Menden. Die Dorte-Hilleke-Bücherei Menden soll zum Nordwall umziehen. Das hat der Kulturausschuss entschieden. Die Kritiker bleiben standhaft.

Dr. Alexander Zibis und mehrere Schülerinnen und Schüler haben die Sitzung des Ausschusses für Kultur und Tourismus am 20. Juni geprägt. Sie haben zahlreiche kritische Fragen gestellt und deutlich gemacht, dass sie den Erhalt der Dorte-Hilleke-Bücherei am aktuellen Standort im Alten Rathaus fordern. Vergeblich ­– letztlich stimmte eine deutliche Mehrheit für den Umzug in das neue Geschäftshaus am Nordwall. Die Entscheidung zur Umsetzung des Bibliothekskonzeptes fiel sogar einstimmig. WP-Redakteur Dirk Becker hat Alexander Zibis, Julia Zibis (17), Vincent Hübner (18) und Benjamin Barthel (18) vor dem Alten Rathaus zum Interview getroffen.

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Herr Zibis, welche Bilanz ziehen Sie nach der Sitzung? Können Sie die getroffenen Entscheidungen akzeptieren?

Alexander Zibis: Man kann mit dem Ergebnis der Sitzung nicht zufrieden sein. Selbstverständlich akzeptiere ich demokratisch herbeigeführte Entscheidungen. Diese müssen auf transparenten Verfahren basieren, in denen alle relevanten Argumente gründlich diskutiert und die Bürgerinnen und Bürger angemessen beteiligt werden. Das ist im Hinblick auf die Modernisierung der Stadtbücherei allerdings noch nicht geschehen. Mir fehlen Antworten auf viele dringliche Fragen und auch das Gefühl, dass eine Bürgerbeteiligung überhaupt von allen erwünscht ist.

Quellenhinweis

Dr. Alexander Zibis hat in dem Interview erklärt, dass er Zweifel habe, „dass eine Bürgerbeteiligung überhaupt von allen erwünscht“ sei. Hierbei hat er Bezug auf das Protokoll zur Sitzung des Ausschusses für Kultur und Tourismus (https://sessionnet.krz.de/menden/bi/si0057.asp?__ksinr=22672) und den WP-BerichtFDP kritisiert inhaltsloses Protokoll“ (18. Juli, Seite 17) genommen. Für die bessere Lesbarkeit nennen wir die Quellen an dieser Stelle separat.

Deshalb fällt es mir schwer, den vom Kulturausschuss eingenommenen Standpunkt so hinzunehmen. Höchst irritierend finde ich in diesem Zusammenhang, dass Bürgermeister Dr. Schröder im Vorfeld der Sitzung ein Telefonat mit meinem Chef führt, in dem er Zweifel an meiner Verfassungstreue äußert. Tatsächlich hatte ich nach einem Treffen unserer Schülerinnen mit ihm von „Scheindemokratie“ gesprochen, falls der Dialog mit der Bevölkerung von den Verantwortungsträgern nicht transparent und ergebnisoffen geführt wird. Wären in der Sitzung die zahlreichen Nachfragen zum angeblich notwendigen Umzug beantwortet worden, dann wäre das ein wichtiges Zeichen des Respekts nicht nur gegenüber den Umzugskritikern, sondern gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern gewesen. Auf diese Antworten warten wir bis heute. Auch auf die Fragen von Monika Adolph (FDP-Ratsfrau, Anm. d. Red.) wurde leider nicht angemessen eingegangen.

Würden Sie die Abstimmung dennoch so bewerten, dass eine demokratische Entscheidung getroffen wurde?

Alexander Zibis: Die Politikerinnen und Politiker sollen im Hinblick auf das kommunale Gemeinwohl den Willen der gesamten Bürgerschaft repräsentieren. Das ist hier noch nicht erkennbar. Solange nicht erklärt wird, warum sich die Bücherei von der ersten Adresse Mendens, die auch noch Eigentum der Stadt ist, ohne Not in ein Mietverhältnis in einem Geschäftsgebäude begibt, das viel mehr von ihr profitiert als umgekehrt, bleibt bei uns der Eindruck, dass das neue Bibliothekskonzept nur ein Mittel zum Zweck ist. Anders als es oft dargestellt wurde, sind auch wir für mutige Investitionen in diese wichtige Bildungsinstitution. Was es jedoch bringen soll, Millionen für Mieten anstatt für Menschen und Bildungsgüter auszugeben, erschließt sich uns nicht. Wir wollen auch neue Wege für die Bibliothek, aber sie muss Sprache, Kommunikation und zwischenmenschliche Begegnungen in den Mittelpunkt stellen. Das ist der Kern einer Stadtbücherei. Wir haben das mehrfach deutlich gemacht und sind im Übrigen der Auffassung, dass sich alle wesentlichen Verbesserungen im Alten Rathaus besonders gut umsetzen lassen. Wir sind also keineswegs gegen demokratisch herbeigeführte Veränderungen.

