Menden. Die Neue Philharmonie Westfalen wird in Menden gefeiert. Und erklärt, was spanische Musik mit der Fußball-WM in Katar zu tun hat.

Daumen hoch für dieses Silvesterkonzert! Übersprühende Emotionen, ein Dirigent mit vollem Körpereinsatz und bewusst platziertes Lokalkolorit sorgten für einen stimmungsvollen Freitagabend auf der gut besetzten Wilhelmshöhe. Wärmendes für Herz und Seele in Zeiten von Energiekrise und runtergedrehten Heizungen: Das hatte Markus Wallrafen dem Publikum auf der Wilhelmshöhe zur Begrüßung versprochen. Aber es war nicht nur der musikalische Schwerpunkt Spanien mit dem feurigen Temperament, der den Besuchern einheizte.

Wieder doppelt so viel Publikum wie beim Corona-Konzert 2021

Da war auch die Freude, endlich mal wieder ein ganz normales Silvesterkonzert erleben zu können – nach der Absage 2020 und besonderen Bedingungen im vergangenen Jahr: Mit Maske im Saal, auch bei den Orchestermitgliedern ohne Blasinstrument, ohne das eigentlich obligatorische Glas Sekt und mit nur 150 Zuschauern auf Abstand ging die traditionsreiche Veranstaltung mit der Neuen Philharmonie Westfalen Ende 2021 deutlich eingeschränkt und doch freudig über die Bühne. Auch derDirigent musste damals coronabedingt kurzfristig ersetzt werden. Nun, am Freitagabend, waren es grob geschätzt wieder doppelt so viele Gäste wie vor einem Jahr, die gut drei Viertel der Plätze auf der Wilhelmshöhe besetzten und dann in der Pause auch miteinander anstoßen konnten. „Endlich wieder gut gefüllt“, freute sich deshalb auch Moderator Wallrafen beim Blick in den Saalbau.

Fachkundige und gut verständliche Erläuterungen zum musikalischen Programm

Erst Fröndenberg, dann Menden

Normalität auch wieder in Fröndenberg: Auch hier fand das Silvesterkonzert mit den gleichen Beteiligten und dem gleichen Programm einen Abend vorher, am Donnerstag, in der gut besetzte Aula der Gesamtschule statt.

Die Stadt als Veranstalter hatten diesen Abend 2021 mit Verweis auf die Pandemie (im Gegensatz zu Menden) noch abgesagt. Moderator Markus Wallrafen schmunzelte auf der Wilhelmshöhe einmal, er habe einfach alle Erwähnungen des Ortsnamens kurzfristig wieder getauscht.

Das Orchester absolviert über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel ein wahres Mammutprogramm an Auftritten, deshalb sprach Wallrafen auch von der „Neuen und bienenfleißigen Philharmonie Westfalen“.

Seine fachkundigen wie auch gut verständlichen Erläuterungen zum musikalischen Programm und der überlegt gesetzte Humor gehören zum Silvesterkonzert einfach auch mit dazu. Und dabei schreckt Wallrafen, selber Profimusiker und am Niederrhein zuhause, auch vor Lokalkolorit für die gastgebende Stadt nicht zurück. Passend zum spanischen Schwerpunkt des Abends erklärte er den Zuhörern die Gattung der Zarzuela, Musiktheater irgendwo zwischen Oper und Operette, inhaltlich gestaltet mit volkstümlichen Themen, Neuigkeiten vor Ort sowie Klatsch und Tratsch der kleinen Leute. „Also quasi die Westfalenpost mit Musik“, erläuterte Wallrafen. Um dann später noch zu erklären, natürlich habe jedes einzelne Orchestermitglieder der Neuen Philharmonie Westfalen den Abend in Menden einem Urlaub im sonnigen Süden vorgezogen.

