Menden. Nach drei Windpocken-Fällen an den Walburgisschulen dürfen 70 Kinder und Jugendliche nicht in den Unterricht. Gesundheitsamt Montag vor Ort.
Einen Einsatz in dieser Größenordnung gibt es für das Gesundheitsamt sowie den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst des Märkischen Kreises selten: Rund 900 Impfbücher mussten am Montagvormittag überprüft werden. 70 Schülerinnen und Schüler wurden anschließend vom Unterricht ausgeschlossen. Aktueller Anlass sind drei Windpocken-Fälle am Walburgisgymnasium und an der Walburgisrealschule.
Gesetzliche Meldepflicht
In Deutschland gibt es keine Impfpflicht, um sich vor Windpocken zu schützen. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt die Varizellenimpfung mit zwei Impfstoffdosen aber allen Kindern – vorzugsweise im Alter von elf bis 14 Monaten (erste Impfung) und 15 bis 23 Monaten (zweite Impfung). Die Impfung kann laut RKI auch jederzeit später bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden.
Nach dem Infektionsschutzgesetz gibt es für Windpocken eine gesetzliche Meldepflicht.
Lehrerinnen und Lehrer sind übrigens nicht davon betroffen, einen Nachweis über eine Windpocken-Impfung oder über eine durchgemachte Windpocken-Erkrankung zu erbringen, erläutert Dr. Ansgar Bornhoff, Schulleiter des Walburgisgymnasiums. „Die Regelung gilt erst ab dem Jahrgang 2004. Wir haben zwar ein sehr junges Kollegium, aber da sind wir dann doch nicht betroffen.“
Elf Mitarbeiter vor Ort
In der vergangenen Woche waren die Fälle aufgetreten. Die Folge: Das Kreis-Gesundheitsamt verfügte, dass alle Schülerinnen und Schüler der Walburgisschulen entweder ihre Impfnachweise oder eine Bescheinigung des Kinderarztes, dass sie bereits Windpocken hatten, vorlegen müssen. Am Montagvormittag waren zur Kontrolle elf Mitarbeiter aus dem Gesundheitsamt und vom Kinder- und Jugendärztlichen Dienst des Märkischen Kreises an den Walburgisschulen, wie Alexander Bange, Pressesprecher des Märkischen Kreises, auf Nachfrage der Westfalenpost erläutert. Ziel sei es, die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen und die Infektionskette zu unterbrechen.
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Der Märkische Kreis habe bereits alle Kinderärzte im Kreis informiert und darum gebeten, bei Anfragen von Eltern zu Nachweisen über die durchgemachte Windpocken-Infektion ihres Kindes zeitnah eine Bescheinigung auszustellen.
Schulleitung informiert auch auf ihrer Homepage
Im Grundsatz gelte: Wer nicht geimpft ist und wer die Erkrankung noch nicht durchlaufen hat (oder hierüber keine ärztliche Bescheinigung vorlegen kann), darf derzeit nicht am Unterricht an den Walburgisschulen teilnehmen. Darüber informiert die Schulleitung auch auf ihrer Homepage, auf der Eltern darauf hingewiesen werden, „dass Ihr Kind bei fehlendem oder unvollständigem Nachweis durch das Gesundheitsamt direkt vom Präsenzunterricht in der Schule ausgeschlossen wird, Sie Ihr Kind also ggf. abholen und beaufsichtigen müssen“.
Wer beispielsweise am Montag sein Impfbuch mit dem entsprechenden Impfnachweis nicht dabei hatte, es aber am Dienstag im Sekretariat nachreicht, darf ab dem Tag wieder die Schule aufsuchen. „Es sind 16 Tage Zeit, das Impfbuch nachzureichen“, erläutert Alexander Bange.
Lob des Gesundheitsamtes
„Die Kontrolle war gemeinsam mit der Schule sehr gut organisiert“, lobt Volker Schmidt, Fachbereichsleiter Gesundheit des Kreises. Insgesamt wurden 896 Impfbücher und Bescheinigungen von Kinderärzten kontrolliert.
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Von den 70 Schülerinnen und Schülern, die derzeit vom Unterricht ausgeschlossen sind, wird nach Einschätzung des Gesundheitsamtes „gut die Hälfte dieser Personen die fehlenden Bescheinigungen (Impfbuch oder Nachweis vom Arzt) noch nachreichen“. Genauere Zahlen, wie viele Personen einmal oder zweimal geimpft sind beziehungsweise bereits eine Infektion hatten, sollen voraussichtlich im Laufe des Dienstags bekannt gegeben werden.