Welcher Eindruck bleibt denn bei Ihnen als Schüler hängen?

Julia Zibis: Ich hätte mir gewünscht, dass unsere Fragen beantwortet worden wären. Viele Argumente von Einwohnern, aber auch von Politikern wurden aber gar nicht aufgegriffen.

Benjamin Barthel: Das sehe ich auch so. Es wäre mir lieber gewesen, wenn der Antrag der USF/UWG-Fraktion, eine Bürgerbefragung durchzuführen, angenommen worden wäre. Stattdessen hat man mit Hinweisen auf Verfahrensfehler versucht, die Antragsteller zu verunsichern.

Vincent Hübner: Es wurde ja gesagt, dass man sich über unser Engagement freut. Ich habe aber das Gefühl, wir wurden in der Sitzung gar nicht richtig ernstgenommen. Jeder Politiker fällt eine solche Entscheidung ja nicht nur für sich, sondern auch für uns. Unsere Wünsche und Bedenken wurden aber gar nicht berücksichtigt.

Julia Zibis: Ich habe auch den Eindruck, dass der Wille der Bürgerinnen und Bürger ignoriert wurde. Außer uns waren ja noch viele andere da, die auch Fragen gestellt haben. Frau Adolph wurde auch klein gemacht. Als beantragt wurde, die Abstimmung zu splitten, wurde ihr vom Vorsitzenden gesagt: Dann können Sie dem Bibliothekskonzept ja auch zustimmen. Das ging mir zu weit, da wurde Druck ausgeübt.

Würden Sie sich denn trotzdem auch in Zukunft noch einmal politisch engagieren?

Julia Zibis: Ja, auf jeden Fall! Auch wenn man scheinbar nur etwas bewirken kann, wenn man in einer Partei ist, glaube ich, dass Bürgerinitiativen sehr wichtig sind. Die Motivation zu politischer Arbeit hatte ich vorher schon, jetzt habe ich sie erst recht.

Benjamin Barthel: Ich bin bereits Mitglied in der Grünen Jugend und bin dadurch nicht demotiviert. Ich habe im Vorfeld auch Gespräche mit der Fraktion der Grünen geführt, doch ich habe keine Einigkeit mit der Partei erzielt. Das finde ich natürlich schade, aber mir wurde in jedem Fall zugehört.

Vincent Hübner: Ich war bei den Gesprächen mit den Grünen und der Linken dabei. Klar bin ich auch jetzt motiviert, mich politisch zu engagieren. Im Gespräch mit den Grünen habe ich mich auch ernstgenommen gefühlt trotz des Hinweises, dass man nicht zusammenkommt. Bei den Linken hatte ich eigentlich das Gefühl, dass sie von unseren Argumenten überzeugt waren.

Letzte Frage: Finden Sie es nachvollziehbar, dass die meisten Mitglieder des Kulturausschusses es nicht als ihre Aufgabe ansehen, vor dem Auszug der Bücherei ein tragfähiges Nachnutzungskonzept für das Alte Rathaus vorzulegen?

Alexander Zibis: Nein, das halte ich für unverantwortlich. Gerade in der Klärung und Erklärung wichtiger Zusammenhänge liegt ja das Potenzial politischen Handelns im Unterschied zur Umsetzung von Einzelinteressen. Umgekehrt kann man sagen, dass es eine Hauptursache für Politikverdrossenheit darstellt, wenn solche Aufgaben nicht erledigt werden. Ich habe mich ja auch in der Sitzung schon unbeliebt gemacht, indem ich unsere Volksvertreter mehrfach an ihre diesbezügliche Verantwortung für eine nachhaltige Stadtentwicklung sowie eine langfristige Stärkung der Kultur in Menden erinnert habe. Woraufhin ich dann hörte, man verbitte sich jegliche Belehrung, also augenscheinlich auch darüber, dass die Barrierefreiheit im Alten Rathaus ohnehin hergestellt werden muss und unbedingt zu prüfen wäre, ob eine moderne Stadtbücherei dort nicht besonders attraktiv wäre.