Menden. Wie blicken Mendener, die in ihren Heimatländern kein Wahlrecht kennen, auf die Europawahl? Zwei von ihnen berichten, was ihnen wichtig ist.
Für viele der Menschen, die geflüchtet sind, hat die Demokratie in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert - denn die meisten haben in ihren Heimatländern ganz andere Erfahrungen machen müssen. Das wurde einmal mehr bei einem Diskussionsabend im Treff Alt Menden deutlich. Mehr als 20 Gäste aus verschiedenen Nationen nahmen teil. Zwei von ihnen, die bereits den deutschen Pass besitzen, schildern uns ihren Blick auf die Europawahl.
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Mahran Issa gehört zu denjenigen, die mittlerweile einen deutschen Pass besitzen, und erstmalig an einer Wahl teilnehmen dürfen. Der 44-jährige kam 2015 zusammen mit seiner Frau nach Menden. Der Vater zweier Kinder hat in seinem Heimatland Syrien studiert und als Elektroingenieur gearbeitet. Inzwischen spricht er nahezu perfekt deutsch und ist seit sieben Jahren in Hemer als Ingenieur angestellt. Mahran Issa ist sehr ehrgeizig und belegt neben der Arbeit einen Fernstudiengang in Visionstechnik.
Seit wann besitzen Sie die deutsche Staatsbürgerschaft?
Seit zwei Jahren.
Werden Sie an der Europawahl teilnehmen und wenn ja, warum?
Selbstverständlich werde ich wählen, es ist für mich sehr wichtig. Ich habe gelernt, dass freie Wahlen ein wichtiges Werkzeug für die Demokratie sind.
Fühlen Sie sich als Deutscher oder als Europäer?
Ganz klar als Deutscher, inzwischen denke ich schon richtig deutsch. Die Europäische Union als Staatenbündnis ist mir jedoch auch sehr wichtig.
Was fasziniert Sie an Europa?
Ich bin ein Geschichtsfan und habe viele Bücher über die einzelnen Länder gelesen und gemerkt, das alle Staaten in Europa ihre eigene, lange Kulturen haben. Wenn dieses Europa zusammenrückt, finde ich es gut und wichtig.
Politik mitbestimmen
Eine Diskussion im Treff Alt Menden bildete den Abschluss zweier Workshops und eines Besuchs im Landtag. Die Diskussion stand unter dem Thema „Prinzipien der deutschen Gesellschaft, politische Strukturen und Mitwirkungsmöglichkeiten“. Die zum Teil bereits eingebürgerten, ehemaligen Flüchtlinge und diejenigen, die noch auf den deutschen Pass hoffen, konnten den Landtagsabgeordneten Matthias Eggers (CDU) bereits bei seiner Arbeit in Düsseldorf erleben. Nun kam Eggers in den Treff Alt Menden, um mit den Teilnehmenden über die Erfahrungen und die gesammelten Informationen zu sprechen.
Ausschließlich positive Rückmeldungen gab es aus den Reihen der Migranten. Dass in Deutschland jedem Bürger eine Stimme gegeben wird, ist für sie von großer Bedeutung. Und Matthias Eggers brachte es gerne auf den Punkt: „Man muss in Deutschland keiner Elite angehören, um Politik machen zu können.“ Mit dem Wahlrecht haben alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, Politik mitzubestimmen. „Es ist ein Traum, das hier erleben zu dürfen“, war die einhellige Meinung aller in der Begegnungsstätte.
Eggers ermutigte die Migranten, sich einzusetzen in Politik und Gesellschaft. Jedoch machte er klar, dass der Schlüssel für die Gesellschaft die gemeinsame Sprache ist. Es sei unabdingbar für alle, die aus anderen Ländern kommen, zuerst deutsch zu lernen, und sich dann Stück für Stück in die Gesellschaft zu integrieren. Herbert Bölling, einer der Ansprechpartner vom Team Treff Menden, verdeutlichte es noch mehr: „Politische Bildung findet bereits zuhause statt“.
Auch Yasser Aboshaeer ist inzwischen deutscher Staatsbürger. Der 53-Jährige hatte eine lange Odyssee hinter sich, bevor er 2015 nach Menden kam. Der gebürtige Palästinenser, der als Journalist und Chefredakteur in Libyen, Ägypten, Syrien und arabischen Ländern arbeitete, galt als politischer Flüchtling und kam als staatenloser Migrant, ohne Pass nach Deutschland. Für ihn war es ein langer und beschwerlicher Weg, bis sich endlich sein Traum erfüllte und er den deutschen Pass in den Händen hielt. Der Ehemann und Vater zweier Töchter arbeitet als Integrationskraft und Schulbegleiter und war eine zeitlang auch als freier Fotograf für die WP tätig.
Wann haben Sie die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten?
Das war am 13. Juli 2022, damit ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich habe mich bis dahin eher wie ein Geist gefühlt, als wie ein Mensch und jetzt Deutscher sein zu dürfen, ist toll.
Machen Sie von ihrem Wahlrecht bei der Europawahl Gebrauch?
Auf jeden Fall, und das habe ich bereits getan in Form der Briefwahl.
Wie wichtig ist Ihnen das Wahlrecht?
Es ist unglaublich wichtig. Das ist ein Recht, das ich nie hatte und es hat großen Einfluss auf das Leben aller. Ich halte es in einer Demokratie für unabdingbar, sein Wahlrecht auszuüben.
Was bedeutet Europa für Sie?
Sehr viel bedeutet Europa für mich. Ich freue mich über den Zusammenhalt der Staaten und das Bündnis.
Fühlen Sie sich als Deutscher oder als Europäer?
Ich fühle mich ganz klar als Deutscher, ich liebe Deutschland und lebe sehr gerne hier. Das heißt aber nicht, dass ich die anderen europäischen Länder nicht auch kennenlernen möchte, dort überall hinzureisen, das ist noch ein Traum von mir.
Welches Gefühl hatten Sie, als Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch machten?
Ich war so stolz und dankbar dafür, dass ich meine Stimme für Demokratie und Freiheit geben konnte.