Meschede. Büchereileiterin Gisela Fildhaut erzählt vom Wandel der Bibliotheken. Viele Vorstellungen sind längst veraltet und stimmen nicht mehr.

Aus Liebe zum Buch hat Gisela Fildhaut vor 34 Jahren ihren Job in der Stadtbücherei Meschede angetreten. Heute ist sie Bibliotheksleiterin und hat den Wandel der Büchereien aus nächster Nähe miterlebt. Dass es nicht mehr nur ums Bücher lesen geht, erläutert sie im Gespräch.

Welchen Wandel haben die Büchereien durchlebt?

Fildhaut: Ich arbeite seit 1985 in der Stadtbücherei Meschede. Seitdem hat sich alles verändert, besonders in letzter Zeit. Bibliotheken entwickeln sich immer mehr fort von den reinen Bücherausleihen und hin zu Treffpunkten, wo man verschiedene Medien selbst ausprobieren kann.

Muss man in der Bibliothek nicht leise sein?

Gisela Fildhaut, Leiterin der Stadtbücherei Meschede, hält sich einen Tonie samt Box ans Ohr. In der Bücherei gibt es längst mehr als nur Bücher zum Ausleihen.
Gisela Fildhaut, Leiterin der Stadtbücherei Meschede, hält sich einen Tonie samt Box ans Ohr. In der Bücherei gibt es längst mehr als nur Bücher zum Ausleihen. © Lisa Dröttboom

Moderne Büchereien haben sich längst von dem Bild der strengen und stillen Büchereien gelöst. Wir in Meschede sind ein Ort der Kommunikation. Sprechen ist erwünscht, wir bitten einzig um Rücksichtnahme. In einer Zeit, in der es immer weniger Orte gibt, an denen man sich kostenlos treffen und reden kann, werden diese wenigen Stellen umso bedeutsamer.

Wie viele verschiedene Medien bietet die Stadtbücherei denn an?

Wir haben nicht nur Bücher, sondern auch Hörbücher, Spiele, Zeitschriften, DVDs, Tonies (Hörspielfiguren für Kinder) und seit 2013 auch eBooks. Die Leute nehmen es mit Freuden an. Gerade die eBooks machen mittlerweile rund 20 Prozent unserer Ausleihen aus, dadurch haben wir wieder an Präsenz und Bedeutung gewonnen. Im Hochsauerland sind die Wege zur nächsten Bücherei weit, da freuen sich die Leute, wenn sie keine weiten Anfahrten auf sich nehmen müssen.

Ist das Angebot von Filmen nicht eher schädlich für die Lesefreude?

Warum? DVDs und Bücher sind keine Konkurrenz, von dem Denken müssen wir uns entfernen. Im Idealfall habe ich nach dem Gucken des Films Lust, das Buch zu lesen. Oder umgekehrt.

Manche Büchereien bieten bereits Konsolenspiele an. Überlegt die Stadtbücherei Meschede, so etwas auch zu tun?

Onleihe ermöglicht größere Vielfalt

Das digitale Angebot findet man unter onleihe24.de.

Es ist ein Angebot von 40 Stadtbibliotheken aus dem Regierungsbezirk Arnsberg.

Durch diesen Zusammenschluss können die Büchereien Titel anbieten, die sie sonst mit ihrem Etat in dieser Fülle nicht mehr zur Verfügung stellen könnten.

Bisher nicht. Je mehr wir uns von einer Ausleihstelle zu einem Treffpunkt entwickeln, desto mehr werden unsere Räumlichkeiten zu einem Problem. Wir haben hier nicht genug Platz, um den Kunden die Möglichkeiten zu bieten, Konsolenspiele zu spielen. Deshalb bieten wir sie bisher nicht an.

Aus wie vielen verschiedenen Titeln können die Leute auswählen?

Hier vor Ort haben wir rund 16.000 Medien zum Ausleihen – in der Regel gibt es dann immer ein Exemplar, von Bestsellern auch mal zwei. Bei der Onleihe (dem elektronischen Angebot der Stadtbüchereien) haben die Kunden rund um die Uhr Zugriff auf rund 21.000 verschiedene Titel mit 70.000 Lizenzen - und somit rund 3 Exemplaren pro Titel. Und nicht nur eBooks, wie manche Leute glauben, sondern auch eAudios (Hörbücher) und ePapers (Zeitungen und Zeitschriften). Mittlerweile bieten wir auch verschiedene eLearning-Kurse über unser Onlineportal an, zum Beispiel in den Bereichen Sprache, Software, berufliche Weiterbildung, Freizeit und Gesundheit.

Was kann man tun, wenn ein Medium vergriffen ist?

Ist ein Titel gerade ausgeliehen, kann man ihn vorbestellen. Der Titel wird dann reserviert und man wird benachrichtigt, sobald man ihn ausleihen oder downloaden kann. Ist ein Titel gar nicht im analogen oder digitalen Bestand der Stadtbücherei, kann man ihn über die Fernleihe aus einer anderen Bibliothek in Deutschland ausleihen. Das kostet allerdings eine Zusatzgebühr.

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Was unternimmt die Stadtbücherei, um sich bei Kindern attraktiver zu machen?

Wir machen in der 2. und 5./6. Klasse spielerische Bibliothekserkundungen. Seit ein paar Jahren nutzen wir dafür auch eine App und schicken die Schüler mit ihren Smartphones auf eine Rallye. Wir zeigen den Kindern auf diese Weise unsere Bibliothek und sie lernen dabei eigenständig, welche Möglichkeiten sie haben, um Informationen zu suchen und zu finden. Zum Beispiel zeigen wir ihnen, wie sie die Internetsuche effektiver gestalten können.

Bietet die Stadtbücherei auch Lesungen an?

Wir organisieren Lesungen für die dritten Schuljahre der örtlichen Grundschulen. Lesungen für Erwachsene haben wir bislang sehr wenig gemacht, aber wir arbeiten derzeit mit der Stadt daran, diese Lücke langsam zu schließen. Im Oktober kommt zum Beispiel der Bremer Ex-Oberbürgermeister Henning Scherf für eine Lesung zu Besuch. Im Februar 2020 haben wir dann den Tatort-Schauspieler und Gerichtsmediziner der Justizvollzugsanstalt Werl, Joe Bausch, zu Gast.

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