Menden. Seit Tagen geht bei Stadt und Kreis nichts mehr: Hacker haben die Südwestfalen IT lahm gelegt. Wie das die Menschen beeinträchtigt.
Einsen und Nullen beeinflussen unser Leben wie kaum etwas anderes. Das wird dieser Tage einmal mehr deutlich. Nach einem Hackerangriff auf die Südwestfalen IT ist die digitale Infrastruktur bei Städten, Gemeinden und dem Märkischen Kreis selbst lahm gelegt. Welche Folgen das nicht nur für Verwaltung, sondern auch für Menschen im MK hat.
Was, wenn der Urlaub ins Wasser fällt?
Seit gut einer Woche gibt es zumindest eine vorübergehende Lösung: Der Märkische Kreis hat wie die Mendener Verwaltung inzwischen eine provisorische Internetseite an den Start gebracht. Doch damit sind längst nicht alle Probleme, die der Hacker-Angriff verursacht, gelöst. Die Bürgerbüros in Iserlohn und Lüdenscheid sind ebenso geschlossen das Straßenverkehrsamt. Einen Lichtblick gibt es jedoch: Am 8. November soll zumindest die Ausländerbehörde ihren Dienst wieder aufnehmen. Gleichwohl: Wer einen neuen Personalausweis oder Reisepass für die Flitterwochen oder den Herbst-Urlaub braucht - wird wohl erst einmal leer ausgehen. Aber wer haftet, wenn ich meinen Urlaub nicht ohne neu ausgestellten Personalausweis antreten kann und am Gate abgewiesen werde?
Insgesamt sind 72 Kommunen im Märkische Kreis, im Hochsauerlandkreis, im Kreis Olpe, im Kreis Siegen-Wittgenstein, im Kreis Soest sowie mehrere Kommunen im Rheinisch-Bergischen Kreis von der Cyber-Attacke betroffen
Im Zweifel müssen die Koffer statt über das Rollfeld wieder in den Kofferraum des Autos wandern. Aktuell ist laut Stadt nur die Abholung bereits gelieferter Reisepässe und bereits gelieferter Personalausweise möglich - allerdings nur, wenn der PIN-Brief bereits per Post zugestellt wurde. „Wir können hier leider noch keine Entwarnung geben“, erklärt Stadtsprecherin Vanessa Wittenburg auf WP-Anfrage. Wer sich kurzfristig in einer anderen Stadt oder anderem Kreis Ersatz erhofft, wird allerdings enttäuscht werden. Denn dafür ist im Vorfeld eine Passunbedenklichkeit sowie Passversagensgründe zu prüfen. Und auf diese Daten habe man derzeit schlichtweg keinen Zugriff. Einzige Hilfe für Betroffene bleibt damit die Bundespolizei an Flughäfen oder Bahnhöfen. Dort können vorläufige Reisedokumente ausgestellt werden. „Dies gilt nur, wenn die Erteilung eines (vorläufigen) Reisedokumentes bei einer Passbehörde nicht mehr rechtzeitig zu erwarten ist“, heißt es dazu auf der Internetseite der Behörde. Hinzu kommt: Staaten, die vorläufige Dokumente nicht anerkennen, sind von vornherein ausgeschlossen. Das betrifft Länder wie Großbritannien, Nordirland, Ägypten, die Türkei oder Sri Lanka.
Was, wenn das neue Auto nicht fährt?
„Wir sind in vielen Bereichen leider nicht arbeitsfähig. Wer beispielsweise im Märkischen Kreis wohnt, hat aktuell keine Möglichkeit, ein Fahrzeug an- oder umzumelden“, teilt der Märkische Kreis auf seiner provisorischen Internetseite mit. Jemand, der diese Probleme derzeit tagtäglich erlebt, ist Ahmet Öztürk. Zusammen mit seiner Frau leitet er das Unternehmen „MK-Zulassungen“ in Lendringsen. Kunden sparen sich mit einem Anruf bei Ahmet Öztürk den bisweilen nervigen Gang zum Straßenverkehrsamt. Doch den kann er sich derzeit buchstäblich selbst sparen. „Es gibt da Vor- und Nachteile. Zum einen geht es für die Kunden momentan nicht sofort. Auf der anderen Seite kann ich mehrere Aufträge sammeln und gebündelt abgeben.“ Und das läuft derzeit komplett manuell. Öztürk sammelt die Aufträge und bringt die gesammelt zum Straßenverkehrsamt. Wann die dutzenden An- und Ummeldungen allerdings abgearbeitet werden können, könne er seinen Kunden derzeit nicht sagen. „Ich kann derzeit nur vermitteln und nichts versprechen. Ob es eine Woche oder einen Monat dauert, kann ich nicht sagen“, so der KfZ-Experte. Er hoffe nun einfach darauf, dass sich die Schwierigkeiten in den kommenden Tagen wieder legen.
Darauf hofft auch Tobias Kaatz. Er ist Betriebsleiter im Motor Center Heinen am Bräukerweg. Sein Eindruck mit Blick auf den Hacker-Angriff: „Viele Privatkunden haben das derzeit gar nicht so auf dem Schirm.“ Im Kundengespräch versuche man derzeit allerdings auf die Problematik rund um die KfZ-Anmeldung aufmerksam zu machen - und das mit Erfolg. „Viele Kunden haben dafür Verständnis“, sagt Kaatz. Ohnehin: Die Kunden, die mit einem neuen oder gebrauchten Fahrzeug betroffen sind, seien umgehend informiert worden. Dabei habe das Autohaus sprichwörtlich Glück im Unglück gehabt. Denn rote KfZ-Kennzeichen, die für Probefahrten herausgegeben werden, müssen mindestens einmal im Jahr beim Straßenverkehrsamt gemeldet werden. „Und unsere Nummern wären am 9. November ausgelaufen. Wir saßen da echt auf heißen Kohlen“, sagt Tobias Kaatz. Schlussendlich konnten die notwendigen Daten allerdings ans Kraftfahrtbundesamt gemeldet werden - komplett manuell auf dem Postweg, statt sonst digital. Neue Fahrzeuge, die aktuell nicht angemeldet werden können, müssen derweil auf dem Hof des Autohauses auf ihre neuen Besitzer warten.
Ähnlich sieht‘s bei der Autohaus Stamm Gruppe aus, die mehrere Filialen in Arnsberg und Menden betreibt. Dass Kunden aufgrund der Schwierigkeiten zurückhaltender beim Autokauf sind, könne Firmenchef Andre Wahle derzeit aber nicht erkennen. „Die Lage ist bisher recht überschaubar.“ Auf eine Anmeldung vom Autohaus - als Service am Kunden - beim Straßenverkehrsamt müsse man derzeit in Arnsberg wie auch an der Holzener Straße in Menden verzichten. „Das ist für die Kunden natürlich ärgerlich“, sagt Andre Wahle auf WP-Anfrage.