Menden. Die Polizei stoppt einen Mann ohne Führerschein. Der fährt einem Beamten über den Fuß und startet eine Verfolgungsjagd durch Menden.

Es sind Szenen wie aus einem Film. Ein Mercedes AMG rast durch Menden, schlängelt sich durch den Verkehr, beschleunigt immer wieder extrem, ignoriert durchgezogene Linien und rote Ampeln. Spitzenwert: Deutlich mehr als 150 km/h auf der Provinzialstraße. Dem Wagen auf den Fersen ist die Polizei mit ihrem Bulli – zumindest so gut sie kann. Die Beamten sind hoffnungslos untermotorisiert unterwegs im Vergleich zu dem Hochleistungswagen. Sie begeben sich bei der spektakulären Verfolgungsjagd selbst in Gefahr. Ein Polizist wird verletzt. Alles festgehalten über die Dashcam des Dienstwagens. Das Video läuft nun im Verhandlungssaal des Mendener Amtsgerichts – und der Angeklagte Mendener Fahrer muss sich für seine Taten verantworten.

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Es geht um einen Einsatz ab 18.55 Uhr am 6. Mai dieses Jahres. Die Anklageschrift ist lang. Fahren ohne Fahrerlaubnis und die Gefährdung des Straßenverkehrs stehen genauso auf der Liste wie der Angriff auf Vollstreckungsbeamte und eine gefährliche Körperverletzung. Doch was genau ist geschehen?

Raserei durch das Mendener Zentrum – bis nach Fröndenberg

Rückblende. Die Polizisten sind auf dem Weg zu einem anderen Einsatz und sehen den auffälligen Wagen des Mannes in der Nähe des Hönnegymnasiums. Der Mann ist polizeibekannt, vorbestraft und hat keinen Führerschein. Nach kurzer Zeit brechen die beiden Polizeikommissare ihren eigentlichen Einsatz ab, um den Mercedes anzuhalten und zu kontrollieren. Ecke Bodelschwinghstraße/Kaiserstraße sehen sie den Wagen wieder und fahren hinterher. Sie signalisieren dem Fahrer anzuhalten, doch der hat andere Pläne. Nach einer Runde im Kreis über die Unnaer Straße blockiert der Polizeiwagen an der Kreuzung die Weiterfahrt. Die Beamten steigen aus. Doch nicht nur sie. Auch der Beifahrer des Mendeners haut ab.

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Die Beamten klopfen an die Scheiben und fordern den nun Angeklagten auf, auszusteigen. Dieser verriegelt die Türen und legt den Rückwärtsgang ein. Ein Beamter stellt sich hinter den Wagen und will ihn stoppen. Wie die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beschreibt, soll der Angeklagte weitergefahren und dabei über den Fuß des Beamten gefahren sein. Ab diesem Moment beginnt die Verfolgungsjagd. Der Angeklagte flüchtet Richtung Werler Straße, versteckt sich, fährt weiter. Die Beamten sichten ihn an der Franz-Kissing-Straße. Er überholt Autos, missachtet Stoppzeichen und Ampeln. Weiter geht es über die Märkische Straße, die Unnaer Landstraße und die Provinzialstraße Richtung Kreisel in Langschede, wo er dreht und wieder Richtung Halingen und Firma Bega brettert. Auch die mobile Straßensperre hinzugerufener Polizisten umkurvt der Mendener und rast davon – bis die Beamten schließlich, auch zu ihrer eigenen Sicherheit, die Verfolgung abbrechen. So weit die Anklage.

Angeklagter schmunzelt beim Ansehen des Videos

Zurück im Verhandlungssaal. Der Angeklagte will sich nicht äußern. Mehrere Zeugen sind geladen – drei beteiligte Polizisten, sowie der Beifahrer des Angeklagten. Während das Video der Verfolgungsjagd läuft, kommentiert einer der Zeugen, ein Polizist, die Bilder. Immer wieder schildert er, dass sie den Sichtkontakt zum Fluchtwagen zeitweise verloren haben. Zu viel PS, zu extreme Beschleunigung. „Er hat das Gas durchgetreten und wir sind teilweise nicht hinterher gekommen“, schildert der Polizist. Der AMG habe einfach deutlich mehr PS, der Bulli sei zeitweise mit 150 km/h unterwegs gewesen und der Mercedes sei dennoch mit großem Abstand weggefahren. Währenddessen schmunzelt der Angeklagte. Er sitzt entspannt im Designershirt auf seinem Stuhl, nimmt sein funkelndes Armband ab und lässt es in der Hosentasche verschwinden. Es ist nicht seine erste Verhandlung.

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Der verletzte Polizist ist auch selbst im Bild. Humpelnd springt er in den Dienstwagen, um den Mann zu verfolgen. Kurz zuvor war sein Fuß unter das Rad des Flüchtigen gekommen. Die Folge: Eine Quetschung und eine Woche Dienstausfall. Er habe laut geschrien und auf den Wagen geklopft. Doch der Angeklagte sei einfach weiter rückwärts gefahren, um sich der Kontrolle zu entziehen und habe ihn getroffen. „Ich bin dann auf den Fahrersitz gesprungen und habe die Verfolgung aufgenommen“, beschreibt er. Adrenalin habe geholfen, den Einsatz weiterzuführen.

Die anderen geladenen Polizisten schildern die Lage ähnlich. Einer der Männer, die die mobile Straßensperre auf Höhe von Bega errichtet haben, sagt: „Er kam mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu und hat dann gebremst.“ Wenige Sekunden später habe der Fahrer realisiert, dass er durch das Verdrängen der Beamten die Sperre umkurven kann und sei weiter gefahren. Die Polizisten seien ihm ausgewichen und vorsichtig gewesen. Man kenne den Angeklagten und wollte sich nicht selbst gefährden. Kurz danach habe die Leitstelle den Abbruch des Rennens angeordnet, um kein weiteres Risiko einzugehen.

Richter: „Er ist wie eine gesengte Sau durch Menden gerast“

Der frühere Bewährungshelfer des Angeklagten schildert ein düsteres Bild. Der Mann habe sich an nichts gehalten. Die Versuche des Verteidigers dazulegen, dass sein Mandat das Auto womöglich nicht gefahren habe, scheitern. Er fordert dennoch den Freispruch. Die Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung sowie drei Jahre keinen Führerschein und den Einzug des AMG.

Richter Kaste findet indes klare Worte für das Verhalten des Mendeners: „Er ist wie eine gesengte Sau durch Menden gerast“, sagt er bei der Urteilsverkündung. Kaste ist sich sicher: Hätten die anderen Verkehrsteilnehmer nicht so schnell reagiert und wären dem führerscheinlosen Raser ausgewichen, hätte es geknallt. „Und vermutlich wäre dann bei dieser hohen Geschwindigkeit auch jemand gestorben.“ Dementsprechend hart ist das Urteil: Ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung sowie drei Jahre kein Führerschein und der AMG wird eingezogen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.