Winterberg. Ehepaar Wahle verwöhnt seit 1999 die Zuschauer des Filmtheaters Winterberg mit einem Wohlfühlerlebnis. Es ist ein Vorreiter in Deutschland.
Es ist ein kleines, unscheinbares Haus in der Nuhnestraße. Kein Schild in der Stadt weist den Weg zum Filmtheater Winterberg. Dabei verbirgt sich hinter den Schiebetüren ein kleines Paradies für die Seele. Ehepaar Wahle ist immer auf der Suche nach neuen Ideen und Projekten, um ein breites Programm für alle Altersschichten bieten zu können. „Das berücksichtigen wir auch bei der Auswahl der Filme“, sagt Annette Wahle.
Aber auch abseits des klassischen Kinoprogramms hat das Filmtheater einiges zu bieten. „Wir machen auch Liveübertragungen“, erzählt die 56-Jährige. „Wir haben auch schon mal etwas ganz anderes gemacht und ein Rammstein-Konzert übertragen. Da hatten wir mal einen ganz anderen Kundenstamm in den Sälen. Das war wirklich interessant.“
Ein Jahreshighlight sind die Bayreuther Festspiele, die auch in diesem Jahr wieder übertragen werden. „Das ist bei uns nicht nur eine einfache Übertragung. Das ist ein Event.“ Und deshalb gibt es in der Pause auch Snacks, das Foyer wird geschmückt und Ehepaar Wahle zieht sich schick an. „Das gehört bei uns mit dazu. Wir wollen, dass das Gesamtpaket stimmt.“
Verlagerung aufs Wochenende
Die gesellschaftlichen Veränderungen gehen an dem Kino natürlich nicht spurlos vorbei. „Klar merkt man, dass in den letzten Jahren eine Verlagerung stattgefunden hat“, sagt Joachim Wahle. „Durch die Ganztagsschulen, Netflix und Co. ist es unter der Woche deutlich ruhiger, dafür ist am Wochenende mehr los.“ Auch die Hitzewellen machen sich bemerkbar. „Dabei ist es hier erfrischend kühl, die Gäste können sich erholen und neue Kraft tanken.“
Das Filmtheater Winterberg- Modern und zum Wohlfühlen
Aber selbst wenn mal nur einer im Kino sitzt, der Film wird trotzdem abgespielt. „Wir spielen auch für einen Gast, das haben wir immer gesagt. Der Film läuft auf jeden Fall, wenn ihn jemand sehen möchte.“
Schafft man es denn bei all der Arbeit, selbst einen Film zu sehen? „Wir bekommen die Filme eher in Etappen mit“, sagt Annette Wahle lachend. „Mal eine halbe Stunde hier, mal eine Viertelstunde dort. Ganz bewusst reinsetzen, das schaffen wir oft gar nicht.“ Sie selbst mag besonders Animationsfilme und Filmkunst.
Auf die Frage, welche Filme auf Joachim Wahle besonderen Eindruck hinterlassen haben, sagt er: „Avatar. Der war einfach toll. Da ist seitdem kein 3D-Film mehr drangekommen. Oder das Wunder von Bern. Normalerweise begleitet der Opa den Enkel ins Kino. Bei diesem Film war es umgekehrt.“
Technisch auf dem neuesten Stand
Was dem Ehepaar auch wichtig ist: Modernität. 2009 wurden die alten Projektoren ersetzt, seitdem sind Filmrollen Geschichte. Als eines der ersten Kinos im Sauerland hielt im Filmtheater die digitale Filmtechnik samt 3D-Anlagen Einzug. „Wir haben hier quasi große Beamer“, sagt Joachim Wahle mit einem Schmunzeln. „Die Filme kommen nicht mehr auf Bändern, sondern per Stick, über das Internet oder Satellit zu uns.“
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Wenn die Filmrollen nicht mehr gewechselt werden müssen, hat Wahle dann mehr Freizeit? „Ich habe nicht weniger zu tun als früher“, betont der 59-Jährige. „Es ist nur andere Arbeit.“ Die digitalen Projektoren haben Befehle für das Abspielen von Filmen, Werbeclips, das Licht, den Vorhang und vieles mehr. Das alles muss Wahle dann zu einer sogenannten Show zusammenbasteln. „Jede Show ist anders, individuell, hat ihre eigene Werbung.“
Vorreiter in Deutschland
Wenn die Achterbahn ins Kino kommt
Ich bin ein begeisterter Kinogänger, doch der Besuch im Filmtheater Winterberg hielt auch für mich überraschende Erkenntnisse parat. Allen voran die „Testfahrt“ in den D-Box-Sitzen.
