Menden. Marie-Ellen Krause baute in Menden drei Einrichtungen für Menschen mit Schwerst-mehrfachbehinderungen: Dafür gab es den Verdienstorden.
Große Dinge können klein anfangen. In diesem Fall beginnen sie mit einem Anruf von Landrat Marco Voge bei Marie-Ellen Krause: „Hallo, Frau Krause, sitzen Sie?“ – „Sollte ich denn?“ – „Besser wäre das.“ Dann eröffnet Voge der Mendenerin, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihr die höchste Auszeichnung zukommen lassen will, die man hierzulande für ehrenamtliche Arbeit erhalten kann: die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Und Krause stellt fest: Man kann aus allen Wolken fallen, auch wenn man schon sitzt.
VKM-Vorsitzende dankt im Alten Ratssaal ihren Unterstützern
Am Donnerstagvormittag ist es so weit: Voge steckt der Vorsitzenden des Mendener Vereins für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (VKM) im Alten Ratssaal die Medaille ans Revers. Und Marie-Ellen Krause wirkt bei der Zeremonie im Alten Rathaus immer noch wie vom Donner gerührt: „Ich bin sehr, sehr stolz und möchte auf all die Menschen verweisen, ohne die ich das nicht geschafft hätte, auf meine Familie, mein Team und unsere vielen Unterstützer.“ Einige dieser Mitstreiter sind im Ratssaal dabei: Ihr Lebensgefährte und ihre Mutter sind gekommen, das langjährige VKM-Vorstandsmitglied Hermann Josef Schnell, Kolleginnen und Kollegen aus den Häusern, die Ex-Bundestagsabgeordnete Dagmar Freitag, Altbürgermeister Martin Wächter und dessen Nachfolger Dr. Roland Schröder.
Im Rückblick in und für Menden eine unglaubliche Leistung vollbracht
Alle wollen würdigen, was Krause geschafft hat, und das erscheint im Rückblick schier unglaublich: An Sollingstraße, Hönnenwerth und Lenzenplatz stehen heute drei Einrichtungen für insgesamt 60 Menschen mit Schwerst-Mehrfachbehinderung. Als Marie-Ellen Krause anno 2001 für den VKM das Wohnhaus Sollingstraße in Angriff nimmt, gibt es für diese Menschen hier noch gar nichts Geeignetes. Und viele, inklusive des Chronisten, hätten damals nicht geglaubt, dass eine Mutter und ihr Elternverein vier Jahre später 24 Bewohnerinnen und Bewohnern ein neues Zuhause schenken kann. Doch Krauses Kontakte zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe, ihre Konzepte, ihre Förderanträge machen das Wunder möglich. Ein Wunder, das außerdem viele neue Arbeitsplätze in Menden schafft.
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Die „Villa Dominik“ benennt sie nach ihrem schwerbehinderten Sohn
2009 folgt die „Villa Dominik“, benannt nach ihrem zweiten Kind. Diese Einrichtung kann weitere 20 Menschen aufnehmen. Und im Wohnhaus Lenzenplatz, Baujahr 2013, geht es für 16 meist jüngere Leute darum, ihr Leben ungeachtet der intensiven Betreuung so selbstständig wie möglich zu führen. Marie-Ellen Krauses Sohn Dominik, geboren mit einer sehr schweren und seltenen Behinderung, wird nur 21 Jahre alt. Und doch ist er es, der seine Mutter 1987 in jenen Elternverein eintreten lässt, der später den VKM hervorbringt. Letztlich ist es Dominik, der sie zu einer hoch engagierten und streitbaren Verfechterin der Anliegen ihrer Schützlinge und ihrer Eltern macht.
2021: Kampf gegen die Flutschäden auch ein Kampf um ihr Lebenswerk
Der SPD-Bundestagsabgeordneten Dagmar Freitag hilft Krause 2014 in Iserlohn noch beim Aufbau eines Elternvereins, der heute seinerseits Wohnangebote für behinderte Menschen macht. Als 2021 das katastrophale Hochwasser die Villa Dominik unter Wasser setzt, nimmt Krause den Kampf um ihr Lebenswerk an: Unermüdlich sammelt sie Spenden, leitet Aufräumarbeiten, stellt Flutgeld-Anträge. Heute steht die Villa wieder im Vollbetrieb, flutsicherer als je zuvor. Und mit einem Garten als Naturparadies.
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Mit 60 Einrichtungsplätzen auch vielen Eltern die größte Sorge genommen
Marco Voge fasst all das so zusammen: „Sie haben durch Ihr Wirken behinderten Menschen und deren Familien den Weg in die Mitte unserer Gesellschaft geebnet. Dadurch sind Sie ein Vorbild für uns alle. Sie dürfen mit Stolz auf all das blicken, was sie mit dem VKM geleistet haben und noch leisten!“
Dagmar Freitag spricht die ungeheure Last an, die der Verein den Eltern schwerst-mehrfachbehinderter Kinder abnimmt: „Viele sorgen rund um die Uhr für ihre geliebten Kinder. Ihre größte Angst ist, was passiert, wenn sie das nicht mehr können.“ Darauf gibt es heute in Menden drei Antworten – vor allem dank Marie-Ellen Krause.
Herzlose Bemerkungen über ihr Kind hat sie nie vergessen
Der so hoch Gelobten merkt man ihre Verlegenheit an. Sie sei Martin Wächter dankbar für dessen Einsatz für das schöne Grundstück am Lenzenplatz, sagt Marie-Ellen Krause. Dann berichtet sie, was sie einst angetrieben hat: „Als ich in Bonn einmal mit Dominik unterwegs war, fragte mich eine Frau: ,Wie kann man sich mit so einem Kind auf der Straße blicken lassen?’ Das vergesse ich nie.“ Fortan habe sie etwas für das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung tun wollen. Und auch das, sagt Voge, habe sie geschafft.
Große Freude: Als BVB-Fan direkt nach Trainer Terzic im Goldenen Buch der Stadt
Am Ende lädt Bürgermeister Schröder sie zum Eintrag ins Goldene Buch der Stadt ein. Krause freut sich, dass sie direkt nach BVB-Trainer Edin Terzic kommt. Dagmar Freitag schmunzelt: „Die Frau geht auch noch ins richtige Stadion!“