Menden. Gesicht zeigen für Demokratie, Einstehen für Vielfalt: 3500 Menschen versammeln sich am Samstag zur Kundgebung vor dem Alten Rathaus.
Es ist ein imposantes und vor allem ein buntes Bild. Rund 3500 Menschen versammeln sich am Samstagvormittag vor dem Alten Rathaus in Menden, um Gesicht zu zeigen für die Demokratie, für Vielfalt und gegen ein Erstarken des Rechtsextremismus. Redner wie Teilnehmer sind sich zum Abschluss einig, ein starkes Zeichen gesetzt zu haben. Wann habe es in Menden zuletzt eine solche Veranstaltung gegeben?
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Bereits um kurz vor halb elf beginnt sich der Platz vor der Vincenzkirche und dem Alten Rathaus zu füllen. „Wir stehen hier für Gerechtigkeit und dass die AfD nicht hochkommt“, sagt Ilonika Rinkefeil, die sich kurz vor Beginn der Kundgebung einen Platz vor der Bühne sucht. Teilnehmer halten Plakate in die Höhe. „Bunt statt braun“ und „Nie wieder ist jetzt“ ist darauf zu lesen. „Ich finde es wichtig, Gesicht zu zeigen“, macht Sonja Elbe deutlich. „Jedes Kind kann Vielfalt, nur die Nazis nicht“ hat sie auf ihr Plakat geschrieben. Auch Ursula Wolf, Helga Meyer und Bärbel Rotter finden es wichtig, Farbe zu bekennen. Das sagen sie nicht nur, sondern zeigen es auch auf einem Plakat in Regenbogenfarben: Menschenrechte statt rechte Menschen. „Jeder braucht jeden“, sind die drei Mendenerinnen überzeugt. „Ich habe Kollegen mit Migrationshintergrund. Wenn sie nicht da wären, würde etwas fehlen“, betont Helga Meyer.
Hoffnung, dass Initiative weiter anhält
Marianne Stein ist niemand, den man typischerweise auf einer Demo vermuten würde. Die 75-Jährige hat durch Freunde von der geplanten Kundgebung erfahren. „Wir sind für mehr Miteinander“, sagt die Mendenerin. „Und wir hoffen, dass die Initiative anhält und sich nicht wieder verläuft.“ Die Möglichkeit, auf die Straße zu gehen, nutzt auch Julia Venus. „Ich finde es ganz toll, dass sich Demokraten auch in kleineren Städten sammeln und dass man damit auch selbst zeigen kann, dass man demokratisch handeln möchte.“ Sie mache sich Sorgen, „dass man nicht mehr miteinander spricht, dass sich Fronten verhärten“ könnten.
Deutlich formuliert Laura Oswald-Jüttner, warum sie am Samstag zum Alten Rathaus gekommen ist: „Ich möchte für Demokratie und Menschenrechte demonstrieren. Die AfD ist keine Alternative für Deutschland, Faschismus ist keine Meinung.“
Kritik: Kundgebung nicht aus der Mitte der Gesellschaft heraus entstanden
Im Vorfeld der Veranstaltung gab es in sozialen Medien durchaus lebhafte Diskussionen. Eine Kritik: Die Kundgebung sei nicht aus der Mitte der Gesellschaft heraus entstanden, sondern von Parteien initiiert. Tatsächlich hatten CDU, Bündnis 90/Grüne und SPD die Demonstration organisiert und angemeldet. Schnell gelang es aber, nicht nur die übrigen demokratischen Parteien als Unterstützer zu gewinnen, sondern auch Schulen, Vereine und Verbände wie den Initiativkreis Mendener Wirtschaft. An diesem Samstag öffnet beispielsweise die Buchhandlung Daub später. Inhaber Andreas Wallentin will seinen Mitarbeiterinnen eine Teilnahme ermöglichen. „Das war echt klasse. Menden kann was“, sagt der Buchhändler nachher.
Auslöser der Proteste
Täglich demonstrieren Zehntausende in Deutschland gegen Rechts. Auslöser der Proteste waren Recherchen des Netzwerks correctiv zu einem geheimen Treffen, bei dem es um die mögliche Remigration geht. Menschen mit Migrationshintergrund sollen demnach Deutschland verlassen.
An dem Treffen in Potsdam nahmen neben Größen aus der rechten Szene auch Mitglieder der zuletzt immer weiter aufstrebenden AfD teil. Für viele Menschen in Deutschland haben die Recherchen das Fass zum Überlaufen gebracht, Demonstrationen sind an der Tagesordnung.
Kundgebungen in anderen Städten:
- Hagen: Demo gegen Rechts - Bericht aus dem Marsch der 5000
- Olpe: Demo gegen Rechts: „Aufstehen für Vielfalt und Demokratie“
- Meschede: „Nie wieder“ - Rund 350 Menschen bei Demonstration
- Siegen: Groß-Demo gegen Nazis - „Remigriert euch ins Knie“
Auch die Reden von den Stufen vor der Vincenzkirche sind politisch, aber nicht parteipolitisch. Einzig der Europaabgeordnete Peter Liese greift die AfD – die Mendener Ratsfraktion nimmt ebenfalls an der Kundgebung teil – direkt an. „Gegen die AfD“, lässt er die Menschen vor dem Alten Rathaus skandieren. Die Organisatoren hatten betont, eine Veranstaltung für die Demokratie zu organisieren und nicht gegen eine einzelne Partei. Dass das eine das andere möglicherweise bedingt, zeigen die Transparente der Demonstrierenden.
Redner und Teilnehmer überwältigt von der großen Teilnehmerzahl
Alle Rednerinnen und Redner, die immer wieder von Applaus unterbrochen werden, sind überwältigt von der großen Teilnehmerzahl. „Das sind Verhältnisse wie beim Turmblasen“, erklärt der SPD-Vorsitzende Mirko Kruschinski. 3500 – das ist die durchaus beeindruckende Zahl, die Polizei und Veranstalter nach der Kundgebung unisono nennen. Neben politischen Vertretern sprechen auch der evangelische Pfarrer Dr. Björn Corzilius und Pfarrer Jürgen Senkbeil, Leiter des katholischen Pastoralverbundes Menden. Für Unterhaltung sorgt die Kapelle „Schwarz-Rot Atemgold 09“, eine Tanzgruppe der Gesamtschule Menden zeigt zudem ihr Können.
Die Menschen in Menden – einige sind auch aus umliegenden Städten gekommen – sind entschlossen, die Demokratie zu verteidigen. Das ist die klare Botschaft. Viele sagen, sie seien zum ersten Mal auf einer Demo. Der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Benjamin Friedrich spricht vielen aus der Seele: „Diese Veranstaltung kann nur der Auftakt sein. Wir müssen weiter machen, ob in Gesprächen zu Hause, im Freundeskreis, bei der Arbeit oder in Verein. Wo immer es nötig ist, müssen wir – wie heute hier gemeinsam – für unsere Demokratie einstehen.“