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Schwerpunkt Spanien: Schlechtleistung bei der Fußball-WM bleibt unvergessen

Hört gebannt zu und spendet reichlich Applaus: das Publikum auf der gut gefüllten Wilhelmshöhe.
Hört gebannt zu und spendet reichlich Applaus: das Publikum auf der gut gefüllten Wilhelmshöhe. © WP | Alexander Lück

Den spanischen Schwerpunkt, so Wallrafen zu Beginn des Konzertes, hätte er persönlich selber lieber beiseite gelassen. Grund: das sportlich eher fragwürdige Verhalten der iberischen Fußballmannschaft bei der WM, das auch für das frühe deutsche Ausscheiden des Nationalteams sorgte. Das Thema des Silvesterkonzertes bezog sich indes vor allem auf die Kompositionen und weniger auf die dargebotenen Künstler, denn Werke wie „Spanischer Marsch“, „Spanischer Tanz“ und Co. kamen von Komponisten aus Österreich, Frankreich, Deutschland oder Italien. Aber auch aus dem Land selber.



Das Konzert selbst: feurig, funkensprühend, schwungvoll und melodienreich

Zur Musik: Ein derart feuriges, funkensprühendes, schwungvolles und melodienreiches Silvesterkonzert hat man wohl lange nicht so gehört, mitreißend von der ersten Sekunde an. Die erste schwermütige Melodie gab es beim vierten Stück, und auch danach war nur wenig Platz für derartige Emotionen. Alles in allem also ein fröhlicher musikalischer Abschluss eines schweren Jahres, über dessen Belastungen und Krisen an anderer Stelle genug gesagt und geschrieben ist.

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Dirigent Evan Christ ein musikalischer Kosmopolit mit griechischen Wurzeln

Die übersprühende Freude und Emotionalität brachten natürlich die Musikerinnen und Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen auf die Bühne. Vor allem aber der Mann ganz vorne am Pult war der Blickfang des Abends: Dirgent Evan Christ, ein musikalischer Kosmopolit mit griechischen Wurzeln, aufgewachsen in Los Angeles und einer beeindruckenden beruflichen Vita bis hin zum Brandenburgischen Staatstheater und damit verbunden der Wahl zum „Cottbuser des Jahres“.

Als Dirigent am Pult an der Grenze zum Ausdruckstanz

Moderator Markus Wallrafen unterhält das Publikum prächtig.
Moderator Markus Wallrafen unterhält das Publikum prächtig. © WP | Alexander Lück

Menden hat er nun auch abgehakt in seiner Vita und schlicht und einfach Staunen hinterlassen: Bewegungsdrang ohne Ende an der Grenze zum Ausdruckstanz vorne am Pult, aber immer mit dem Ziel, seine Schützlinge an den Instrumenten zu leiten, anzutreiben oder auch mal zu einem ganz sanften Klangteppich einzubremsen. Etwa für die Stücke mit Sopranistin Tanya Durán Gil. Ergebnis vor allem: ein sehr spielfreudiges, luftig-frisch und ziemlich präzise klingendes Orchester. Leerlauf und Verschnaufen Fehlanzeige, Christ war nach der Pause noch gar nicht wieder richtig an seinem Platz, da startete er mit den Musikern in einen Rundgang der schönsten Melodien der weltbekannten Oper „Carmen“.

Besondere Leistungen des Orchesters mit „Daumen hoch“ quittiert

Einzelne, besonders gelungene Stellen honorierte Evan Christ mitten im Stück immer wieder mit einem „Daumen hoch“ in Richtung des Klangkörpers. Belohnt wurde das alles mit begeisterten Standing Ovations nach gut eineinhalb Stunden Musik. Die Zugabe - wie könnte es anders sein: der Radetzky-Marsch - spielte das Orchester dann fast alleine und Evan Christ konzentrierte sich mehr darauf, das Publikum zu dirigieren, zu leisem oder lautem Klatschen im Rhythmus. Und am Ende gab dann der Dirigent auch für die Zuhörer auf der Wilhelmshöhe ein sichtbares Votum ab: Daumen hoch!