber sprachen wir mit Sozialpädagogin Sabine Reeh und Sozialarbeiterin Tanja Mesic. Sie arbeiten bei Tamar, eine Beratungsstelle für Prostituierte in Südwestfalen und Hamm.
Tamar gibt es sein vier Jahren. In dieser Zeit haben sich Reeh und Mesic in mühsamer Arbeit ein Netzwerk und Vertrauen zu den Frauen aufgebaut. Sie beraten und begleiten auch die Frauen, die nicht bei den Behörden angemeldet sind. Mit einem unauffälligen Bulli fahren sie über Land und suchen die Frauen dort auf, wo sie leben und arbeiten. „Wir helfen den Frauen in allen Lebenslagen“, sagt Tanja Mesic. Zum Beispiel bei Arztterminen oder Behördengängen.
Wo findet Prostitution im Hochsauerlandkreis statt?
Es gibt beispielsweise angemeldete Betriebe in Arnsberg, Winterberg und Brilon. Beim ersten Ort spiele die verkehrsgünstige Lage, bei den beiden anderen Orten auch der Tourismus eine Rolle. In Meschede, Schmallenberg, Eslohe und Bestwig gibt es keine offiziellen Bordelle oder Clubs. Die Prostitution findet, so die Tamar-Beraterinnen, meist in nicht-öffentlichen Bereichen statt. Also in Privatwohnungen. Parkplätze oder Wohnwagen gibt es in Südwestfalen, nicht jedoch im Hochsauerlandkreis. Insgesamt sind der Beratungsstelle zehn Betriebe im HSK bekannt. In Südwestfalen gibt es insgesamt 50 Betriebe, die meisten davon in Siegen-Wittgenstein und im Kreis Soest (jeweils 14). Im Kreis Soest geht Tamar von 500 Frauen aus, die sexuelle Dienstleistungen anbieten.
Wie hat das Prostitutionsschutzgesetz die Branche verändert?
Das Gesetz ist seit Juli 2017 in Kraft. Prostituierten sind seither verpflichtet,
ihre Tätigkeit anzumelden. Zeitgleich sind die Auflagen – auch baulicher Art – für angemeldete Bordelle und Clubs gestiegen. So will der Gesetzgeber die Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen aus der Illegalität holen und Kriminalität in der Prostitution wie Menschenhandel, Gewalt und Ausbeutung verbessern. „Das Gegenteil ist eingetreten“, sagt Sozialarbeiterin Tanja Mesic, da die Frauen den Gang zu Behörden meiden. Oft auch, weil sie befürchten, dass die Familien in den Heimatländern etwas von ihrer Tätigkeit in Deutschland mitbekommen. „Seit Juli 2017 ist die Anzahl der Betriebe gesunken. Besonders kleinere Betriebe mussten schließen, weil sie die geforderten Auflagen nicht erfüllen konnten.“ Gleichzeitig beobachtete Tamar, dass die Online-Anzeigen der Prostituierten stark gestiegen sind. Reeh: „Für Behörden und Beratungsstellen sind die Frauen dort unerreichbar.“
Wie arbeiten die Prostituierten?
„Das ist unterschiedlich. Manche arbeiten lieber in Clubs, andere möchten nicht erst an der Bar sitzen, arbeiten lieber tagsüber, allein oder zu zweit“, erklärt Sabine Reeh, die Sozialpädagogin berät und unterstützt seit 17 Jahren Prostituierte. Tanja Mesic: „Aber eine Sache fällt besonders auf: Die Frauen sind untereinander gut vernetzt und sehr mobil. Frauen, die wir in Brilon getroffen haben, sahen wir zum Beispiel in Siegen wieder.“ Das Klischee des Zuhälters, der zum Kassieren vorbei komme, träfe kaum zu. „Die Frauen sprechen eher von ihrem Freund, der ihnen hilft“, sagt Reeh. Oft arbeiten die Prostituierten für sich allein, um mit dem Geld ihre Familie im Herkunftsland zu unterstützen. „Viele haben Kinder, die dann bei den Großeltern leben“, so Mesic. Die meisten Familien wissen nicht, womit die Frauen in Deutschland ihr Geld verdienen.
Wie kommt der Kontakt zwischen Freier und Prostituierten zustande?
„Meistens über das Internet“, erklärt Sabine Reeh. Dort annoncieren die Frauen. Die Kombination Hure und Meschede liefert bei Google allein knapp 60.000 Treffer.
Woher kommen die Prostituierten im Hochsauerlandkreis?
- Mehr als die Hälfte der Frauen kommt aus Rumänien und Bulgarien. In Südwestfalen und Hamm lag der Anteil bei 30 bzw. 28 Prozent.
- Gefolgt von Thailand (9%), Deutschland (8%), Polen (6%), Russland und Litauen (je 6%).
- Die Zahlen beziehen sich auf die Tamar-Beratungen im Jahr 2018.
Wie unterscheidet sich Prostitution auf dem Land von der in der Stadt?
Sabine Reeh und Tanja Mesic arbeiteten vor ihrer Tätigkeit in Südwestfalen in der Stadt Dortmund. Dort gab es bis 2011 einen Straßenstrich in der Nordstadt. Große Bordelle oder Clubs gibt es hauptsächlich in den Ballungsräumen. „Hier findet Prostitution meist im Verborgenen statt. Auf dem Land blinkt es nicht“, sagt Reeh.
- Die Beratungsstelle TAMAR mit Sitz in Soest wird von der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen und dem Bezirksverband der Siegerländer Frauenhilfen unterstützt.
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