Reiste. Beim Abtransport der Glocken aus der Reister Kirche herrschte Wehmut. Ein wenig glücklich war der Pfarrer aber auch. Dazu hat er allen Grund.

  • Drei Glocken aus der Christopheri-Kirche nach Rostock- Reutershagen abtransportiert
  • In Reiste entsteht nun eine „Kunst- und Begegnungskirche“
  • Kleinste der drei Glocken haben die Reister damals selbst bezahlt

„Je näher wir dem Kirchlein kamen, desto stärker vernahmen wir auch das frohe Geläut unserer drei kleinen Glocken, die nun zum ersten Mal mit ihren Stimmen zum Gottesdienst riefen“ - so zitiert das Buch „Die Kirchen des Kirchenkreises Wittgenstein in Wort und Bild“ eine Chronik, die vom 1. Dezember 1968 berichtet. An diesem Tag wurde in Reiste die St.-Christopheri-Kirche der Evangelischen Kirchengemeinde Dorlar mit einem Gottesdienst ihrer Bestimmung übergeben.

Im November 2011 wurde die Kirche entwidmet, durch den demografischen Wandel beständig sinkende Gemeindegliederzahlen zwangen die Gemeinde dazu. Nachdem im vergangenen Dezember nach langer Suche bereits das Kirchengebäude in gute Hände abgegeben wurde, wurden in dieser Woche eben jene drei Glocken abgeholt. Sie läuten jetzt nicht mehr im Hochsauerland, sondern künftig knapp vor der Ostseeküste im Rostocker Ortsteil Reutershagen.

Namen der Glocken stammen aus Breslau

Gegossen wurden die Glocken 1968 - die große hat einen Durchmesser von knapp 70 Zentimetern und wiegt mehr als 200 Kilogramm, die mittlere wiegt bei etwas über 50 Zentimetern Durchmesser knapp 100 Kilogramm und die kleinste wiegt mit etwas weniger als 50 Zentimetern Durchmesser rund 70 Kilogramm. Die Inschriften auf den Glocken lauten, wieder von der großen zur kleinen: „St. Christopherus“ und „Ihr sollt mein Zeugnis sein“, „St. Elisabeth“ und „Selig bist du, die du geglaubt hast“, „St. Bernhardin“ und „Einer trage des anderen Last“. Alle drei Namen stammen von evangelischen Kirchen in Breslau und sind Erinnerung daran, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg oft schlesische Vertriebene waren, die die evangelischen Kirchengemeinden im katholischen Sauerland wachsen oder sogar erst entstehen ließen.

Kleinste Glocke selbst bezahlt

Die Evangelische Kirchengemeinde Dorlar wurde 1947 gegründet.
Gertrud Wenzel aus Reiste kann sich an die Einweihung der St.-Christopheri-Kirche vor knapp 50 Jahren erinnern: Die kleinste Glocke sei von den Reistern selbst gekauft worden. Obwohl es vielen nicht leicht gefallen sei, dieses Geld aufzubringen, so sei es ihnen doch wichtig gewesen.

Zum Gottesdienst rufen

Davon sprach sie jetzt, als Udo Griwahn und Mathias Heitmann von der Firma Turmuhren- und Läuteanlagenbau aus Grimmen in Reiste waren, um die Glocken auszubauen. Auch Pfarrer Jürgen Rademacher, die Presbyter Ulrike Voss und Peter Herrmann sowie Marianne Schneider als neue Besitzerin der Kirche schauten neben den Glockenbauern bei ihren Arbeiten zu. Nach dem Ausbau am Dienstag und der Heimfahrt am Mittwoch brachten die Handwerker die Glocken am Donnerstag an ihren neuen Einsatzort in die Luther-St.-Andreas-Gemeinde in Reutershagen. Und so habe es sich trotz aller Trauer, die Pfarrer Jürgen Rademacher weiter empfindet, jetzt „gut angefühlt“ als die Glocken abtransportiert wurden, weil sie auch weiterhin die Menschen zu Gottesdienst und Gebet rufen würden. Nur eben an einem anderen Ort. Der Kontakt mit der Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern sei ein sehr angenehmer und wertvoller gewesen.

Gedanklichen Verbindung zwischen Reiste und Breslau

Vermittelt hat diesen Kontakt Claus Peter aus Hamm, der als offizieller Glockensachverständiger der Evangelischen Kirche von Westfalen arbeitet und ehrenamtlich diese Funktion in Mecklenburg-Vorpommern bekleidet. Statt in der guten Luft des Hochsauerlandes läuten die Glocken also künftig in der guten Luft an der Ostsee, der gedanklichen Verbindung zwischen Reiste und Breslau im Osten wird ein neuer Ort hinzugefügt: Reutershagen, ebenfalls im Osten.

Die evangelische Christopheri-Kirche in Reiste wird nach ihrer Entwidmung nicht abgerissen .

Nach jahrelanger Suche
hatte sich im Dezember mit Marianne Schneider endlich eine Käuferin für das entwidmete Gotteshaus gefunden.

Entstehen wird nun eine „Kunst- und Begegnungskirche“.

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