Menden. Die Partei platziert zum Holocaust-Gedenktag ein Gebinde an religiösem Ort. Die Stadt prüft nun rechtliche Schritte.
Ein starkes Zeichen: 3500 Menschen stehen in Menden vor dem Alten Rathaus und wollen ein Zeichen setzen. CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben zu einer Kundgebung eingeladen. Die Veranstaltung steht unter dem Motto „Demokratie verteidigen! Wir stehen zusammen!“. Zahlreiche Plakate zeigen, dass für viele Menschen die Verteidigung der Demokratie gleichzusetzen ist mit einem Kampf gegen die AfD. Was viele nicht ahnen: Die AfD ist bei dieser Demonstration selbst dabei. Die Ratsmitglieder Rainer Schwanebeck und Helmut Pliquett stehen inmitten der Demonstranten.
Das ist durchaus ungewöhnlich. Weil aber jede Bürgerin und jeder Bürger eingeladen war, dürfen auch sie selbstverständlich dabei sein. Was sie hören, ist für sie nichts Neues: In Deutschland sorgen sich immer mehr Menschen vor einem Rechtsruck, sie fürchten um den Verlust der Demokratie. Als einziger Redner nennt der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese die AfD beim Namen. „Gegen die AfD, gegen die AfD“, lässt er die Menschen skandieren. Viele machen da mit. „Björn Höcke hat das Kommando in der AfD übernommen. Wir müssen gegen die AfD Stellung beziehen. Die AfD hat keine Lösungen für Probleme“, fordert Liese. Das alles scheint an den AfD-Funktionären abzuprallen. Anti-AfD-Plakate hätten sie nicht gesehen, werden sie der WP später sagen.
Demonstration am Holocaust-Gedenktag
Die friedliche Demonstration – für einige Teilnehmer ist es die erste ihres Lebens – setzt ein deutliches Zeichen an einem Tag, der in vielerlei Hinsicht besonders ist. In Menden fällt der Termin für die Kundgebung auf den Holocaust-Gedenktag. Es ist der 27. Januar, Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Bürgermeister Dr. Roland Schröder wird gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten und Kulturausschussvorsitzenden Matthias Eggers einen Kranz auf dem jüdischen Friedhof niederlegen.
Der Weg vom Alten Rathaus dorthin ist kurz. Mirko Kruschinski, gemeinsam mit Marjan Eggers und Benjamin Friedrich Initiator der Demo, ruft die Teilnehmer erfolgreich dazu auf, nicht dorthin zu gehen. Der Friedhof ist klein, das Gedenken soll in aller Stille und im kleinsten Rahmen stattfinden. Als der Bürgermeister mit einigen Begleiterinnen und Begleitern am jüdischen Friedhof ankommt, ist die AfD schon da – in voller Fraktionsstärke. Helmut Pliquett, Rainer Schwanebeck und Charalambos Karagiannidis haben ein Gebinde auf dem Hügel des Friedhofs platziert. Auf der Schleife in Schwarz-Rot-Gold ist auf der einen Seite „Alternative für Deutschland“, auf der anderen „Für Toleranz und gegen Hetze“ zu lesen.
AfD sieht sich in der Opferrolle
„Wir gedenken wirklich der Verstorbenen, das ist kein Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit, Anm. d. Red.)“, sagt Karagiannidis. Dass es mit dem Gedenken möglicherweise doch nicht ganz so weit her ist, zeigt sich im weiteren Verlauf des kurzen Gesprächs mit der WP. „Das sind Verhältnisse wie 1933. Gegen eine kleine Gruppe wird gehetzt, sie soll verboten werden. Ich mag sowieso keine Sozialisten – keine europäischen und keine deutschen. Die konservative Mitte lässt sich von ihnen mitreißen“, so Karagiannidis. Die AfD als verfolgte Minderheit, in der Opferrolle. Rainer Schwanebeck hat eine Vorahnung: „Es wird nicht lange dauern, bis unser Gesteck weg ist.“
Auch interessant
Jüdischer Friedhof gilt als geschützter Ort
Bürgermeister Roland Schröder und Matthias Eggers ignorieren die Populisten vor Ort. Der Kranz der Stadt wird auf einem der Gräber niedergelegt – im Stillen und mit dem AfD-Gebinde im Rücken verneigen sich beide noch einmal, bevor sie den Friedhof verlassen. Der Stadtsprecherin Vanessa Wittenburg bleibt es vorbehalten, das Tor zum Friedhof wieder abzuschließen. Er ist ein geschützter Raum und der Öffentlichkeit nur zu besonderen Anlässen zugänglich. Rainer Schwanebeck hat vom AfD-Gebinde noch schnell ein Foto mit seinem Handy gemacht, das später bei Facebook auftaucht. Schwanebeck schreibt dazu: „Hier das Foto unseres Gestecks, das wir heute auf dem jüdischen Friedhof in Menden abgelegt haben und das laut Auskunft der Polizei auf Anordnung der wahren Hetzer in unserer Stadt entfernt wurde.“
Stadt Menden prüft rechtliche Schritte
Die Ahnung ist nicht unbegründet – noch am Samstag entfernt die Stadt das Gebinde. Möglicherweise hätte das AfD-Gesteck dort nie liegen dürfen. Um es vor Ort zu platzieren, musste die Partei auf das Grundstück gelangen. Unklar ist noch, ob es dabei verschlossen war. Wenn ja, wäre möglicherweise der Tatbestand eines Hausfriedensbruchs gegeben. Die Stadt Menden sammelt laut Bürgermeister Schröder derzeit noch Informationen. „Wir prüfen rechtliche Schritte. Sollte es aus unserer Sicht ein Fehlverhalten geben, werden wir allerdings mit allen Mitteln dagegen vorgehen. Es würde sich dann nicht um ein Kavaliersdelikt handeln“, erklärt Schröder auf WP-Anfrage.
- 3500 Menschen gehen in Menden für die Demokratie auf die Straße
- Kundgebung für Demokratie in Menden – die Fotos
- Demo am Samstag: Menden setzt ein Zeichen für die Demokratie
Manuela Schmidt, Leiterin des auch für die Friedhöfe zuständigen Ordnungsamtes, ergänzt, dass die Stadt in engem Kontakt mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe steht, in dessen Besitz sich der jüdische Friedhof befindet. Die Stadt Menden hat kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Pflege übernommen, seit 1996 gibt es einen Erlass als politische Grundlage. Die AfD wurde von der Stadt darüber informiert, dass das Gesteck im Ordnungsamt für den Eigentümer zur Abholung bereitliege. Bis Dienstagmittag ist das nicht geschehen.