Maßnahmen sind im Infektionsschutzgesetz geregelt
Die aktuellen Maßnahmen, darauf weist Alexander Bange hin, liegen nicht im Ermessen des Märkischen Kreises, sondern seien in §34 des Infektionsschutzgesetzes geregelt. Hier ist auch der Umgang mit dem Auftreten von Windpocken in Gemeinschaftseinrichtungen nachzulesen. Allzu häufig komme das indes nicht vor, weiß Alexander Bange: „Bei solch großen Einrichtungen haben wir noch keine Erfahrungswerte.“ Das Gesundheitsamt führe ab drei Windpocken-Fällen Impfbuchkontrollen in den Einrichtungen durch. Aufgrund der räumlichen Nähe werden Walburgisgymnasium und -realschule als „eine“ Einrichtung angesehen, erläutert Alexander Bange.
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„Wer nicht geimpft ist und die Krankheit noch nicht durchgemacht hat, darf 16 Tage nicht zur Schule“, erläutert Alexander Bange. „Gerechnet wird ab dem ersten Tag, an dem die Krankheit in der Schule aufgetreten ist.“ Das sei vergangene Woche Mittwoch oder Donnerstag gewesen.
Wer nun schnell eine Windpocken-Impfung nachhole, könne die Zeit auch nicht verkürzen, sagt Alexander Bange, denn: „Man braucht zwei Impfungen, und den kompletten Schutz hat man erst nach vier Wochen.“ Die Erfahrung des Märkischen Kreises sei, dass die meisten Kinder entweder gegen Windpocken geimpft seien oder die Erkrankung durchgemacht haben: „Das sind in der Regel mehr als 95 Prozent.“
Mehrzahl der Kinder ist geimpft
Auch Dr. Ansgar Bornhoff, Schulleiter des Walburgisgymnasiums, bestätigt, dass die Mehrzahl der Kinder geimpft sei, doch gebe es auch „mehrere ohne Impfschutz“. Andere wiederum, die die Erkrankung schon durchgemacht haben, würden derzeit versuchen, sich dies vom Arzt bescheinigen zu lassen.
Kinder und Jugendliche, die die Walburgisschulen nun nicht besuchen dürfen, würden „über die digitalen Strukturen, die wir zum Glück über Teams aufgebaut haben“, informiert. Es sei allerdings nicht möglich, dass Lehrkräfte den Unterricht analog und zusätzlich digital abhalten, „das wird nicht funktionieren“. Doch sollen die digitalen Kanäle genutzt werden, um die Kinder und Jugendlichen, die zurzeit nicht die Schule betreten dürfen, über den Unterrichtsstoff und die Aufgaben auf dem Laufenden zu halten: „Die Kolleginnen und Kollegen werden sich aktiv kümmern“, verspricht Dr. Ansgar Bornhoff.
Für die Q2 gibt es eine Ausnahmeregelung
Ein mehrtägiger Unterrichtsausfall ist nicht immer leicht aufzuholen. Ungleich größer ist die Herausforderung allerdings für die Schülerinnen und Schüler, die in diesem Jahr auf ihr Abitur zugehen. Hier gebe es glücklicherweise eine Ausnahmeregelung, zeigt sich Dr. Bornhoff erleichtert: „Hier haben wir eine Sonderregelung erwirken können. Aufgrund der besonderen Situation hat die Q2 die Erlaubnis bekommen, den Unterricht zu besuchen.“ Allerdings dürfen die angehenden Abiturienten ausschließlich am Unterricht teilnehmen, nicht aber am sonstigen Schulleben. „Das heißt, sie dürfen zum Beispiel nicht in die Cafeteria oder in den Aufenthaltsraum.“ Die Sonderregelung habe der Amtsarzt des Märkischen Kreises am Montag zugesagt.
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Der Schulleiter weiß, dass der kurzfristige Unterrichtsausfall gerade für Eltern jüngerer Kinder schwierig sein kann: „Ich weiß, dass das für ganz viele Familien eine Herausforderung ist.“ Indes gebe es aber keine andere Möglichkeit: „Die Krankheit ist meldepflichtig, und das ist sie nicht ohne Grund.“