Da mein Stammkino so etwas nicht besitzt, habe mich nur zu gerne zu einem Test überreden lassen. Gezeigt wurde mir ein kurzer Ausschnitt aus dem Film „Der Polarexpress“. Die rasante Abfahrt des Zuges auf den gefrorenen See ist für mich Achterbahnbegeisterte eine beliebte Szene. Durch das sanfte Vibrieren und Rütteln war der Nervenkitzel noch präsenter, auch wenn der Sitz nur schwache Impulse gibt und einen keinesfalls durchschüttelt. Die Gegenprobe ohne D-Box-Erlebnis war danach geradezu enttäuschend.
Nach der Testfahrt war ich – ähnlich wie bei einer richtigen Achterbahnfahrt – begeistert und gleichzeitig auch erschöpft. Trotzdem spiele ich seitdem mit dem Gedanken, mich mal in den D-Box-Sitz zu setzen. Nur für eine Vorstellung. Empfehlen würde ich es. Ein Film mit diesem Nervenkitzel wäre ein Erlebnis der besonderen Art.
Wer also eh schon überlegt, ob er die Neuverfilmung von „König der Löwen“ anschauen möchte, dem empfehle ich, sich die Sache mit den D-Box-Sitzen mal durch den Kopf gehen zu lassen. Eine Herde Gnus auf sich zustürmen zu sehen, ist bestimmt ein anderes Gefühl, wenn der eigene Sitz dabei vibriert.
Seit 2015 können Besucher die Rundum-Tontechnik mit Dolby Atmos genießen, auch hier gehörte das Filmtheater Winterberg zu den Vorreitern in Deutschland. Noch spezieller, aber auf jeden Fall erlebenswert sind die D-Box-Sitze in Saal 1, die bestimmte Bewegungen auf der Leinwand mitmachen und damit den Kinositz in eine Achterbahn verwandeln.
Selbst die 3D-Brillen sind beim Filmtheater nicht die klassischen „Plastik-Dinger“. Zwar sind sie etwas schwerer als gewohnt, dafür steckt einiges an Technik in den Brillen – und die sorgt für ein anderes 3D-Erlebnis. „Unsere Kunden sind davon begeistert.“
Vor- und Nachteile eines kleinen Kinos
Einen kleinen Dämpfer gibt es für das Ehepaar Wahle trotzdem. „Wir sind halt nur ein kleines Kino hinter den sieben Bergen und das merkt man leider oft“, sagt Joachim Wahle enttäuscht. Nicht nur in der Stadt würden sie unter dem Radar fliegen, wie die mangelnde Beschilderung zeige, auch in der Kinobranche würden die Filmverleiher oft genug vergessen, dass das Filmtheater in Sachen Modernität ganz vorne mitspielt. „Dann fehlt uns schon mal die 3D- oder D-Box-Spur.“
Ein kleines Kino zu führen habe aber auch viele Vorteile. „Wir lieben die Persönlichkeit. Das ist es, was uns wichtig ist“, sagt Annette Wahle. „Wir haben stundenweise Aushilfen, aber ansonsten machen wir hier alles selbst. Und bei all den bürokratischen Pflichten ist es die Kundennähe, die wir schätzen, und die uns für unsere Mühen belohnt. Unser Erfolgserlebnis ist es, wenn die Gäste erfreut, berührt, geschockt oder einfach nur überwältigt aus dem Kino kommen.“
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